Die Strenge
Mit den Menschen, die in Krisenzeiten regelmäßig in Talkshows sitzen, entwickelt man eine Beziehung wie mit Protagonisten aus der Lieblingsserie auf Netflix. Das war schon so, als Corona noch das bestimmende Thema des Infotainments war. Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist jetzt sozusagen die neue Lauterbach, auch, weil sie sich viele als Verteidigungsministerin gewünscht hätten. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag spielt eine Nebenrolle in der deutschen Ukraine-Politik, ist aber jetzt schon eine Art Kultkommentatorin. Sie trägt ihre strahlend weißen Haare kurz und ein bisschen bowiemäßig nach hinten gekämmt, dazu manchmal roten Lippenstift. Man sieht sie außerdem nie in etwas anderem als in Hosen und Jacketts, aber ihr modischer Stil ist nicht so sachlich, wie es auf den Unbedarften vielleicht wirkt. Ihre Jacken sitzen eng und gut, und ihre Hemden sind ein bisschen oversized, mit großen, zugeknöpften Krägen und weit aus dem Ärmel hervorragenden Manschetten. Sie würde mit diesem fast dandyhaften Look also auch unter den Kunst-Groupies auf der Biennale in Venedig nicht unangenehm auffallen. Das Geheimnis des Strack-Zimmermann-Stils ist aber etwas anderes: sie sieht nur von weitem streng aus. Sobald die leidenschaftliche Motorradfahrerin den Mund aufmacht, ist nämlich Rheinland, heißt: Die Dinge werden ausgesprochen, wie sie sind, ohne, dass das irgendwie böse wirkt. Ist es aber natürlich manchmal schon. TV-Lieblingscharaktere sind bekanntlich nie eindimensional.
Der Anstrengende
Es ist schon ein bisschen schwierig, über den Stil des Politikers Anton Hofreiter zu schreiben, ohne gleich in Extreme abzurutschen. Denn auch wer für seine Agenda grundsätzlich bereit ist, ertappt sich ja irgendwann bei der unhöflichen Frage: Schadet diese Figur der Sache vielleicht mehr als sie nutzt? Hat also sein eigenwilliger Look ein gewisses Maskottchenpotential für die Grünen-Gefolgschaft (Im Sinne von: "Das ist noch ein Unangepasster, der gefällt mir!") oder überwiegt doch eher die Abschreckung, weil er bisweilen auf so eine unzeitgemäße Art öko-verzottelt und müslischwer wirkt? Weitere Fragen schließen sich an: Handelt es sich um eine gezielte Taktik, um die eigene Marke, Botschaft und Überzeugung glaubhaft zu unterstreichen? Oder sind seine Outfits, etwa diese Kombination aus Speckjacke/Kinder-T-Shirt oder der gern gezeigte, kirmesblaue Anzug einfach nur Symptome von Hilflosigkeit und allgemeiner Renitenz? Klar, als promoviertem Botaniker, Hobbykünstler und führendem Grünen-Politiker ist es Hofreiter in besonderem Maße gestattet, auf Mode und sonstige Äußerlichkeiten zu pfeifen. Aber die Menschen und Medien sind doch heute so leicht ablenkbar! Wäre es im Dienst der Sache nicht zumindest einen Versuch wert, Kopf und Kragen mal in Form zu bringen - um schneller den Blick auf die Inhalte freizugeben? Ein bisschen Schliff zu wagen? Ja, die deutsche Politik hat exzentrische Figuren nötig. Aber auch die dürfen zwischendurch gerne mal den Beweis antreten, dass sie schön könnten, wenn sie nur wollten.