Ferien daheim:La deutsche Vita

Ferien daheim: Bewährte Gartenfreuden: Mit Monoblock-Chair und Boccia-Kugel wird's ein Sommer, wie er früher einmal war. SZ-Collage

Bewährte Gartenfreuden: Mit Monoblock-Chair und Boccia-Kugel wird's ein Sommer, wie er früher einmal war. SZ-Collage

(Foto: Hersteller)

Fernreisen sind nicht mehr angesagt? Macht nichts, zu Hause ist es auch schön. Authentisch ist das Sommergefühl auf der heimischen Terrasse aber erst mit diesen Accessoires.

Von Max Scharnigg

Der weiße Monoblock-Stuhl

Wenn man sich auf ein einziges Symbol für das Leben unter freiem Himmel einigen müsste, dann diesen Stuhl. Er wirkt ja eigentlich immer wie der skelettierte Geist eines richtigen Stuhls und markiert auch sonst in mancherlei Hinsicht den absoluten Tiefpunkt seiner Art. Zum Beispiel was das Gewicht und den Preis angeht - knappe sechs Euro kostet so ein Ding heute. Unerreicht sind die Stapelmöglichkeiten des Monoblock-Stuhls, die ihn immer noch zum Pflichtmobiliar vor Imbissbuden und anderer niedrigschwelliger Gastronomie machen. Dass er es mit diesen funktionalen Attributen und der großen Beliebtheit im Volk bis jetzt noch nicht in die Designsammlungen geschafft hat, ist eigentlich nicht einzusehen.

Beruhigend: Spätestens in tausend Jahren wird er aber spätestens ins Museum kommen. Wenn zukünftige Archäologen nämlich Millionen der unverrotteten Gebilde auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik ausgraben. Und bei allen Fundstücken wird dann ein Hinterbein rätselhaft umgebogen oder ganz abgebrochen sein. Was hat das zu bedeuten? Na, nichts anderes, als dass sich Onkel Heinz eines Tages zu schwungvoll hinsetzte und dann unter großem Hallo hintüber in den Kirschlorbeer wegsackte. Diese Geschichte kursiert in jeder Familie jahrelang, der Stuhl ist also unbedingt auch eine feste Stütze der hiesigen Unterhaltungskultur - was viele der modernen und seriösen Outdoormöbel nicht von sich behaupten können.

Boccia

Mit dem Möchtgern-Dandyspiel Boule hat das natürlich nichts zu tun. Das merkt man schon daran, dass die authentischen Boccia-Kugeln aus dem Schuppen stets aus billigem, schlecht entgratetem Plastik und nur halb gefüllt sind, ihre Farben aber immer noch aussehen wie aus einem Polaroid-Foto und sowieso zwingend eine Kugel fehlt. Aber kaum nimmt man eine dieser friedlichen Zeitbomben (von wann bitte datiert das Füllwasser?) in die Hand, stellt sich auch heute und im eigenen Garten noch zuverlässig ein Adria-1986-Feeling ein.

Ein bisschen alter Strand und Sonnenöl kleben schließlich auch noch immer dran. Als Kind tönte das Wort Boccia exotisch, genau wie die Aussicht, zusammen mit Mama und Papa bunte Kugeln durch die Landschaft schleudern zu dürfen. Boccia war aber schon damals auch nur das letzte Mittel gegen Langeweile und die einzigmögliche Art der Bewegung bei großer, lähmender Hitze. Und selbst Managertypen dürfte es ja vermutlich schwer fallen, beim Bocciaspielen einen sportlichen Ehrgeiz zu entwickeln - sogar die können mit diesem Spiel also mal Urlaub machen. Boccia gehört auch eindeutig zu den Zeitvertreiben, bei denen die Idee unterhaltsamer ist als die eigentliche Ausführung. Denn schon nach zwei Runden lässt die Spannung hier ja zuverlässig nach. Soll man irgendwas zählen, irgendwelche Punkte aufschreiben? Ach, ist doch wurscht.

Der Drück-Aschenbecher

Ein Relikt aus einer finsteren Zeit - als nämlich die böse Raucherei auch noch mit gewitzter Mechanik unterstützt wurde. Abgebrannte Kippe drauf, runterdrücken, die Fliehkraft beförderte den glühenden Stummel nach unten und der Deckel schloss das ganze dann wieder rauchdicht ab - genial! Im Geräteschrank oder der Gartenlaube hat so ein Ding vermutlich bei jeder zweiten Familie die Jahrzehnte überlebt, weil schließlich Onkel Heinz ja manchmal noch eine rauchen möchte, beim Grillen.

Dabei sieht der Apparatus auf heutigen Tischen wirklich ganz unpassend aus. Denn zwingend gehört neben so einen Drück-Aschenbecher eigentlich noch eine dunkel patinierte Maggiflasche, eine Lesebrille mit Kordel und eine Fernsehzeitung. Das waren eben so die kleinen Alltagskicks der Sommerferien bei Oma! Benutzt wird der Drückaschenbecher heute natürlich nicht mehr, denn selbst Onkel Heinz dampft jetzt nur noch mit einer Leuchtdiode. Aber das eklige, alte Ding deswegen wegwerfen? Niemals!

Die Tischdeckenklammer

In jeder ehrlichen Krimskrams-Schublade tauchen diese Klammern auf, nur echt mit ein bisschen Flugrost! Sie sind Erbmasse einer Zeit, in der draußen auf der Terrasse und auf einer nicht flatternden Tischdecke noch formvollendet Kaffee im Kännchen serviert wurden. Dazu gab's Marmorkuchen und den Satz: "Kommen schon die Wespen!".

Tischdeckenklammern gehören jedenfalls zu jenen ewigen Habseligkeiten, die man zwar nicht kauft, aber auch nicht wegwirft, jedes Haus hat sie einfach irgendwo. Und das ist ein beruhigendes Gefühl. Abgelöst wurden die Klammern damals durch baumelnde, bunte Tischtuchgewichte in affektierten Formen, die der ganzen Kaffeetafel etwas von einem Fesselballon gaben. Die Klammern mit ihrem schnörkelfreien Design und tadelloser Anti-Windkraft waren aber eigentlich immer stilvoller.

Die Rosenkugel

Eine Zeit lang war eine Rosenkugel das einzig annehmbare Geschenk für Gartenfreunde mit Niveau. Eine Fortentwicklung des Gartenzwergs, der ja irgendwann als Spießer-Accessoire enttarnt worden war. Rosenkugel aber, das klang nach französischer Eleganz und wurde mit bäuerlichem Feingefühl zwischen Lavendel und Westerland-Rose in die Erde gerammt. Da spiegelte sie fortan bläulich oder ganz weihnachtsrot den Lauf der Jahreszeiten wieder, als Totem der Gemütlichkeit und des kleinen Glücks.

Trotz ihres fragilen Materials waren die Dinger erstaunlich langlebig und irgendwann dann das dienstälteste Gewächs im Garten, auch wenn Buschwerk und Stauden sie vielleicht ein bisschen überwachsen haben. So stehen sie bis heute da - der Glanz ist weg, die Farbe zieht Schlieren. Keinesfalls aber sollte man so eine alte Rosenkugel einfach abbauen, denn erst jetzt funktioniert sie schließlich wie eine wirkliche Kristallkugel: Man kann hinein schauen und viele vergangene Sommer vorbeiziehen sehen.

Die Autanflasche

Das Zeug riecht vielleicht nicht nach großer Welt, aber unbedingt nach großen Ferien. Wer sich an der uralten, niemals versiegenden Autanflasche neben der Terrassentür bedient, der unterschreibt ja immer noch eine unsichtbare Absichtserklärung: Heute wird nicht klein beigeben, sondern der Natur getrotzt! Weil es so ein schöner Abend ist, weil man draußen sein möchte, egal wie aggressiv die Tierwelt darauf reagiert.

