Zum Geburtstag des Fotokopierers:80 Jahre unglaublich öder Arbeit

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Der Amerikaner Chester Floyd Carlson hat den Fotokopierer erfunden, an diesem Montag ist es genau 80 Jahre her, dass er erstmals etwas kopierte. (Foto: dpa)

Der Fotokopierer ist ein hässliches Ungetüm. Trotzdem steht es seit acht Jahrzehnten in so gut wie jedem Bürogebäude der Erde. Über eine erstaunlich stoische Erfindung.

Von Michael Neudecker

Das Video des Mannes, der mit seinem Hintern einen Fotokopierer zerstört, ist auch schon wieder einige Jahre alt. Zu sehen ist in Überwachungskamera-Anmutung der Kopierraum einer Firma, ein vollschlanker Mann kommt herein, zieht sich die Hose runter, setzt sich auf den Kopierer, drückt den Startknopf - und bricht ein. Er sieht herrlich hilflos aus, dann ist das Video zu Ende. Es ist nicht echt, sondern ein PR-Gag, aber man darf davon ausgehen, dass es solche Szenen schon öfter in Echt gegeben hat, denn so ist der Mensch halt: Der Zweck eines Geräts ist relativ, und es gibt immer Irgendjemanden, dem etwas Blödes einfällt, sogar zu langweiligen Bürokratiebeschleunigern wie Fotokopierern.

Der Amerikaner Chester Floyd Carlson hat den Fotokopierer erfunden, an diesem Montag ist es genau 80 Jahre her, dass er erstmals etwas kopierte. Wenngleich das damals noch nicht ganz so einfach war wie heute, der Vorgang war zu aufwendig, um ihn hier in Gänze zu beschreiben; es begann damit, dass Carlson und sein österreichischer Assistent eine mit Schwefel beschichtete Zinkplatte durch das Rubbeln mit einem Küchentuch elektrisch aufluden. Jedenfalls machte die Erfindung Carlson zu einem reichen Mann (im Gegensatz übrigens zur Regenjacke mit Regenrinne zwecks Schonung der Hose, die sich leider nicht durchsetzte). Sie machte außerdem viele Menschen vorübergehend zu glücklichen Büroarbeitern: Sie mussten nun die, wie Carlson einmal sagte, "unglaublich öde und mühsame Arbeit" des Abschreibens von Unterlagen nicht mehr machen. Dass es gelang, zum Ausgleich andere unglaublich öde und mühsame Arbeiten einzuführen, ahnten sie damals noch nicht.

In so gut wie jedem Bürogebäude der Erde stehen heute Kopierer, wahrscheinlich gibt es nichts, was noch nicht irgendwo kopiert wurde. Warum allerdings der Fotokopierer, der meist ein hässliches Ungetüm ist, das in einigen Firmen sogar ein eigenes Büro hat, immer noch da ist, obwohl doch das Internet ihn längst hätte überflüssig machen können, ist rätselhaft. Die menschliche Freude am Reproduzieren mag eine Rolle spielen, ebenso der staatlich legitimierte, wenn nicht erzwungene Hang zum Abheften. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass es immer noch Menschen gibt, für die das kopieren per Knopfdruck einfacher ist, als das sharen per Klick. Vielleicht ist der Grund für die Langlebigkeit des Kopierers aber auch viel simpler: Auf das Internet kann man sich nicht draufsetzen.

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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