Trend und Tradition: Schuhmarke Unützer:Läuft richtig gut

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Flache Schuhe sind in: Leafers und Ballerinas von Unützer. (Foto: Unützer)

Schnürsandalen, Mokkasins, Boots: Flache Schuhe erobern derzeit die Laufstege. Von diesem Trend profitiert auch die deutsche Marke Unützer, die seit 25 Jahren im Geschäft ist.

Von Anne Goebel

Als das Stilmagazin der New York Times vor einigen Monaten die "invasion of the flats" amtlich machte, die Invasion der flachen Schuhe, war die kriegerische Überschrift mit Bedacht gewählt. Natürlich auch mit einem Augenzwinkern, es ging ja in dem Text gerade darum, den Trend auf sämtlichen Laufstegen bei allem gebotenen Understatement zu begrüßen, fast schon: zu feiern. All die hübschen waagrechten Schnürsandalen, Mokassins, Boots von Marc Jacobs bis Chanel!

Wieso diese Entwicklung dennoch irgendwie martialisch daherkommt, stand im ersten Satz: Bisher habe es die Wahl gegeben, in Frauenschuhen erwachsen und sexy auszusehen ( high heel) oder wie eine wacker daherstapfende deutsche Touristin ( flat). Die Invasion der teutonischen Treter, das taugt immer noch als Späßchen am Rande.

Fritz Unützer kann solche Gags souverän weglächeln in seinem Münchner Büro nahe der Maximilianstraße. Die Geschäfte seiner Schuhmarke laufen bestens, er hat gerade wieder eine der nächtlichen Pendeltouren zwischen München und der Produktionsstätte in Norditalien ohne nennenswerte Müdigkeit absolviert, als wäre es eine S-Bahnfahrt an den Ammersee. Und um das Jubiläum seiner Firma für, ja, elegantes deutsches Damenschuhwerk macht er kein unnötig großes Aufsehen, das würde nicht zum Stil des Hauses passen. Aber angenehm ist es natürlich schon, dass die neue Liebe zum Minimalabsatz so gut mit dem Sortiment harmoniert.

Sie können flach

Ballerinas und Loafer gehören seit der Gründung vor 25 Jahren zum Repertoire des einzigen Labels, das aus Deutschland Schuhe mit High-Fashion-Anspruch auf den umkämpften Markt bringt. Und sich dort hält. "Flache können wir gut", sagt Unützer und biegt mit beiden Händen die Sohle eines butterweichen Ziegenleder-Slippers zusammen. Für ihn demonstriert das Strapazierfähigkeit. Seinen Stammkundinnen mit Faible für Klassisches täte der Anblick im Herzen weh.

Natürlich sind Marken wie Jimmy Choo und Aquazurra, die Platzhirsche, geschmeidig genug, sich der neuen Tiefstapelei bei den Schuhen anzupassen. Oder der für modisch tot erklärte, dann wieder gepriesene Manolo Blahnik, "High priest of heels" und persönlich gern mit zierlichen Torero-Modellen an den Füßen unterwegs.

Seit 25 Jahren tragbar: Entwürfe aus dem Hause Unützer (Foto: UNNÜTZER)

Dass sich ein deutscher Familienbetrieb zwischen solchen Namen halten kann, zumindest im Schrank der heimischen und zunehmend auch in dem der europäischen Klientin mit entsprechendem Budget, ist schon erstaunlich. Immerhin verdienen auch Couture-Häuser ihr Geld vor allem mit Accessoires und bringen zusätzlich Druck in den Wettbewerb. Allerdings hat Fritz Unützer erst mal auf der leichter kalkulierbaren Seite operiert, im modischen Halbschatten sozusagen mit dem Verkauf traditioneller Modelle. Das sah, je nach Trägerin, beigefarben brav aus oder alterslos schön wie der Pennyloafer-Stil von Jackie Onassis.

Dandystiefel und Slipper

Mehr Wagnis kam mit Mariela Schwarz-Montiel in das Unternehmen, die nach Stationen bei Westwood und Gucci in München begann. Die Designerin mit dem etwas sperrig klingenden Namen gehört in eine Reihe mit Frauen wie Tabitha Simmons oder Charlotte Olympia, die gerade die männlich dominierte Schuhmode verjüngen: Blockabsätze aus Holz hier, aufgestickte Spinnennetze dort. Im Unützer-Showroom thronen die Modelle für kommenden Winter: Dandystiefel, knabenschmal aus gummiertem Leder, Slipper mit Brikettsohle und königsblauen Ornamenten - das wird sich verkaufen im Sog von Folk-Trend und androgynen Herbstmänteln.

Wobei es, wenn Hollywood anfragt, auch damenhaft geht: Die Schauspielerin Amy Adams trug Zehn-Zentimeter-Heels von Unützer zum Gang über den roten Teppich bei der Oscar-Verleihung. Das habe sich, ließ sie wissen, auf deutschen Sohlen angefühlt wie eine Runde in bequemen Hauspuschen. Ein Satz, an dem wiederum Fritz Unützer seine Freude hatte, weil so etwas Geschäfte anschiebt ("ich bin Kaufmann"). Und er illustriert das Firmenmantra der bequemen Passform: "Füße brauchen Platz, auch in hohen Schuhen", wiederholt Unützer die orthopädische Doktrin und zeigt an zierlichen Stilettos auf die Stelle des Großzehengelenks. "Wenn es hier drückt, kannst sie wegwerfen." Punkt.

Eine aussterbende Spezies

Unützer, dessen Vater auf der Maximilianstraße einen Laden für Herrenmode besaß, hat das Auftreten eines weltläufigen und doch lokal verwurzelten Firmenpatrons - eine aussterbende Spezies. Zu Münchner Terminen kommt der 67-Jährige mit dem Rad. Der fünffache Vater trägt Einstecktücher, schätzt guten Wein und sah seine inzwischen erwachsenen Kinder früher nur am Wochenende - der besseren Schulbildung wegen lebte die Familie bei London. Dort absolvierte Unützer in den Sechzigern seine Ausbildung in einem Traditionsbetrieb für Männerschuhe.

Das prägt die Entwürfe bis heute. "Mich fasziniert das Spiel mit maskulinen und femininen Elementen. Wie bekommen wir eine männliche Schuhform weiblich hin?" Schmucklose Reiterstiefel für Yamamoto, Cowboyboots aus Samt: Antworten auf die Frage haben sie bei "Unützer Venice", so der offizielle Name des Labels, viele gefunden. Nicht immer sind die Kundinnen gefolgt, Bikerboots waren zu modisch und zu wenig Jackie O. "Damit hatten wir einige Saisons lang Probleme. Jetzt laufen sie."

Nach rund 160 Schuhmodellen werden in Fossò bei Venedig etwa 50 000 Unützer-Paare im Jahr handgefertigt, der Chef schaut regelmäßig vorbei. Lieber klein und fein zu bleiben anstatt globale Großmanöver zu versuchen: Das entspricht genau dem anhaltenden Trend zu hochwertigen Produkten mit Manufaktur-Note. Unützer sieht sich gern als Querdenker der Branche, der im Laden seines Vaters schon Kaschmirpullis verkaufte, bevor sie très chic und irgendwann massenkompatibel wurden.

Die Anschaffung einer tonnenschweren Marmortreppe aus einem abbruchreifen italienischen Palazzo mag exzentrisch erscheinen. Sie schmückt heute den Showroom in Fossò. Auch bei Kooperationen ist Unützer treffsicher. Seine Firma fertigt Schuhe nach Maß für Kollektionen von Odeeh und von Achtland, zwei der besten Namen im deutschen Modedesign.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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