Es war einmal ein Lattenzaun, / mit Zwischenraum, hindurchzuschaun." So heiter beginnt das bekannte Gedicht von Christian Morgenstern nur deshalb, weil dann das weitere Schicksal des Lattenzauns umso apokalyptischer erscheint. Er, der Zaun, bekommt nämlich im Verlauf der nächsten Verszeilen Besuch von einem Architekten, der den Zaun verunstaltet, indem er den Zwischenraum entfernt. Bis der Zaun schließlich so aussieht: "ein Anblick gräßlich und gemein". Das Gedicht endet so: "Der Architekt jedoch entfloh / nach Afri- od- Ameriko". Ja, die Architekten - "alles Schwachköpfe!" So ist das schon bei Flaubert nachzulesen.
Mit Blick auf den neuesten Trend in der Heim-und-Garten-Branche bietet sich hier allerdings endlich einmal die Gelegenheit zur Rehabilitation der zwischenraumfeindlichen Schwachkopfgilde. Denn die Nachfrage der ohnehin schon arg individualistisch vor sich hin delirierenden Gesellschaft nach noch mehr Originalität endet keineswegs am Gartenzaun. Im Gegenteil: In dieser Saison geht es dort erst richtig los - und zwar leider absolut architektenfrei.
Nie zuvor war das Baumarkt-Angebot an Do-it-yourself-Zaun-Irrtümern so groß wie derzeit. An Absurditäten und Formfindungen, die nur mit Hilfe der Psychopathologie erklärt werden können, herrscht kein Mangel in jener Welt der Finsternis, die zwischen Aluguss-Leuchten und Zimmerpflanzen-Bio-Entgifter leider auch das "Zaunelement" kennt.
Natürlich hilft das Jammern über den Gartenzaun als architektenfreie Zone gar nichts. Daher hier nachfolgend nur eine kleine Typologie rund um das seltsame Verhalten der Grundstückseinheger. Schließlich gilt mittlerweile: Kein Zaun ist wie der andere, ob mit oder ohne Zwischenraum, ob mit Hindurch- oder Garnichtschaun.
Der Kreative
Es gibt Zäune aus alten Skiern und solche, die aussehen, als würde sie ein Titan in seinem Buntstiftmäppchen verwahren. Auch die chinesische Terracotta-Armee wurde schon in Zaunform gesichtet. Solche Zäune sagen dem Passanten: Hier wohnen unfassbar kreative Leute, die im Zweifel was mit Medien machen.
Der Aristokrat
Der Aristokrat ist der Zaunkönig der Einhegungsgesellschaft. In seinem Lieblingsfilm ("Notting Hill") klettert Julia Roberts zusammen mit Hugh Grant mitten in der Nacht über einen wunderbar schmiedeeisernen Zaun, um in einen Park zu gelangen. Seither durchstreift der Aristokrat die Baumärkte auf der Suche nach solcher Schmiedeeisenkunst. Unser Tipp: Die Stäbe des Zaunmodells "Jagsthausen" können mit Spitzen in der Variante "Kreuzlilie" geliefert werden.
Der Naturfreund
Er liebt Bauerngärten und hasst alles, was nach zu viel Gartenarbeit aussieht. Er hat es lieber "wild". Leider weiß er nicht, dass ein richtig großartiger Bauerngarten viel Arbeit macht und dass alles, was im Garten hübsch wild aussieht, entweder einem anstrengenden Plan folgt - oder eben nicht wild, sondern nur verwahrlost wirkt. Für den Naturfreund empfiehlt sich zum Beispiel dieses Angebot: "Restposten Staketenzäune, 1 Palette mit verschiedenen Größen, Abständen und Längen, teilweise angegraut, stockig". Stockig kommt bestimmt gut. Alternativ wäre auch das hier: der "lebende Zaun aus Korbweidenruten".
Der Wehrhafte
Menschen, die den Bewegungsmelder Abus Xevox Eco schon besitzen und auch gerne die handliche Überwachungs-Drohne "Parrot AR.Drone" zur Feindaufklärung quer über den Garten navigieren (was man mit Hilfe eines Smartphones tun kann), sollten sich mal angucken, wie die neue Botschaft der USA in Berlin gesichert ist. Sollten die versenkbaren, im Wortsinn bombenfesten Poller im Sortiment des örtlichen Baumarktes fehlen, können sich die Trutzbürger immer noch für den Frontgitterzaun "Heracles" entscheiden. Denn "die oben aufgeschweißte Zackenleiste bietet einen sicheren Übersteigschutz. Auch ist das mutwillige Zerstören dieser Verbindungen nur unter Schwierigkeiten möglich".
Der Pragmatiker
Der Pragmatiker weiß, dass in Deutschland Zäune außerordentlich beliebt sind. Wenn aber alle anderen eingezäunt sind, dann braucht man selbst keinen Zaun mehr.