Tierschutz:Daunen sind der neue Pelz

Tierschutz: Sich im Winter draußen wohl zu fühlen, schreit nach Daune - die Herkunft gilt es idealerweise zu beachten. (Symbolbild)

Sich im Winter draußen wohl zu fühlen, schreit nach Daune - die Herkunft gilt es idealerweise zu beachten. (Symbolbild)

(Foto: Uros Jovicic/Unsplash)

Selbst Anoraks haben neuerdings ein Imageproblem - weil Daunen teils unter qualvollen Bedingungen gewonnen werden. Was verantwortungsbewusste Käufer beachten sollten.

Von Kerstin Lottritz

Wenn der Winter bevorsteht, konzentriert sich die Kleiderfrage vor allem auf ein Thema: Was schützt gegen Wind, Regen, Schnee und Eiseskälte? Vor einigen Jahrzehnten holten viele Frauen als Antwort darauf ihren Pelzmantel aus dem Schrank. Inzwischen ist es aus gutem Grund verpönt, sich das Fell von Tieren, die für das Kleidungsstück sterben mussten, um die Schultern zu legen. Seitdem haben Hersteller immer wieder versucht, das politisch unkorrekte Statussymbol zu ersetzen - etwa durch Lammfell, Loden oder Fleece.

Dann kamen die mit Daunen prall gefüllten Steppmäntel und -jacken, in denen man sich nicht nur fühlte wie ein Michelin-Männchen, sondern auch so aussah. Erst der Hype um die ultraleichten Modelle, die es seit ein paar Jahren sogar in die Kleiderschränke der Promis schaffen, kurbelte die Nachfrage nach Daunen kräftig an - und damit auch die Debatte um den Tierschutz.

Federn - das Ergebnis von Tierquälerei

Eins haben die Federn mit dem Pelz gemeinsam: Auch sie stehen symbolisch für Tierquälerei: "Den Tieren werden die Federn häufig bei lebendigem Leib ausgerupft", sagt Esther Müller vom Deutschen Tierschutzbund. Der sogenannte Lebendrupf sei schmerzhaft, oftmals blutig. "Die Gänse haben Todesangst, weil sie festgehalten werden." Deshalb ist der Lebendrupf seit 1999 in der EU verboten.

Erlaubt ist dagegen das sogenannte Raufen. Wenn die Tiere mausern, also ein Mal im Jahr ihre Federn abstoßen und darunter direkt neue wachsen, darf man die Daunen auffangen, die die Tiere beim Durchkämmen ihres Federkleides verlieren. Doch die Gänse würden nicht über den gesamten Körper gleichmäßig, sondern immer nur an einzelnen Stellen mausern, sagt Müller. Und auch nicht alle Tiere gleichzeitig. "Es ist unglaublich schwierig, zu überprüfen, ob ein Tier gerauft oder gerupft wurde." Außerdem seien die Tiere auch beim Raufen durch die Fixierung gestresst.

Deshalb fordert der Deutsche Tierschutzbund, das Federnrupfen ausschließlich bei toten Tieren zu erlauben - allerdings nicht aus der Stopfmast. Diese ist bei uns illegal, in anderen Ländern wie etwa Frankreich aber erlaubt. "Solche Tiere wurden bereits zu Lebenszeit mit Zwangsfütterung gequält", sagt Müller.

Die Botschaft ist bei den Kunden angekommen: "Das Bewusstsein für Tierquälerei hat zugenommen", so die Tierschützerin. Das kann auch Nicole Espey, Geschäftsführerin beim Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie, bestätigen. "Es gibt eine erhöhte Aufmerksamkeit - vor allem seit Daunenjacken in Mode sind."

Es braucht verbindliche Standards

Die Mehrheit der Käufer von Outdoor-Produkten ist naturbewusst und daran interessiert, dass bei Kleidung oder Zubehör wie etwa Schlafsäcken Tierschutzstandards berücksichtigt werden. Leider scheitern sie beim Kauf meistens an der Transparenz. Auf dem Etikett erfahren Kunden höchstens, in welchem Land die Daunenjacke hergestellt wurde - nicht, woher die Daunen stammen.

Das sei, so erklärt Espey, auch für die Hersteller schwer nachvollziehbar. "Die Qualität der Daunen resultiert nicht aus der Herkunft oder den Tierschutzbedingungen, sondern dem sogenannten Cuin-Wert". Dieser bezieht sich auf die Bauschkraft der Federn. Je höher der Cuin-Wert, desto wärmer sind die Daunen. Die Großhändler mischen dazu Daunen unterschiedlicher Lieferanten, die verarbeitenden Hersteller haben keine Ahnung, woher die Daunen stammen.

Um den Schutz der Gänse und Enten über die gesamte Lieferkette hinweg zu gewährleisten, hat sich der Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie schon vor vier Jahren mit Herstellern, Tierschützern und Daunenlieferanten zusammengesetzt. Die etwa 150 Mitglieder des Verbandes, darunter namhafte Unternehmen wie Adidas oder Jack Wolfskin, verpflichten sich dem Responsible Down Standard (RDS). Das von der Outdoor-Marke The North Face entwickelte Label verspricht den Käufern, dass die Daunen ausschließlich von geschlachteten Tieren stammen. Außerdem müssen die Gänse und Enten tierleidfrei gehalten und dürfen nicht zwangsgefüttert werden.

Es gibt viele verschiedene Zertifizierungen - manche Hersteller präsentieren sogar ihre eigenen Siegel. Bei diesen sei es schwer nachzuvollziehen, inwiefern Standards eingehalten und kontrolliert werden, sagt Müller. Glaubwürdig sind für die Tierschützerin deshalb nur Siegel, die - ähnlich wie der RDS - von unabhängigen Zertifizierungsstellen vergeben und kontrolliert werden.

Der Global Traceable Down Standard (Global TDS) etwa gilt derzeit als der strengste Tierschutzstandard in der daunenverarbeitenden Textilindustrie. Die Vorgaben für das Label, das Käufer direkt an der Kleidung finden, wurde von der Outdoormarke Patagonia sowie Verbänden der Industrie und diversen Tierschutzorganisationen entwickelt. Sie gehen über die Standards des RDS hinaus, indem die vollständige Lieferkette als Ganzes kontrolliert wird - also nicht nur die Phase zwischen Brut und Schlachtung, sondern auch die Lebensbedingungen der Elterntiere.

Das ist insofern wichtig, weil bei diesen am häufigsten der Lebendrupf praktiziert wird. Elterntiere leben länger, weil sie für die Zucht, nicht für die Fleischproduktion gehalten werden. Das macht Lebendrupf rentabler und somit wahrscheinlicher - und damit strengste Vorschriften umso wichtiger. Zertifiziert werden nicht nur Großbetriebe, sondern auch kleine Farmen.

Wer beim Kauf einer wärmenden Winterjacke ganz sicher gehen will, dem bleibt Tierschützerin Müller zufolge nur eine Möglichkeit: "Auf Daunen verzichten." Die Industrie habe mittlerweile hochwertige synthetische Isolationsmaterialien entwickelt, die genauso warm halten - und sich besser waschen lassen als echte Daunen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: