Stilkritik:Wann Speisekarten ohne Preise angebracht sind

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Frauen verdienen ihr eigenes Geld - und laden heutzutage selbstverständlich auch Männer zum Essen ein. Das war nicht immer so.

(Foto: imago)

Frauen laden heute auch Männer ein, ein Menü ohne Preise extra für sie ist nicht mehr zeitgemäß. Doch manchmal kann man eine solche Karte durchaus gut gebrauchen.

Von Natascha Holstein

Der Mann halte der Frau die Tür auf, schiebe ihr sanft den Stuhl unter den Hintern, schenke regelmäßig nach und bezahle selbstverständlich ihr Essen. Vor einigen Jahrzehnten standen diese Regeln noch im Knigge. Dass die Zeiten vorbei sind, in denen Frauen sich beim Restaurantbesuch stets von ihrem männlichen Partner haben einladen lassen, ist jetzt nicht sonderlich überraschend. Und so wirkt auch die Damenkarte wie ein staubiges Relikt: eine Speisekarte, in der keine Preise aufgeführt sind, und die in alten Zeiten, klar, der Frau ungefragt gereicht wurde.

Das Festhalten an dieser alten Tradition wird nun für ein Restaurant in Peru teuer: 55 000 Euro Strafe muss das "La Rosa Náutica" in der Hauptstadt Lima zahlen, weil es Frauen eine goldene Speisekarte aushändigte, in der nur die Gerichte aufgelistet waren, den Männern aber eine blaue, in der auch stand, was das alles kostet. Nur so könne nach der Vorstellung der Restaurantbetreiber die Frau "einen romantischen Abend genießen". Welche Frau macht sich schon gerne Gedanken über Preise?

Die, die einen Beruf hat, Geld verdient und zum Beispiel auch mal den Partner, die Partnerin oder Freunde einladen möchte. Daher entschied das peruanische Nationale Institut für Verteidigung freien Wettbewerbs und den Schutz geistigen Eigentums, dass die Damenkarte eine Diskriminierung sei. "Diese kleinen Dinge mögen harmlos wirken", sagte Liliana Cerrón, Mitarbeiterin des Instituts, der Nachrichtenagentur AP. "Aber schlussendlich sind sie die Basis für ein chauvinistisches Konstrukt, das die Unterschiede zwischen Männern und Frauen untermauert." Die Restaurantbesitzer sehen keine Diskriminierung, die zensierten Speisekarten "preisen die Position der Frauen", entgegnen sie.

"Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß"

Bis vor wenigen Jahren wurde auch in Deutschland noch vereinzelt das exklusive Blanko-Menü gereicht. "Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß", sagt Christian Koßler, Restaurantleiter des "Moritz" in Dresden. Vor drei Jahren haben die weiblichen Gäste hier noch die preislose Speisekarte bekommen. Es sei eine Frage der Philosophie, Frauen und Männer seien heutzutage gleichgestellt, da passe so eine Karte nicht mehr ins Konzept.

Was fast ein bisschen schade ist. Die Grundidee ist ja charmant. Bei Geschäftsessen oder Einladungen kann so eine zensierte Karte durchaus hilfreich sein. Bei einem Geburtstagsessen im Restaurant zum Beispiel müssten sich die Gäste keine Gedanken mehr darüber machen, ob die Trüffelpizza für 18 Euro oder das Steak für 25 Euro noch angemessen oder schon peinlich sind. Und beim Candle-Light-Dinner könnte der oder die Eingeladene einfach unbeschwert den Rotwein nach Gusto bestellen und müsste sich nie wieder einen Abend durch den bescheiden gewählten Billigfusel verderben lassen.

Bevor man ein Geschenk überreicht, knibbelt man ja schließlich auch das Preisschild weg oder überklebt den aufgedruckten Preis mit einem Blümchenaufkleber beziehungsweise überkritzelt ihn mit Kugelschreiber. Es sei denn, man gehört zu jenen Schenkenden, die ihr Gegenüber gerne genau wissen lassen, was es ihnen wert ist. Im "Moritz" in Dresden gibt es die preislose Karte übrigens tatsächlich noch, allerdings nicht automatisch für jede Frau, sondern nur auf Anfrage. Und auch für Männer. "Wir schreiben da nichts vor, das muss im Vorfeld abgesprochen sein", sagt Koßler.

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