Süddeutsche Zeitung

Typologie der Griller:Du bist, wie du grillst

Es könnte so schön sein: Ein lauer Freitagabend im Sommer und jede Menge Freunde, die sich zum Grillen treffen. Wären da nicht der Gourmet-Snob mit seinem Fleischthermometer und der Pyromane, der in seiner Euphorie das Grillgut mit flüssigem Anzünder tränkt. Eine Typologie von Menschen am Grill.

Von Christina Metallinos

Grillen könnte so schön sein. Wären da nicht der angeberische Gourmet und der Zündler, die einem dazwischenfunken. Eine Typologie.

Der Ungeduldige

Ob aufgrund quengelnder Kinder oder der eigenen Vorfreude aufs Fleisch: Der Ungeduldige kann es kaum erwarten, dass die sorgsam angezündeten Kohlen endlich durchglühen. Deshalb legt er das Fleisch jedes Mal zu früh auf den Rost und wundert sich dann, warum es so langsam brät. Daraus resultiert auch schon der nächste Fehler. Der Ungeduldige dreht das Fleisch viel zu früh, so dass von Wendung zu Wendung immer mehr Fleischfetzen am Grillrost kleben bleiben und verkohlen.

Im Zwei-Minuten-Takt legt er das halbrohe Kotelett auf den Teller eines beliebigen Gastes und murrt zunehmend unfreundlich: "Schneid' mal bitte an!" Ist das Fleisch dann endlich durch, ist es nicht nur zerfetzt und mehrfach angeschnitten, sondern auch ziemlich trocken. Schlussendlich dauert das Grillen beim Ungeduldigen länger als nötig, was er selbst gar nicht glauben kann.

Daneben existiert eine Begleiterscheinung des Ungeduldigen, nämlich der ungeduldige Beilagenesser. Er oder sie sitzt während der ganzen Prozedur bereits am Esstisch und kann es ebenso wenig erwarten, dass das Fleisch fertig wird. Deshalb isst sich der ungeduldige Beilagenesser an Knoblauchbrot und Kartoffelsalat satt und schafft dann nur noch die Hälfte des zerfetzten Grillfleischs.

Der Gourmet

Auf Grillpartys steht der Gourmet meist am Grill. Allerdings nicht davor, sondern schräg neben demjenigen, der das Grillbesteck in Händen hält. Während dieser sich abmüht, den perfekten Garpunkt von Schweinesteak und Bratwurst zu finden, referiert der Gourmet über die Vorzüge von Holzchips aus alten Whiskeyfässern, die man noch zur Kohle dazugeben könnte. Er hätte da ganz zufällig ein paar dabei.

Sind die teuren Holzchips auf der Grillkohle platziert, schreitet der Gourmet schon einmal zum Korkenzieher und öffnet den von ihm mitgebrachten Rotwein - der muss ja noch ein wenig atmen. Wie, kein Dekanter da? Damit hatte der Gourmet nicht gerechnet. Nach ausgiebigem Schnuppern an der Flaschenöffnung nimmt er umso lieber noch eine Nase vom Whiskeyholzchipkohlengeruch am Grill und beginnt eine Arie in jammerndem G-Moll über die dürftige "Barbecuesituation" bei sich zu Hause. Aufgrund der Gasgrillstation, die er in seine Outdoorküche integriert hat, komme er leider nur noch selten in den Genuss von echtem Holzkohlearoma. Andererseits lasse sich dort viel kontrollierter grillen als auf Kohle, sagt er und huscht gleich noch einmal zum mitgebrachten Einkaufskorb.

Mit einem Stück Entrecôte in der Linken und einem Fleischthermometer in der Rechten, kehrt er zurück an den Grill und erkundigt sich nach dem WLAN-Passwort des Hauses. Wie soll denn sonst das Thermometer die Kerntemperatur des Grillguts an sein iPhone weiterleiten?

Der Fleisch-Fanatiker

Auch der Fleisch-Fan zelebriert das Grillen. Für ihn kann es gar nicht oft genug Fleisch vom Grill geben, am besten jede Menge davon. Vom Discounter karrt er deshalb Großpackungen mit Fleischfackeln und Berner Würstchen nach Hause, um an drei Abenden pro Woche dem Grillen zu frönen. Wenn er sich mit Freunden verabredet, übernimmt er gerne den Einkauf für die gesamte Mannschaft und kommt gar nicht auf die Idee, der Rest der Menschheit könne andere Vorlieben haben als er.

Die Klagen der anderen Gäste lassen nicht lange auf sich warten: Wie, du hast nur Barbecuesauce mitgebracht? Gibt's keine Kartoffeln dazu? Dazu noch die empörte Fitnessfraktion, die weder auf Hühnerbrustfilet noch auf gegrilltes Gemüse zurückgreifen kann. Dem Fleisch-Fan macht das alles nichts. Sobald sein Grillgut durchgegart ist, feiert er das Erlebnis, indem er alle Spieße und Würstchen auf einmal auf seinen Teller häuft. Immerhin, etwas Brot hat er als Beilage eingekauft. Damit lässt sich zum Schluss so schön der Fleischsaft aufdippen.

Der Zündler

Gewisse pyromanische Züge will der Zündler überhaupt nicht verleugnen, ihn fasziniert das Spiel mit den Flammen. Deshalb experimentiert er gerne mit neuen Formen des Grillanzündens herum und übernimmt am liebsten den Job des Grillmeisters. Ständig will er neue Kohle nachlegen, die er mit möglichst viel flüssigem Anzünder zum Brennen bringen kann. Das Grillfleisch ist ihm dabei eigentlich nur im Weg - wie gut, dass es durch die viel zu heißen Kohlen umso schneller fertig wird und er sich erneut dem Anfachen des Grills widmen kann, "falls jemand später noch etwas nachlegen möchte." Dass erfahrungsgemäß am Ende für den Griller selbst kaum noch Fleisch übrig ist, stört den Zündler nicht weiter. Hauptsache, er hatte seinen Spaß am Feuer.

Der Vegetarier

Jeden Sommer dasselbe: Der einzige erschienene Vegetarier isst schon seit zehn Jahren kein Fleisch mehr. Sein Freundeskreis weiß das auch und bemüht sich von Herbst bis Frühling bei der Wahl geeigneter Restaurants oder Gerichte, damit der Vegetarier nicht hungrig nach Hause gehen muss. Doch sobald es ums Grillen geht, ist diese Tatsache plötzlich vergessen. Deshalb bringt der Vegetarier sich vorsorglich Grillkäse und Riesenchampignons mit und versucht, sich noch einen Platz auf dem fleischbelegten Grill zu sichern.

Zu Beginn wird sein Grillgut eher skeptisch beäugt, liegt es jedoch durchgegart auf dem Teller, siegt die Neugier der fleischfressenden Meute. Ob man denn da mal was probieren dürfte, fragt diese und stibitzt sich Stückchen um Stückchen vom vegetarischen Mahl. Mit einem geschmatzten "Daf fmecht ja chupa" wenden sie sich wieder dem Fleisch zu. Der Vegetarier blickt auf seinen Teller und sieht: nichts, außer einem kleinen Höflichkeitshappen vom Grillkäse. Somit bleibt ihm nur noch der Gang zum Beilagentisch. Von dort kehrt er mit ein paar Scheiben Knoblauchbrot und etwas Blattsalat zurück und verflucht die neue Flamme des besten Kumpels. "Den Kartoffelsalat habe ich mit extra viel Speck gemacht, magst du etwa nichts davon?", flötet sie von gegenüber und beißt genüsslich in ihre Bratwurst.

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