Transplantationen für Hipster:Beim Barte des Doktors

Hipster

Wer Hipster will, muss Bart können.

(Foto: MasterDomino / photocase.com)

Der Bart eines typischen New Yorker Hipsters ist üppig. Kinder müssen dran ziehen und Sachen darin finden können. Doch nicht alle jungen Männer sind genetisch mit einem guten Haarwuchs ausgestattet. Ärzte, die bisher ihr Geld verdienten, indem sie Glatzen aufforsteten, haben ein neues Geschäftsfeld gefunden. Eine Stilkritik.

Von Peter Richter, New York

Die sogenannten Hipster von New York können einerseits froh sein, dass sie keine Berliner Hipster sind. Denn in der Hauptstadt haben einmal Kaiser Wilhelm II. und der Hauptmann von Köpenick gewirkt, und wer heute hier zu denjenigen Jungs gehört, die wissen wollen, wo es langgeht, muss sich nach dem Vorbild dieser Schnauzbartträger gewaltige Türklinken unter der Nase wachsen lassen. Denn das ist ja nun einmal, nach der klassischen Definition aus den Vierziger-, Fünfzigerjahren der Sinn Hipsterseins: Zu wissen, wo es langgeht.

Damals waren das vor allem Schwarze, und es ging um Jazz. Heute sind es eher Weiße, und es geht sehr viel um Haare. Die Hipster von New York, speziell die in Brooklyn, tragen ihr Haar oben kurz, unten am Kinn hingegen sehr lang. Hier steht der klassische Vollbart in Blüte, und zwar mit der Betonung auf "voll", nicht auf "Dreitage". Kinder müssen dran ziehen und Sachen darin finden können. Das Vorbild hier sind offensichtlich die Honoratioren und Familienoberhäupter der vorletzten Jahrhundertwende.

Die Hipster von New York haben andererseits dadurch aber auch eine Bürde, denn nicht jedem jungen Mann wächst der Bart entsprechend üppig. Seit einiger Zeit haben deshalb Haartransplanteure ein neues Geschäftsfeld. New Yorker Ärzte, die bisher ihr Geld damit verdienten, Glatzen wieder aufzuforsten, topfen die Haarwurzeln vom Hinterkopf jetzt immer häufiger auch an Wangen und Kinnpartien um.

Sozusagen ein Damenbart für Männer

Rund 6000 Euro kostet die Operation, der sich bis vor wenigen Jahren hier nur gelegentlich junge Hasidim unterzogen, wenn ihr natürlicher Bart nicht den strengen Anforderungen der ultraorthodoxen jüdischen Tradition gewachsen war. Doppelt bezahlen nun gewissermaßen diejenigen, die gerade noch dem Trend zur Metrosexualität gefolgt waren und sich alles animalische Restfell vom Körper haben lasern lassen.

Jetzt holen sie sich den Bart zurück. Allerdings nicht unbedingt als Zeichen von testosterontriefender Männlichkeit. Denn das würde erfordern, den Dingen, wie sie nun mal sind, stoisch Würde zu verleihen. Niemand ist aber heute mehr ein Sklave seiner Prädispositionen, nicht in den Metropolen. Es wäre auch ein Rückschritt, wie er in den Entwicklungsspiralen urbanen Stilbewusstseins nicht vorgesehen ist. Der Hipsterbart steht eher für das Gegenteil. Er sieht zwar nach Patriarch aus, ist aber sozusagen ein Damenbart für Männer. Das macht ihn ja so zeitgemäß.

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