Slices of fresh mozzarella cheese and tomato Caprese salad PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY xdigifood

Kann Spuren von Italien enthalten: Das magische Dreierlei aus Mozzarella, Tomate und Basilikum.

(Foto: Imago)

Autan ist eigentlich das andere Wort für feuchte, deutsche Sommer, in denen die Mücken in den Regentonnen und Seerosenteichen in Rekordzeit schlüpfen. Es hilft etwas besser als die ebenfalls ewige währende Citronella-Kerze im Fundus, aber gestochen wird man natürlich trotzdem. Das ist aber nicht so schlimm, denn Mückenstiche sind ja auch irgendwie Souvenirs der warmen Jahreszeit. Und wenn die Lebenserfahrung eines lehrt, dann dass bei den wirklich großartigen Partynächten eben immer auch ein Hauch Autan in der Luft liegt.

Mozzarella-Tomate

Irgendwann setzte sich in Deutschland flächendeckend die Erkenntnis durch, dass Dolce Vita und Urlaubsgefühl gar nicht auf die zwei Wochen Italienurlaub beschränkt sein müssen. Mit den richtigen Zutaten ist es doch daheim genauso schön! Also wurde kistenweise falscher Balsamico importiert, und fortan bei jedem Grillfest verpflichtend Tiramisu und Caprese gereicht. Manche kenne diese italienische Flagge aus Mozzarella, Tomate und Basilikum bis heute gar nicht anders, als auf einem Pappteller mit bayerischen Rautenmuster.

Im Gegensatz zu Tiramisu hat die Caprese auch allen neueren Mitbring-Trends getrotzt und wird heute immer noch zwischen Aperol Spritz und Quinoa-Salat auf den Grillgabentisch geschmuggelt. Gehört einfach dazu! Der Schichtsalat schmeckt dabei meistens nicht ganz so magisch wie in Italien, was wahlweise am Gummi-Mozzarella, am Edeka-Basilikum oder der Discounter-Tomate liegt, meistens an einer Mischung aus allen drei Komponenten. Egal! Man isst das schließlich nicht wegen dem Geschmack, sondern gegen das Fernweh.

Das Steckerleis

Eisessen ist eigentlich immer noch die einfachste und günstigste Art, Urlaub zu machen. Es funktioniert überall, im Hinterhof, auf dem Balkon, sogar auf der Fensterbank. Nicht nur Farbstoff und Zucker sorgen dabei für Hochgefühle, sondern vor allem die Schleck-Meditation, die damit einhergeht. Denn mit so einem akut auf's Steckerl schmelzenden Eis in der Hand, macht man endlich mal fünf Minuten lang nichts anderes, schaut nicht mal aufs Smartphone. Und die Zeit vom Auspacken bis zum letzten, klebrigen Schleck am Holzstiel - das ist ja sowieso insgeheim die Zeiteinheit, in der die Dauer von Sommerferien gemessen wird. Wenn einer "heute schon drei Eis" hatte, dann bedeutet das jedenfalls übersetzt, es war wirklich ein langer, prächtiger Sommertag. Und anders als die artisanalen Eiskugeln in der Waffel, ist das industrielle Steckerleis erfreulich vom Zeitgeist verschont geblieben, Stichwort Capri und Nogger Choc!

Wenn man als Erwachsner versehentlich mal wieder eines dieser Dinger in die Hand bekommt, gesellt sich sofort wieder die Erinnerung an Sonnenbrand und eine Badehose mit aufgenähtem Seepferdchen dazu. Verdächtig war aber übrigens schon immer, wenn ein Steckerleis vorrätig in der heimischen Tiefkühltruhe wartete. Das gehört sich irgendwie nicht. Nein, man muss sich so ein Eis eigentlich erlaufen - 50 Meter zum Kiosk oder 500 Meter zur Tankstelle. Ist eben so im Sommer: Das Glück liegt nah.

Zur SZ-Startseite
Hütte

Garten
:Geordneter Rückzug

Frauen gestalten das Gartenhaus nach ihren Wünschen - und haben endlich, was vielen Männern selbstverständlich ist: Raum für sich.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: