Süddeutsche Zeitung

Stilkritik:Ultradünne Augenbrauen

Seit diesem Sommer sieht man wieder extrem schmal gezupfte Augenbrauen. Prominente Träger: Rihanna und Julian Nagelsmann. Muss nun jedermann zur Powerpinzette greifen?

Von Nora Reinhardt

Augenbrauen waren lange der Toni Kroos des Gesichts: ein akkurater, elementarer, aber nicht sehr glamouröser Akteur im Mittelfeld, bekannt für eine gleichmäßig gezirkelte Fluglinie, aber in seiner Beständigkeit auch ein bisschen langweilig.

Dann machte das britische Model Cara Delevingne dichte, naturbelassene Balken im Gesicht etwa im Jahr 2014 salonfähig. Für die Augenbraue war das metaphorisch gesprochen die 95. Minute Deutschland gegen Schweden. Freistoß, Tor, wow! Die ganze Welt guckte plötzlich auf die Braue und in den sozialen Netzwerken entstand ein regelrechter Hype. Dort unterwarf sie sich bald dem Diktat der Fotofilter: Aus dem Delevingne-Balken wurde die klobig-unnatürliche "Instagram-Braue", über die Spötter sagen, sie sehe aus wie mit Edding gemalt. Die Brauenbranche boomte: mit Bürstchen, Stiften, Seren, Farbpaletten.

Nach der Weltmeisterschaft - Toni Kroos war inzwischen im Urlaub - scheint sich nun auch die Augenbraue wieder zu verdünnisieren. Ein neuer Typ startet in eine neue Saison: filigran, ultradünn, für manche in seiner Leichtfüßigkeit irritierend. Prominente Träger: Rihanna auf der September-Ausgabe der britischen Vogue und Julian Nagelsmann beim Bundesligaauftakt. Während Rihannas Augenbraue aussieht, als sei sie abrasiert und mit flüssigem Augenbrauenstift aufgemalt worden, weiß man bei Julian Nagelsmann seit dem Wochenende, dass sie gezupft und von seiner Friseurin getönt wurde.

Rihanna ist 30, Nagelsmann 31, sie sind moderne, junge Menschen mit Signalwirkung für ihre Fans. Natürlich haben sie die künstlich anmutende, stark ausgedünnte Augenbraue nicht erfunden. So trug man das schon in den 1920ern, 1930ern, 1970ern und zuletzt in den 1990ern. Wer sich fragt, ob er nun wieder die Powerpinzette rausholen muss, der sei beruhigt. Der Trend steckt noch in Kinderfußballschuhen, etwa Größe 22, und wird vermutlich erst in ein paar Jahren so weit in den Mainstream hineingetröpfelt sein, dass der normale Angestellte ihn bei der Morgenkonferenz tragen kann, ohne einen Super-BRAU, pardon, -GAU zu erleben.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2018
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