Toni Garrn:Das Geschäfts-Model

Toni Garrn: Eine eigene Kollektion für das Label Closed, gekoppelt an ein Charity-Projekt mit Plan International: das Model Toni Garrn.

Eine eigene Kollektion für das Label Closed, gekoppelt an ein Charity-Projekt mit Plan International: das Model Toni Garrn.

(Foto: Closed)

Toni Garrn ist unser deutsches Topmädchen in New York. Sie spricht wie andere Promis gerne über ihre Wohltätigkeitsprojekte. Schweigsam wird sie nur, wenn es um Leonardo DiCaprio geht.

Von Judka Strittmatter

Ein Herbsttag in Berlin. Im Hotel Meliá, einem der vielen neuen und geheimnislosen Glasbauklötze an der Friedrichstraße, sitzt in einem noch geheimnisloseren Empfangszimmer Toni Garrn. Man sieht: helle Jeans, cremefarbene Bluse, schwarze Slip-Ons. Ob wenigstens sie ein Geheimnis hat? Sie ist so unauffallend hübsch, sagt freundlich Guten Tag und nippt am stillen Wasser, neben ihr sitzt Tom Hanks. Moment mal, Tom Hanks?

Natürlich nicht. Nur ein "Freund der Familie", der ein prima Double abgeben würde und das Gespräch bewachen wird, obwohl Toni Garrn mit 22 schon acht Jahre im Business ist. Vielleicht ist Tom Hanks wegen Leo hier, also DiCaprio. Der ist nämlich Tonis Boyfriend seit einem Jahr. Fotos von den beiden gibt es wenige, und wenn, dann wirken sie seltsam distanziert, jedenfalls nicht knallverliebt. Seit ein paar Wochen machen wilde Break-up-Stories die Runde durch die Klatschportale und verwässern, was den Anwesenden hier im Raum wirklich wichtig ist, nämlich Tonis jüngster Coup. Und nicht, ob sie jetzt zu den abgelegten Model-Freundinnen Gisele Bündchen und Bar Refaeli gehört.

Also: kein Privatleben. Sagt das Model selbst. Ansonsten spricht sie viel, vor allem in einer irrsinnigen, Silben-verschluckenden Geschwindigkeit, vorher fischt sie noch den Kaugummi aus dem Mund. Mache sie mittlerweile freiwillig, erzählt sie strahlend, aber mit 16 und gerade im Business sah das noch anders aus: "Voll cool" fand sie, wenn die anderen Models, die sie bewunderte und mit denen sie auf die Catwalks der großen Designer hinauslief, den Kaugummi vorm Rausgehen in letzter Sekunde an die Deko pappten.

Kaugummi und eine schlampige Aussprache haben jedenfalls nicht verhindert, dass Toni Garrn ein Name im Business geworden ist. Vielleicht nicht so einer wie Karlie Kloss oder Cara Delevingne, aber doch schon sehr groß. Erst recht seit Leo.

Entdeckt während der Fußball-WM 2006

Mit den Fotoshootings und den Laufstegen ging es mit 14 bei ihr los. Das Mädel aus Hamburg ist - seltener Fall - gleich ganz oben eingestiegen. Mit ein paar Freundinnen war sie auf der Fanmeile zur Fußball-WM 2006 am Jungfernstieg unterwegs, als die Chefin der Agentur Modelwerk, Claudia Midolo, sie ansprach. In der Talkshow "3 nach 9" erzählt Midolo zwei Jahre später, dass sie ihren Augen nicht traute, als sie Toni das erste Mal sah. "Über Tische und Bänke bin ich, damit sie mir nicht entwischt!" Toni sitzt damals neben ihr im Studio, ist 16 und wird bei jeder Nachfrage rot. Auch weil so viele ältere Herren wie Henning Scherf oder der Talkmeister selbst sich ganz angetan zeigen von dem Mädchen mit dem Milchteint. "Wie Toni sich bewegte, ihre Größe und wie sie das Haar warf" - Claudia Midolo war sicher, einen guten Fang gemacht zu haben.

Als Garrn mit der Visitenkarte der Agentin nach Hause kam, hielten ihre Mutter, damals noch Kauffrau, und ihr Vater, ein Öl-Manager, unverzüglich Familienrat. Ergebnis: Toni durfte es probieren. Und anstrengen musste sie sich dann gar nicht. Keine Ochsentour von Agentur zu Agentur, kein Rumhängen auf Castings und vor allem keine Absagen. Toni Garrn wollte man gleich.

Ein Jahr später wurde sie exklusiv für Calvin Klein gebucht. Ein weiteres Jahr später lief sie in vier Städten, von New York bis Paris, insgesamt 54 Mal über den Laufsteg - das war damals Rekord. 2010 wurde sie auf Platz elf der wichtigsten Mädchen weltweit geführt. Garrn stand schon vor der Kamera von Steven Meisel, Karl Lagerfeld und Peter Lindbergh, sie war auf dem Titel der deutschen, der italienischen und der russischen Vogue.

Toni Garrn: "Krass" sei es in Westafrika gewesen. Toni Garrn redet gern über Burkina Faso, zeigt Fotos. Ihrem Image schaden werden sie sicher nicht.

"Krass" sei es in Westafrika gewesen. Toni Garrn redet gern über Burkina Faso, zeigt Fotos. Ihrem Image schaden werden sie sicher nicht.

