Uhrenmanufaktur:Goldenes Händchen

Uhrenmanufaktur: Chronometer, silberne Manschettenknöpfe, Maßanzug: Karl-Friedrich Scheufele verkörpert den Unternehmer alter Schule und beschäftigt sich gerne mit Dingen, bei denen Zeit eine besondere Rolle spielt: Wein und Rennwagen, zum Beispiel.

Chronometer, silberne Manschettenknöpfe, Maßanzug: Karl-Friedrich Scheufele verkörpert den Unternehmer alter Schule und beschäftigt sich gerne mit Dingen, bei denen Zeit eine besondere Rolle spielt: Wein und Rennwagen, zum Beispiel.

(Foto: Oliver Tjaden/laif)

Von der Kleinanzeige zum Luxusunternehmen: Karl-Friedrich Scheufele führt mit seiner Schwester Caroline die Marke Chopard bis heute als unabhängigen Familienkonzern.

Von Max Scharnigg

Wenn man ihn treffen möchte, einen der letzten Uhren-Unternehmer alter Prägung, muss man nach Monaco. Seine Zeit ist sehr knapp, aber hier gibt es jedes zweite Jahr im Frühsommer einen Termin, den er penibel einhält. Und zwar nicht nur weil der Name seines Unternehmens Chopard dann auf nahezu jedem Plakat zwischen dem Casino in Monte Carlo und den Filmfestspielen in Cannes zu lesen ist. Nein, Karl-Friedrich Scheufele reist auch deswegen an die Côte d'Azur, weil er dort ein Date mit seinem jugendlichen Ich hat.

Das freut sich über die Versammlung einiger der schönsten Oldtimer der Welt. Über exklusiven Zugang zu Fahrerlager und Boxengasse, wo gänzlich ungefilterte Abgase wabern und grollend die alten Motoren warmlaufen. Dieses Jahr bot sich dem passionierten Motorsportler sogar die Chance, bei einem der Defilees des "Grand Prix de Monaco Historique" selbst mitzufahren. "Da ist so eine Sehnsucht nach Maschinen, bei denen man die Funktion noch versteht, wenn man sie betrachtet. Die nicht mit Elektronik überladen sind. Ich glaube kaum, dass heutige Autos irgendwann diese Faszination haben werden", sagt Scheufele am Abend nach dem ersten Training auf der Strecke.

Es begann mit einer Annonce: "Schweizer Uhrenmanufaktur zum Kauf gesucht."

Er trägt nicht mehr Rennoverall, sondern schon wieder einen akkuraten dunklen Anzug. Gleich muss er ein Dinner im Hotel "Hermitage" eröffnen, mit ausgesuchten Kunden und anderer Prominenz, man hört schon die Musik aus dem Garten. Aber die Zeit hat der energische und eher kleine Mann noch, von seinen ersten Runden auf dem Kurs zu erzählen, auf dem auch die Formel-1-Rennen gefahren werden. "Diese Strecke, die man so oft gesehen hat, einmal selbst zu fahren, das ist ein Wunsch, den ich schon lange hatte. Wenn man selbst durch diese Kurven muss, merkt man, wie anspruchsvoll das hier ist", sagt der Unternehmer, den seine Mitarbeiter nur KFS nennen und der nicht allzu viele unerfüllte Wünsche haben dürfte - Scheufele ist mit Chopard Milliardär geworden.

Er sammelt Uhren, Wein und alte Rennwagen, aber er belässt es nicht beim passiven Anhäufen, er will immer auch mitmachen. So wie hier, wo er am nächsten Tag glücklich winkend in einem alten Porsche an der Haupttribüne vorbeirasen wird. Mit dem Wein war es ähnlich. Scheufele wollte nicht bloß Flaschen sammeln, sondern bald auch ein Weingeschäft eröffnen, später kaufte er mit seiner Frau ein baufälliges Château in Bergerac und präsentiert heute den eigenen biodynamischen Wein. Botschaft: lieber mal selbst hinlangen.

Wenn er davon erzählt, wirkt Scheufele wie der bodenständige Anpacker, der er ist, gebürtig aus Pforzheim, wovon auch die badisch-weichen Silben in manchen Worten noch zeugen. Schon sein Vater Karl war Juwelier, damals einer von vielen in der Goldstadt Pforzheim. Aber dieser Vater hatte eine geschäftliche Vision, die sich schließlich in einer schlichten Zeitungsannonce in einer Genfer Tageszeitung niederschlug. "Schweizer Uhrenmanufaktur zum Kaufen gesucht", lautete der Text der Kleinanzeige, die 1963 erschien. Fünf Worte, die das Leben der Familie entscheidend prägen sollten. Denn tatsächlich meldete sich jemand. Es war der Uhrenhersteller Paul-André Chopard, der zuvor vergeblich versucht hatte, einen seiner Nachkommen zur Übernahme seiner Werkstatt zu bewegen. Nach einer halben Stunde Verhandlung mit Karl Scheufele war 1963 die Sache klar, und die damals schon über hundert Jahre alte Marke Chopard ging in den Besitz eines deutschen Juweliers über - ein ziemlich unüblicher Vorgang in dieser Zeit. Aber ein Deal, der allen Beteiligten entgegenkam, bis zu seinem Tod arbeitete Paul-André Chopard noch in der Firma weiter.

