Trends in der Herrenmode:Was Männern Spaß macht

Trends in der Herrenmode: Die Klassik ist zurück, aber sie wird lässiger, wie die Eindrücke von der Herrenmodemesse "Pitti Immagine Uomo" in Florenz zeigen.

Die Klassik ist zurück, aber sie wird lässiger, wie die Eindrücke von der Herrenmodemesse "Pitti Immagine Uomo" in Florenz zeigen.

(Foto: Van Rooijen/OH)

Einstecktuch und Lackschuhe? Aber gern! Lederarmband und Strickjacke? Immer her damit! Der stilsichere Herr greift unerschrocken zu Accessoires aus allen Strömungen - und beweist damit modische Trittsicherheit.

Von Jeroen van Rooijen

Das Beste, was man über Mode sagen kann, es lässt sich derzeit eher über die männliche Abteilung sagen: Sie ist in Bewegung. Seit einigen Jahren wächst das Segment überproportional, während die Umsätze in den Damenumkleiden stagnieren oder gar rückläufig sind. Gerade das, was in gestärktem Papier aus dem Laden getragen wird, also gehobene Designerkleidung, ist eindeutig gefragt. Es scheint fast, als hätten die Männer nun endlich und mit rund fünfzig Jahren Verspätung kapiert, dass es nicht nur zwei Schrankfächer gibt, eines für Casualwear, das andere für Businessgarderobe. Stattdessen ist zwischen diesen beiden Polen ein kreatives Spannungsfeld entstanden - der Begriff "smart casual" ist lediglich eine Annäherung dafür.

Jahrelang kamen die Impulse auf den Schauen ja eher aus der Bequemmode und Jeanswear, doch der jüngste Wind weht aus der entgegengesetzten Richtung: Nun geht es um eine erneuerte Klassik. Auf den Laufstegen sieht man jetzt wieder viele Anzüge und klassische Ensembles, aber diese neuen Sakkos und Anzüge sind ganz anders konstruiert und ausgestattet als früher, als formelle Kleidung auch immer ein ordentliches Maß an Steifheit bedeutete.

Die Idee hinter dem Anzug ist heute einfach eine komplett andere. Schulterpolster und Brustpanzer findet man allenfalls noch als ironische Zitate oder Referenzen, die Parole ist weiterhin: Wenig Volumen, wenig Schnörkel, bloß weg mit dem Futter! Am Ende dieser Entwicklung steht schon seit ein paar Jahren das "Shirt-Jackett". Es trägt sich so angenehm und lässig wie ein Pullover - und hat auch kaum mehr Struktur

Silhouette ohne Attitude

Ja, man will eine Anzugsilhouette, aber nein, man will nicht in Tateinheit die staubige Attitüde eines englischen Maßschneiders. Neue, weiche und dennoch dehnbare Materialien kommen diesem Wunsch entgegen, sie erlauben es, die Schnitte noch enger an den Körper zu arbeiten. Die Nullerjahre haben das Prinzip Slim Fit derart fest in die Formsprache der Herrenmode zementiert, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis etwas Neues flächendeckend angenommen wird. Und bis es so weit ist, zeigt der neue Mann Figur und im Idealfall seine körperlichen "Assets", also Muskeln - die konturieren bitte schön auch durch Hemd und Jackenärmel hindurch.

Ein Anzug ist nicht mehr der Büro-Gleichmacher, der nebenbei auch ein paar Dellen und fallende Schultern kaschiert, er ist stattdessen Kostüm des Individualisten und soll ihm überallhin folgen, nicht nur zur Arbeit, sondern auch auf den aufregenden Pfaden. Deswegen sind auch Hightech-Stoffe und Einstecktuch keine Gegensätze mehr, und die Botschaft dieser Hybrid-Denke liegt auf der Hand: Gute Form darf auch wieder jenseits der Abendveranstaltung zelebriert werden. Sie soll aufs Fahrrad, in den Regen, in den Alltag.

Der Trend geht Richtung Dandy oder veredelter Hipster

Die kommenden Entwicklungen in Schnitt, Material, Farben und Muster, so zeigte ein Besuch der Männermode-Leitmesse Pitti Uomo in Florenz Anfang Januar, gehen dabei ganz konkret in Richtung neuer Dandy oder veredelter Hipster. Für den Dandy spricht, dass alles tendenziell eleganter wird, das Edelhippe ergibt sich aus einem Musenkuss zwischen urbaner Streetwear und Avantgarde. Diese Entwicklung ist schon seit einigen Jahren zu beobachten, und die seit Langem gewachsene Bedeutung der Streetstyle-Blogs, die ihre Reichweite längst bis in die vornehmsten Modehäuser ausgedehnt haben, ist nur eine der Triebfedern dafür.

Wir halten also fest: Die Grundsilhouette bleibt schmal. Und doch sieht man punktuell auch wieder bewusst sehr viel weitere Schnitte, sie nähern sich von den Rändern: Sportive Mäntel, Parkas, weite Hemdjacken waren in Florenz vertreten und auch wieder Hosen mit etwas mehr Leibweite. Die Normalos unter den Männern, denen die Slim-Fit-Welle auf Dauer nicht zum Vorteil gereichte, werden aufatmen und diese dezente Entspannung der Situation dankbar annehmen. Ein moderates Zugeständnis an die Bewegungsfreiheit war überfällig - enger und kürzer als zuletzt konnten die Sakkos ja nicht schon wieder werden. Also werden sie nun etwas loser geschnitten, wobei die Schulter natürlich und weich bleibt.