(Foto: Closed)

Mag keinen Grünkohl, aber grünen Tee

Nicht zuletzt ist sie eines der ganz wenigen Models, die nicht nur Designermode vorführen, sondern auch über den exaltierten Laufsteg des Billigwäsche-Fabrikanten Victoria's Secret stolzieren. In der Branche heißt das: "Funktioniert auch kommerziell." Ach ja, und irgendwo zwischen all diesen Jobs hat sie auch noch Abitur gemacht, Leistungskurs Deutsch und Englisch, Notenschnitt 2,8.

Bis zu dem Tag auf der Fanmeile war Toni Garrn ein Mädchen, das Tennis spielte, keinen Grünkohl und keine Pilze mochte, seinen älteren Bruder Niklas mit Puppen traktierte und so wenig ans Modeln dachte wie ihre heutigen Auftraggeber an die Lebenswünsche der Billignäherinnen in Bangladesch. Heute verdient sie an einem Tag so viel Geld wie andere in einem Monat, trinkt grünen Tee, lebt lactosefrei und hört beim Shooten sehr oft die Worte: "Sei edgy!" So furchtbar ernst nehme sie den Modebetrieb nicht, sagt sie: "Wenn ich mal einen Riss im Kleid hatte, habe ich nie einen Herzinfarkt bekommen, ich war immer gelassen. Das ist nicht das Ende der Welt."

In Interviews hat sie oft erzählt, dass sie nicht wusste, was sie werden sollte. Dafür flatterte eines Tages Post des Kinderhilfswerks "Plan International" ins Haus der Familie. Es ging um die Patenschaft für ein Kind in der Dritten Welt. "Mama, ich will", flötete Tochter Toni, sie war 16. Und ein Foto des Patenkindes wurde fortan an den Garrnschen Kühlschrank gepinnt.

"Was esse ich da?"

Ulrich Wickert Preis für Kinderrechte 2014

Redet gerne und viel über Charity: Toni Garrn mit Moderator Ulrich Wickert und Familienministerin Manuela Schwesig bei der Verleihung eines Preises für Kinderrechte.

(Foto: dpa)

Da ist man nun beim jüngsten Coup, über den bei diesem Termin ja vor allem geredet werden soll: Mit den Designern der Jeansfirma Closed hat Toni Garrn eine Jeans entworfen, mit Biesen über den Knien und Reißverschlüssen an den Knöcheln. Der Erlös der Kollektion kommt der Kampagne "Because I am a Girl" von Plan International zugute. "Ich wollte ein größeres Projekt machen, kein reines Modeln, sondern eines, das Design und Charity verbindet." Und weil es dafür Bilder brauchte, war Toni in Burkina Faso in Westafrika. Jetzt existieren Fotos, auf denen sie lachend und ungeschminkt zwischen halbwüchsigen schwarzen Mädchen steht, die ihrerseits in propere "Plan"-Kleidung gesteckt wurden. 450 von ihnen sollen zu Lehrerinnen ausgebildet werden.

Vor der Reise stand das Model vor einem Haufen Fragen, etwa: "Was esse ich da?" Klar war ihr, dass sie mit ihrer schwarzen Prada Tote Bag nicht ankommen könnte. "Aber dann wurde es einer der spannendsten Trips, die ich je gemacht habe, allein der kurze Zwischenstopp in der Nacht in Niger, krass, und jeden Morgen bin ich um sechs Uhr aufgewacht und habe mich auf den Tag gefreut." Während sie blubbert, hat man Zeit, sie anzuschauen.

Sie ist 1,80 Meter groß, feingliedrig, hellhäutig und hat ein ganz und gar ebenmäßiges Gesicht, in dem - bis auf die sehr blauen Augen - nichts wirklich hervorsticht. Es ist wie gemacht ist für die Laufstege und Anzeigenstrecken der Gegenwart, weil sich mit Make-up und Licht jede beliebige Botschaft darauf projizieren lässt, Unschuld oder Übermut oder Frivolität oder Sinnlichkeit, egal. Ein Gesicht wie eine weiße Leinwand eben. Solche werden heute gesucht, gerne auch in Verbindung mit einem blütenweißen Lebenswandel.

Ein Leben wie ein Poesiealbum

Anfang der Neunziger wäre Toni Garrn eines der vielen namenlosen Mädchen gewesen, die auf dem Runway die Lücke zwischen Linda Evangelista und Naomi Campbell füllten. Da waren noch Models gefragt, die ihre eigenen, unverwechselbaren Gesichter zur Show mitbrachten, hinterher Party machten und bei Interviews das Maul weit aufrissen. Nur wurden die Lindas und Naomis irgendwann wichtiger als die Klamotten, die sie verkaufen sollten, und damit war es auch wieder vorbei. Kate Moss ist als Einzige aus dieser alten Riege noch übrig. Zweifelhaft, ob sie jemals eine Tasse grünen Tee getrunken hat, und Fragen zu ihrem Liebesleben muss man ihr gar nicht erst stellen: Sie lebt und liebt öffentlich. Toni Garrns Vita sieht dagegen wie ein Poesiealbum aus, sie hat nie über die Stränge geschlagen, jedenfalls es keiner mitgekriegt. Ihre Mutter ist jetzt ihre Managerin, mit Luchsaugen beäugt sie die öffentlichen Auftritte ihrer Tochter.

Die hat inzwischen Schauspielunterricht genommen und ihren ersten Film abgedreht, einen Thriller mit Handkamera in Schwarz-Weiß. "Under the Bed", heißt er. Und jetzt kommt Leo doch noch mal ins Spiel. Der hat den Film nämlich produziert. "Aber das wusste ich vorher nicht. Ich musste auch zur Audition!" Beteuert sie, und Tom Hanks schaut zufrieden.

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