Stilkolumne "Ladies & Gentlemen":Der schmale Schal

Miu Miu Resort Collection 2015 - Front Row

Alexa Chung bei der Modenschau für die Miu Miu Resort Kollektion 2015 in Paris.

(Foto: Getty Images)

Dünn und seidig: Für Frauen ist das feine Accessoire ein gern gesehener Alleskönner, für Männer dagegen ein Wagnis. Denn im Alltag hat der Schal so seine Tücken.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

In jedem Winter wieder stellt sich neben der universalen Mantel-Silhouettenfrage auch diese: Welchen Schal trägt man jetzt? Da in unseren Gefilden Unterschiede zwischen den Jahreszeiten kaum noch zu erkennen sind und die Welt in einer grauen, immer gleich kühlen Suppe versinkt, darf, nein, muss man sich diese Frage jetzt schon stellen.

Der Schal des Jahres wird nämlich schon bald in allen Prada-Boutiquen sold out, esaurito, épuisé sein. Ja, "ausverkauft" ist in solchen Fällen die internationale Schreckensvokabel der Fashion-Girls. Alles, was in Prada-Läden unter 200 Euro kostet, ist meistens schnell weg.

Ein Hybrid aus Kropfband und Krawatte

Aber dieser Schal ist nicht nur Prada-Souvenir, sondern viel mehr! Er ist schmal und aus Seide, schützt sanft gegen 15 Grad kalte Hechtsuppe, aber viel wichtiger: Der Hybrid aus Kropfband und Krawatte ist in der Lage, ganze Outfits zu modernisieren! Schnell seitlich eng um den Hals gebunden, und schon wirkt das alte Hemdkleid viel eleganter, viel flatterhaft lässiger!

Das Fashion-It-Girl Alexa Chung trägt ihn natürlich längst, um den jetzt noch unbezahlbaren Flair der Bohemienne wissend. In Wahrheit läutet der schmale Schal in der Tradition Anita Pallenbergs nämlich das Comeback der Siebzigerjahre ein, inklusive langer Taschenhenkel und leichtem Schlag an der Hose.

Da es aber in diesem Jahr garantiert nicht mehr wärmer, ganz sicher jedoch kälter werden wird: bitte irgendwann trotzdem auf einen gemusterten, drei Meter langen Wollstrickschal umsteigen, Vorbild dafür sind die tollen Exemplare von Etro. Wie schon gesagt, mit den Siebzigern kann man jetzt nichts falsch machen.

(Julia Werner)

Prada - Mens Fall 2014 Runway - Milan Menswear Fashion Week

Ein Model bei der Mailänder Modewoche 2014 präsentiert Herbst- und Wintermode von Prada.

(Foto: Getty Images)

Männer zurück an die Leine

Es gilt leider immer noch: Sobald sich ein Mann etwas um den Hals wickelt, muss er Fragen nach seinem Gesundheitszustand beantworten. Der Männerhals ist gefälligst unten vom Hemdkragen und oben vom Bartansatz bedeckt, alles andere gilt dem Volksauge immer noch als Schwäche, zumindest in der Stadt.

Am Berg ist immerhin ein Trenker-Tribute-Tüchlein geduldet, und auf den Laufstegen ist ja ohnehin alles erlaubt. Was Prada seinen Herbstmodels verordnet hat, ist dabei eigentlich eine beinahe logische Idee. Denn natürlich ist Halsseide in Form der Krawatte seit jeher im Herrenschrank vorrätig und selbst Leisetreter wagen dabei das ein oder andere Farb- und Musterexperiment.

Warum also nicht den alten Binder etwas lockerer fassen, schlank und luftig um den Adamsapfel legen und damit einerseits weiterhin für vertikale Farbakzente sorgen und andererseits dem Formalen etwas Twist geben? Die Schalkrawatte von ihrem schlechten Ruf als Kropf- und Runzelhalskaschierung befreien!

Wirkung: Flott bis schlapp

Einen schönen Hals optisch betonen und strecken, das kann so eine zarte Extralinie im Outfit durchaus. Wenig Aufwand, viel Effekt, der freilich seine Tücken im Alltag hat - so richtig flott wirkt der lose Schmalschal ja nur, wenn man markanten Schrittes damit über die Piazza eilt und die Rockschöße gewissermaßen im Wind flattern.

Am Schreibtisch oder beim Essen hängen die Enden schlapp herunter und verbreiten Flautenstimmung. Dagegen hilft eine geschickte Kabelführung, dabei macht es nichts, wenn der Schal zwischen den Knöpfen ins Hemd gelegt wird wie ein eleganter Katheter. Ob man krank sei, wird man sowieso gefragt.

(Max Scharnigg)

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