Freie Sicht auf bunte Socken

Trends in der Herrenmode: Unten herum mögen es die Herren ein wenig kürzer: Die bunten Socken und Schuhe soll schließlich jeder sehen.

Unten herum mögen es die Herren ein wenig kürzer: Die bunten Socken und Schuhe soll schließlich jeder sehen.

(Foto: Van Rooijen/OH)

Nach dem etwas irrigen Versuch im vergangenen Jahr, junge Männer optisch zum altgedienten Konsul zu befördern, ist der Zweireiher zwar immer noch da, aber schmaler und knapper geformt. So bleibt er weiterhin der Favorit der Trendsetter. Gehört schließlich Mut dazu, so ein Konstrukt außerhalb der gräflichen Schlossmauern zu tragen. Davon abgesehen bleibt die bevorzugte Knopfstellung ein etwas über der Taille schließender Zweiknöpfer, wie es nun mal am besten zum minimalistischen Jackett passt. Kürzer sind auch die weiterhin recht schmalen Hosen: Wer sie nicht knöchelkurz abschneiden lässt, rollt sie zumindest so weit hoch, dass man die (bunten!) Socken sehen kann.

Authentizität war in den vergangenen Jahren ein Schlüsselthema: Alles musste nach Möglichkeit so abgewetzt aussehen, als wäre schon der Großvater in den Klamotten durch Mesopotamien geritten. Diese Entwicklung hat ihren Zenit überschritten: Die Oberflächen sind wieder cleaner, es wird weniger gewaschen und geschmirgelt. Was bleibt, ist der Kuschelfaktor der weichgespülten Stoffe. Exklusive Fasern, Cashmere etwa, werden längst nicht mehr nur für prestigeträchtige Mäntel eingesetzt, sondern spielen in der ganzen Garderobe eine Rolle.

Großer Auftritt in Strickjacke

Der Mantel ist zumindest noch bis zum Eintreffen des Frühlings ein wichtiges Stil-Statement und gehört zur Abrundung einer guten Anzuggarderobe. Wobei man von einem Mantel eigentlich nicht sprechen kann, denn der Parka, also die Großraumjacke mit Expeditionscharakter, ist immer noch obenauf. Aber es gesellen sich zunehmend andere Klassiker an seine Seite: So war in Florenz etwa der Dufflecoat (mit Kapuze und Knebelverschluss) ein häufiger Gast in den Kollektionen, ebenso der etwas kompliziertere Pea Coat (Marine-Zweireiher) und Paletot (knielanger Sakkomantel). Wer auffallen will, wirft aber statt eines Mantels ohnehin lieber eine wuchtige Strickjacke übers Jackett. Ein großer Schal komplettiert dann die Uniform des zeitgemäßen Metropolisten.

Und was macht die leichte Unterhaltung? Dank der kunterbunten Chinos, die in den letzten Saisons ein sicherer Bestseller waren, haben die Männer erst richtig Appetit auf Farbe bekommen, so scheint es. Lebendige und expressive Farben sind nicht mehr nur für Krawatten und Einstecktücher erlaubt, sondern auch für die großen Garderobenteile. Wer dann noch Prints und Webmuster dazupackt, wird nicht mehr als Zwangs-Exzentriker abgestempelt, sondern gehört unbedingt vor die Linse der erwähnten Street-Style-Fotografen.

Renaissance der Krawatte

Überhaupt, die Krawatte: Vor fünf Jahren fast todgeweiht, erlebt sie eine Renaissance und wird, ähnlich wie der ganze Anzug, bevorzugt dann getragen, wenn es kein Muss ist, sondern eine Lust; Stichwort: "Friday is Tieday". Wer die (geschmackvolle) Krawatte ausgerechnet dann ausführt, wenn andere sie ablegen, beweist modische Trittfestigkeit und genießt die leichte Verlegenheit derjenigen, die den Binder immer noch als Zwangsmaßnahme sehen. Wie sie aussieht? Eigentlich, wie schon seit Hedi Slimane: schmal (maximal 6,5 Zentimeter an der breitesten Stelle) und bevorzugt aus matteren, griffigeren Stoffen gefertigt. Wenn die Krawatte Muster hat, dann nur feine, gewobene Strukturen. Als Alternative bietet sich immer ernsthafter die - natürlich von Hand gebundene - Fliege an.

Der neue Mann trägt zudem Hüte, Einstecktücher, Krawattennadeln, bunte Strümpfe und expressive Schuhe; die Schnürsenkel lässt er bewusst offen oder sogar ganz weg. Auch Monkstraps, also klassische Schuhe mit Schnallen, werden von den Trendsettern bevorzugt offen getragen. Wozu das gut sein soll? Zu gar nichts, aber es ist nun eben Mode. Die Männer hatten schließlich lange genug nichts damit zu tun. Lassen wir ihnen also jetzt den Spaß.

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