Süddeutsche Zeitung

Umfrage unter Models:Mode, Glamour, sexuelle Belästigung

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Sehr jung, fast immer weiblich - und verletzlich: Viele Models leiden unter dem hohen Druck ihrer Branche, unter strikten Diätregeln und sexuellen Übergriffen. Wenn Sie sich bislang wünschten, dass Ihre Tochter Model wird, dann sollten Sie sich das nach einer aktuellen Umfrage noch mal überlegen.

Im Traum vom Modeldasein, das so manche Kandidatin einer entsprechenden Castingshow träumen mag, ist die Modeindustrie eine glitzernde Märchenwelt voller hübscher Kleider, schöner Menschen und reicher Berühmheiten. Dass zu dieser Welt auch Knebelverträge, Hunger-Vorschriften und Drogenexzesse gehören, ist allerdings ebenfalls kein Geheimnis, nicht erst seit Topmodel Kate Moss damit 2005 Schlagzeilen machte. Erst kürzlich zog ein niederländisches Model vor Gericht, weil ihre Agentur ihr Gage vorenthalten hatte, mit der Begründung, sie sei nicht schlank genug.

Wie es um die Arbeitsbedingungen von hauptberuflichen Models tatsächlich bestellt ist, dazu gibt es bislang keine verlässlichen Erkenntnisse. Das will Model Alliance ändern. Die US-Initiative setzt sich für die Rechte der Mode-Arbeiterinnen ein.

Gegründet wurde sie von Sara Ziff, einer Politologin, die selbst mehr als zehn Jahre lang als Model tätig war. Sie habe selbst mitbekommen wie "die Industrie häufig das Arbeitsrecht für Kinder missachtet, es an finanzieller Transparenz mangeln lässt, Essstörungen befördert und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gegenüber blind ist", schreibt sie auf der Homepage ihrer Organisation. "Die lukrativen Karrieren weltbekannter Supermodels haben nichts mit der Wirklichkeit der meisten Models zu tun, die jung, meist weiblich und sehr verletzlich sind."

Ziffs Initiative will Models über ihre Rechte am Arbeitsplatz aufklären, ihnen eine Plattform bieten, sich zu organisieren und auszutauschen, und sie bei spezifischen Problemen unterstützen.

Um sich einen Überblick über die berufliche Situation der Frauen zu verschaffen, wie Ziffs Mitstreiterin Jenna Saunders es ausdrückte, schickte die Organisation anonyme Fragebögen an 241 Models. Der Rücklauf war mit nur 85 Antworten zwar gering, die Zahlen können demnach nicht als repräsentativ gelten. Dennoch werfen die Ergebnisse ein Schlaglicht auf eine Branche, hinter deren glitzernder Fassade es oft düster aussieht:

[] 68,3 Prozent gaben an, unter Angstgefühlen und/oder Depressionen zu leiden.

[] 64,1 Prozent wurden bereits einmal von ihrer Agentur gebeten, abzunehmen. 48,7 Prozent versuchen mit Diäten, Fastenkuren oder anderen Maßnahmen, kurzfristig Gewicht zu verlieren.

[] 50,6 Prozent hatten während der Arbeit Kontakt zu Kokain, 76,5 Prozent gaben an, schon mit Alkohol und/oder Drogen zu tun gehabt zu haben.

[] 29,7 Prozent wurden schon einmal unsittlich berührt, auf 28 Prozent wurde Druck ausgeübt, mit jemandem aus der Arbeit Sex zu haben.

[] 29,1 Prozent der Frauen, die Opfer von sexueller Belästigung wurden, hatten das Gefühl, ihrer Agentur davon berichten zu können.

Eine besondere Bedeutung erlangen diese Ergebnisse im Hinblick auf die Tatsache, dass 54,7 Prozent aller Models im Alter zwischen 13 und 16 zu arbeiten beginnen und die wenigsten von ihren Eltern oder Erziehungsberechtigten begleitet werden.

Wie jung viele der Models auf den Laufstegen der Fashion Weeks tatsächlich sind, illustriert ein Vorfall bei der New Yorker Modewoche im Februar: Im Vorfeld hatte der Council of Fashion Designers of America appelliert, keine Mädchen unter 16 Jahren zu engagieren. Diese Forderung ist Teil einer Gesundheitsinitiative, die der führende Verband seiner Art in den USA bereits 2007 proklamierte. Die meisten Modehäuser folgten dem Aufruf, mit einer prominenten Ausnahme: Marc Jacobs schickte Thairine Garcia und Ondria Hardin auf den Laufsteg, die erst 14 oder 15 Jahre alt sein sollen - und löste damit eine neue Debatte um das Mindestalter in der Modeindustrie aus.

Die Antworten der Befragten zu sexueller Belästigung zeigten, sagte Model-Alliance-Gründerin Ziff dem Mode-Portal Fashionista, "dass Models eine unabhängige, vertrauliche Anlaufstelle brauchen". Gemeinsam mit der Musikervereinigung AGMA und Actor's Equity, einem Interessenverband US-amerikanischer Schauspieler und Bühnenarbeiter, hat die Organisation eine solche Anlaufstelle bereits ins Leben gerufen. Dort stehen Arbeitsrechtler und Gewerkschaftler als Ansprechpartner zur Verfügung.

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