Typologie der Gepäckstücke:Trägt man jetzt so

Aller Lasten Anfang: Im Urlaub sieht man nicht nur andere Touristen, sondern auch ihr Gepäck. Höchste Zeit für eine kleine Stilanalyse! Fünf ausgewählte Modelle.

Von Max Scharnigg

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Typologie der Gepäckstücke:Der farbige Hartschalenkoffer

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Quelle: SZ

Das ist es: Das ist der Kombi unter den Gepäckstücken - familientauglich, zuverlässig und mit jeder Menge Stauraum. An seiner wuchtigen Gesamterscheinung ändern auch Bonbonfarben nichts, und die erhebliche Verwechslungsgefahr am Gepäckband ist damit ebenfalls nicht wirklich gebannt, Apricot und Himmelblau werden leider weltweit gerne genommen. Praktisch sind die drei Kubikmeter auf Rollen auch, weil sie relativ wahlloses Importieren des halben Kleiderschrankes möglich machen und die schlechte Laune des Bodenpersonals klaglos schlucken.

Die Botschaft: "Hurra, jippieh, wir fahren einmal im Jahr groß in Urlaub!"

Probleme damit: Die Schwerkraft. Und Kopfsteinpflaster. Und kaputte Aufzüge.

Das ist drin: Pareos. Bermudas. Zehentrenner. Herztabletten. Und jede Menge leichte Jacken, falls es abends mal am Strand kühl wird.

Reiseziel: Siehe Statistik "Lieblingsziele der Deutschen".

So war der Urlaub: Voll schön! Auch wenn das Wetter in den ersten Tagen nicht so gut war, das Hotelbuffet sich nach zwei Tagen wiederholte, der Gatte in ein Petermännchen getreten ist und am Rückweg total ungerecht Übergepäck bezahlt werden musste. Dazu verleitet ein großer Koffer nämlich auch.

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Typologie der Gepäckstücke:Der zerbeulte Alukoffer

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Quelle: SZ

Das ist es: Das anerkannte Statussymbol der Vielreisenden. Jede Delle ein Kontinent, jede Kerbe ein neues Visum! Der Klassiker ist natürlich aus Flugzeugaluminium, genau wie die Junkers Ju 52 und idealerweise auch so alt. Am Bahnhof oder Flughafen wird aber klar: So einzigartig, wie man es sich erträumt, sind die Dinger nicht - jedes zweite Familienoberhaupt hält sich so einen. Also muss der Reiseprofi bei der stolzen Individualisierung ein wenig mit "Security Checked"-Aufklebern in kyrillischen Schriftzeichen nachhelfen. Oder nach Feierabend noch ein paar Dellen mehr reinhämmern.

Die Botschaft: "Bin über LAX gekommen und steige in Bangkok noch mal um."

Probleme damit: Man wird ständig von anderen Alu-Kofferträgern in Gespräche verwickelt, in denen es nur um die neue Beinfreiheit bei Etihad geht. Das ist drin: Ein Moleskine-Notizbuch, ein echter Panamahut, der Weltempfänger und eine alte Hemingway-Ausgabe.

Reiseziel: Mal sehen, wie weit das Meilenkonto diesmal reicht.

So war der Urlaub: Welcher Urlaub? Das war doch wohl eine Reise. Die war hochinteressant, hat sich ja wirklich viel verändert da, seit wir das letzte Mal dort waren. Leider nicht immer zum Guten. Aber die Beinfreiheit bei Etihad, also wirklich . . .

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Typologie der Gepäckstücke:Der Trekking-Rucksack

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Quelle: SZ

Das ist es: Erkennungszeichen aller Alternativ-Urlauber, Pflichtbehälter auf Interrailreisen und bei Kirchentagen, die erste eigene Anschaffung nach der Immatrikulation. Kein Wunder, der große Rucksack lässt sich ebenso gut zum Umzugskarton, zur Bibliothekstasche und temporären Unterkunft umfunktionieren. Sein größter Vorteil ist, dass der Träger mit ihm die Hände frei hat, um andere zu umarmen. Auf Reisen ist er bei Entwicklungs- wie Erntehelfern gleichermaßen beliebt. Je länger das Wegsein dauert, desto mehr baumelt außen am Trekking-Rucksack dran, was schließlich zur Folge hat, dass die tragbare Installation vor dem Rückflug in dicke Lagen Plastikfolie gewickelt werden muss. Adieu, nachhaltiges Reisen!

