Unisex-Mode:Gleiche Kluft für alle

Niklas und Toni Garrn Unisex

Die Geschwister Niklas und Toni Garrn in Unisex-Kleidung aus der "EQL"-Kollektion für die Bekleidungsmarke "Closed".

(Foto: CLOSED)

Immer mehr Modelabels, darunter auch große Namen wie Zara oder Closed, präsentieren Unisex-Kollektionen. Werden wir in Zukunft alle im Einheitslook herumlaufen?

Von Viktoria Bolmer

Weite Jeans, kastig geschnittene Sweatshirts in Nichtfarben - immer mehr Bekleidungsketten führen gerade eine Unisex-Kategorie ein. Zuletzt präsentierten das deutsche Model Toni Garrn und ihr Bruder Niklas eine entsprechende Kollektion für das Modelabel Closed: Weiße T-Shirts und Hemden, schwarze Stoffhosen und Mäntel, graue Kapuzenpullis. Die gleichen Designs und Schnitte für Damen wie für Herren.

Auch das spanische Textilunternehmen Zara hat in diesem Jahr eine geschlechtsunspezifische, sogenannte "ungendered"-Kollektion vorgestellt, die den Entwürfen der Garrn-Geschwister gar nicht unähnlich ist. Bei Zara wie bei Closed sind die Kleidungsstücke nicht mehr in Damen oder Herrengrößen erhältlich, sondern nur noch in S, M und L. Der Einheitslook für alle scheint sich zunehmend durchzusetzen. Ist die Zukunft der Mode also geschlechtsneutral?

Die Boyfriend-Jeans für den Roten Teppich

Zur Beantwortung dieser Frage lohnt zunächst der Blick in die Vergangenheit. Unisex-Kleidung gab es bereits in den Sechziger- und Siebzigerjahren - als Reaktion auf die Stereotypisierung der Geschlechter in den Nachkriegsjahren. Frauen, die nach dem Krieg Stärke und Eigenständigkeit bewiesen hatten, sollten plötzlich wieder hinter den Herd und sich dabei elegant und feminin kleiden. Ein Trend, dem durch die Unisex-Mode ein Stück weit Einhalt geboten wurde. Schon damals bedeutete geschlechtsneutrale Kleidung vor allem: Frauen in maskulinen Klamotten. Und schon damals führte der Unisex-Trend nicht zu einer geschlechtsneutralen Modewelt. Stattdessen verschwand er weitestgehend wieder.

Ein kleines Unisex-Comeback feierte das Modemagazin Vogue dann 2009 mit der weiten Jeans für Frauen, auch bekannt als Boyfriend-Jeans. Heidi Klum, Victoria Beckham und Katie Holmes trugen sie und machten die Hose tauglich für den Roten Teppich.

Der Unterschied zu heute: Bisher klaute man das übergroße graue Sweatshirt zur Boyfriend-Jeans noch aus dem Schrank des älteren Bruders oder bediente sich in der Männerabteilung. Jetzt gibt es eine beträchtliche Auswahl an Unisex-Kleidung zum Kauf im Laden oder Online-Shop.

Eine Befreiung von Barbie-Puppen-Vorbildern

Für Gerd Müller-Thomkins vom Deutschen Mode-Institut ist diese Entwicklung keine Überraschung. Die "textile Askese" der Unisex-Mode ist für ihn eine erwartbare Konsequenz der Modetrends der vergangenen Jahrzehnte. Vor allem Frauen befreiten sich damit vom Boom der Schönheitschirurgie und perfekten Barbie-Puppen-Vorbildern. Mit unscheinbarer Unisex-Kleidung würden sie nun deutlich machen: Meine Persönlichkeit ist wichtig, nicht meine Klamotten oder mein Geschlecht. Eine ähnliche Entwicklung beobachtet auch Volker Feyerabend von der Fakultät für Modedesign der Hochschule Hannover.

Die Theorie der Experten: Im Gegensatz zu aufreizender oder körperbetonter Kleidung stellt die schlichte Unisex-Mode nicht den Körper in den Vordergrund, sondern die Persönlichkeit - weil sich der Look darüber definiert, keiner zu sein. Er ist die Leinwand für den Charakter, drückt absichtlich gar nichts aus, um der Persönlichkeit das Feld zu überlassen. Er ist reduziert, schon fast langweilig, und damit eine Entwicklung weg von Stereotypen und vom in Szene setzen des perfekten Körpers.

"I think to people, not to gender"

Niklas Garrn sieht das anders. Für ihn ist Unisex-Kleidung keine blasse Hintergrundkulisse der Persönlichkeit - es handle sich durchaus um einen Look mit Aussage. "Unisex-Mode schafft Sicherheit und somit Wohlbefinden", so Garrn. Auch für Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlten. Auch Designer aus dem Hochpreissegment nehmen diesen Zeitgeist auf. Miuccia Prada etwa verkündete bereits im Sommer 2014 nach einer Modenschau: "I think to people, not to gender", und erläuterte: Die Kombination aus beidem [Mann und Frau] sei mehr "heute". Alles andere würde aussehen, als würden wir in Klassen leben, wie in Zeiten unserer Großväter, in der Männer und Frauen strikter getrennt waren.

Vor allem Frauen nutzen Unisex-Mode also, um sich von Oberflächlichkeiten und klassischen Geschlechterrollen zu befreien. Eine vollkommen geschlechtsneutrale Modewelt hat dieser Trend weniger zum Ziel. "Das wäre ja schrecklich und würde viele in der Fashion-Industrie arbeitslos machen. Was gibt es schöneres als eine Frau in einem Kleid und einen Mann im Smoking?", fragt Niklas Garrn. "Gleichzeitig meinen wir, dass es in der heutigen Zeit geschlechtsneutrale Mode geben sollte - als Ausdruck eines modernen Lebensstils."

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