Stilkritik: Blumenkleid:Verbrennt die Hosenanzüge!

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Geblümt und weniger geblümt: Ivanka Trump, Angela Merkel, Christine Lagarde und Königin Máxima beim Frauen-Gipfel in Berlin (von links). (Foto: dpa)

Mächtige Frauen müssen sich nicht länger als Männer verkleiden - in Berlin tragen sie Blumenkleider, siehe Trump, Lagarde, Máxima. Naht die Vollendung der weiblichen Emanzipation?

Stilkritik von Lena Jakat

Ivanka Trump, Christine Lagarde, Máxima der Niederlande. Drei der mächtigsten Frauen der Welt tragen auf der W-20-Konferenz in Berlin: was Geblümtes. Und wie! Kein dezentes Trachtenstoff-Geblümel auf der Garderobe der Damen, die da zusammentreffen. Da blüht und rankt und prangt es. Hellblau, dunkelblau, rot, grün, hellgrün, türkis! Eine solche Blütenpracht, bei Minusgraden im April, obendrein in der sonst so monoton navy-anthrazit-mittelgrauen Weltpolitik?

Jetzt ließe sich einwenden: Das ist vielleicht doch eher Paisley als Primel auf Frau Lagardes Stola. Und: Ivanka Trump mag die mächtigste Frau der USA sein, Lagarde die mächtigste der Finanzwelt. Königin Máxima hat vielleicht den klangvollsten Titel, aber dann doch eher repräsentative Aufgaben als wirkliche Macht. Das wäre jedoch, pardon, schon ein bisschen kleinkariert. Und außerdem braucht es - gemäß der journalistischen Regel "Ein, zwei, viele" - für einen Trend nun einmal drei.

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Im Wahlkampf galt Ivanka Trump als Geheimwaffe ihres Vaters, jetzt hat sie sogar einen Schreibtisch im Weißen Haus. Wohl auch ein Grund, dass Kanzlerin Merkel sie nach Berlin eingeladen hat, um über die Gleichstellung von Frauen zu sprechen.

Hier also die analytische Betrachtung des Floralen in der Weltpolitik: Das letzte Kapitel der Emanzipation ist angebrochen, und alle sind Zeugen. Nach jahrtausendelangem Ringen ist der Kampf um Anerkennung, um Teilhabe und Chancengerechtigkeit so gut wie entschieden. Vorbei die Zeiten, als sich Politikerinnen in Männerkleidung auf Gipfelbilder schummeln mussten; als Merkels Blazersammlung das Maximum an modischem Wagnis bei derlei Veranstaltungen war.

Vorbei die Tage der grau-grauen Politiknachrichten! Die mächtige Frau muss sich heute nicht mehr verkleiden. Sie kann Blumenkleider tragen und trotzdem mächtig sein. Verbrennt die Hosenanzüge!

Kaum haben wir Feministinnen uns vom Hype um die starke Message der Mailänder Modewoche erholt, sehen wir mit feuchten Augen das nächste textile Manifest der sich vollendenden Gleichberechtigung: Blumenkleider auf einem politischen Podium.

Das ist natürlich ganz großer Quatsch. Nicht nur deswegen, weil besagte weltpolitische Veranstaltung der "Women 20 Summit war" - und durch seine bloße Existenz vorherige These widerlegt. Oder wurde über den "Men 20 Summit" nur nicht berichtet, weil es dort keine Blumenkleider gab?

Welche Paillettenbluse neben welchem Cocktailkleid

Nein, die geblümten Kleider von Berlin weisen auf ein anderes, viel größeres Problem hin. Wenn es einmal wirklich soweit ist, dass Politikerinnen Blumenkleider tragen - und zwar mehr als drei von ihnen und auch auf gemischtgeschlechtlichen Politikveranstaltungen - braucht es dringend eine Reform des internationalen Gipfelprotokolls. Und da reden wir eher in Wenn-Hillarys-Enkelin-Präsidentin-wird-Zeitspannen.

Es braucht dann zusätzliche Protokollbeamte, die vorab koordinieren, welches Blumenkleid neben welchem sitzt. Und - das Blumenkleid ist nur der Anfang - welcher Karoblazer neben welchem pinken Hosenanzug, welche Paillettenbluse neben welchem Cocktailkleid.

Denn sonst herrscht am Ende statt blühender Einigkeit nur Kraut und Rüben in der Ikonographie der Weltpolitik. Alle sehen nur noch ein großes Durcheinander, keiner mehr den einzelnen Menschen. Und das kann nun wirklich niemand wollen, schon gar nicht, wenn sie ein großgemustertes Blumenkleid trägt.

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