Die Botschaft: "Hoffentlich schaffen wir es heute noch ins Basislager."

Probleme damit: Tritt gerne in Gruppen auf, beschert seinem Träger einen gefährlich großen Wendekreis und kann Dreadlocks verursachen.

Das ist drin: Lonely-Planet-Reiseführer, Trekking-Sandalen, Desinfektionsspray, Traumfänger.

Reiseziel: Dahin, wo sonst keiner ist. Zumindest kein Tourist. Oder wenigstens kein Deutscher.

So war der Urlaub: Intensiv und wirklich bereichernd. Steht auch alles im Tagebuch. Die Menschen auf Samoa sind ja unheimlich nett. Ich vermisse die Bananen-Pfannkuchen aus diesem einen Hostel schon jetzt.

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Typologie der Gepäckstücke:Louis-Vuitton-Kofferset

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Quelle: SZ

Das ist es: Als ganzes Set selten geworden, die Celebrities bevorzugen das schnöde Trolley-Modell. Und da kaum ein Transportmittel den unversehrten Gepäcktransport heute noch gewährleisten kann, sind die Dinger im Gegenwert eines Kompaktwagens zu schade für den Urlaub. Dabei gilt für das Edelgetäschnerte eigentlich das Gleiche wie für einen Porsche - nur wenn es benutzt aussieht, hat es Würde. Man sollte also eigentlich erst mal dritter Klasse im Zug durch Indien reisen, wie die wunderbaren LV-Koffer im Film "Darjeeling Limited".

Die Botschaft: "Die Herrschaften sind auf dem Weg in ihre Sommerresidenz."

Probleme damit: Man muss immer die Quittung vom Kofferset dabei haben, sonst hagelt es Verdachtsmomente beim Zoll.

Das ist drin: Chanel No. 5, Tatler-Magazin, eine Leica und der neue Dan-Brown-Thriller.

Reiseziel: Die Sommerresidenz. Mit Zwischenstopps im neuen Peninsula Hotel in Paris und bei der Weinauktion in Südafrika.

So wird der Urlaub: Kein großer Unterschied zum Alltag.

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Typologie der Gepäckstücke:Die Weekender-Bag mit Lederapplikationen

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Quelle: SZ

Das ist es: Ausweis einer neuer Generation von Reisenden, die lieber dreimal vier Tage verreist als einmal zwei Wochen, lieber einmal fünf Sterne bewohnt als zweimal drei und nebenbei einen Reiseblog betreibt. Der unschlagbare Vorteil einer Weekender-Bag ist ihre Quetschbarkeit in sämtliche Staufächer, ihr wechselnder Charakter zwischen Seesack und Handtasche und natürlich ihr Schulterriemen, der der Generation neuer Reisender einen kollektiven Hüftschaden bescheren wird.

Die Botschaft: "Nein, ich habe nur Handgepäck!"

Das Problem damit: Alles wird zerknittert.

Das ist drin: iPad mini, Beats-Kopfhörer und das Monocle-Magazin.

Reiseziel: Städte. Und dort die Viertel, in denen es keine Sehenswürdigkeiten gibt, aber ein Ace-Hotel. Oder ein W-Hotel. Oder ein 25hours-Hotel.

So wird der Urlaub: Die Airbnb-Wohnung war viel besser als das Hotel. Gehörte einem dänischen Designer, der ein veganes Restaurant kannte, wo im Hinterhof Gin in alte Flaschen abgefüllt wurde.

© SZ vom 2.8.2014/jst
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