Die Scheufeles behielten den gut eingeführten Namen und begannen, sich im Uhrengeschäft zu behaupten. Sohn Karl-Friedrich stieg nach absolvierter Goldschmiedelehre und abgebrochenem BWL-Studium Anfang der Achtzigerjahre in den elterlichen Betrieb ein, der inzwischen in die Schweiz übergesiedelt war, seine Schwester Caroline folgte etwas später. Die Geschwister teilten die Sparten Schmuck und Uhren nach Neigung unter sich auf und demonstrieren seither an der Spitze familiäre Einigkeit. Der feine Unterschied wird an diesem Abend in Monte Carlo deutlich: Während Karl-Friedrich der Rennfahrerlegende Jacky Ickx auf die Schulter klopfen und mit ihm über Vergaser reden darf, erledigt seine Schwester ein paar Kilometer weiter den Glamourjob. Beim Filmfestival in Cannes empfängt sie Hollywoodgrößen und Celebrities und stattet sie öffentlichkeitswirksam mit Schmuck aus - auch die Goldene Palme wird traditionell von Chopard gefertigt.

Roten Teppich und Glitzer, das braucht er nicht jeden Tag, sagt Karl-Friedrich Scheufele. Er möchte über mechanische Uhrwerke reden oder den neuen Chronometer, der von Chopard stets zur Oldtimerrallye Mille Miglia aufgelegt und meist direkt von Sammlern ausverkauft wird. Als Freund guter Mechanik störte es ihn Anfang der Neunzigerjahre, dass seine Firma keine eigenen Werke für die Uhren produzierte, sondern nur zukaufte, wie viele andere Luxushersteller auch. Ein eigenes Werk gilt bis heute als Eintritt in die Königsklasse der Branche, aber die Entwicklungsarbeit ist aufwendig und teuer.

Die Smartwatch von Apple? Nicht satisfaktionsfähig. Das ist doch nur ein Elektronikartikel

Scheufele ließ sich von Rückschlägen nicht abschrecken, baute eine Werkstatt in Fleurier auf und präsentierte tatsächlich 1996 das erste Automatikwerk, das komplett unter dem Dach Chopard entstanden war. Damit setzte das Familienunternehmen ein Ausrufezeichen hinter seine Unabhängigkeit. "Diese Unabhängigkeit macht Entscheidungen einfacher, aber man darf auch nie vergessen, dass bei jeder Entscheidung das ganze Unternehmen betroffen ist. Es gibt kein Sicherheitsnetz, keinen Konzern, der uns trägt", sagt Scheufele, der zuletzt auch Stores schließen musste. Die ganze Branche hatte schwierige Jahre zu verkraften. Die eigene Wendigkeit kann dabei aber von Vorteil sein. So präsentierte Scheufele 2015 gegen den Trend eine neue Luxusmarke, die den Namen des legendären Uhrmachers Ferdinand Berthoud trägt. Mit einem Stückpreis von mehr als 200 000 Euro pro Uhr ein selbstbewusster Schritt. Zum anderen kündigte das Unternehmen auf der jüngsten Baselworld-Messe an, für Schmuck und Uhren nur noch Gold aus fairem Abbau zu verwenden. Ein Signal mit Strahlkraft, wenn es von einem Unternehmen mit 60 Boutiquen kommt.

Es sind Maßnahmen, mit denen die Geschwister Scheufele neue Käuferkreise an die Marke und das analoge Uhrentragen heranführen wollen. Wie Konkurrent Tag Heuer mit TFT-Displays und smarten Armbanduhren zu experimentieren, kommt bei Chopard nicht infrage, solange KFS das Sagen hat. Und die Smartwatch von Apple? Hält der Sechzigjährige nicht für satisfaktionsfähig, das sei lediglich ein Elektronikartikel, mit einer Lebenserwartung von wenigen Jahren. Keine Konkurrenz für einen Mann, der an diesem Abend noch 20 Jahre alten Bordeaux bestellen und am nächsten Tag voll Freude in einen Porsche 550 Spyder steigen wird, der älter ist als er selbst.

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