Kolumne "Eigener Herd":Radi und Ratschläge

Kolumne "Eigener Herd": Dekorativ zur Girlande aufgeschnitten sieht Rettich zwar schön aus, beginnt aber schon nach 20 Minuten zu oxidieren.

Dekorativ zur Girlande aufgeschnitten sieht Rettich zwar schön aus, beginnt aber schon nach 20 Minuten zu oxidieren.

(Foto: Karen Kaspar/imago images/Shotshop)

Im Biergarten schmeckt die bayerische Nationalrohkost Rettich leider oft muffig. Aber das muss nicht sein, wenn man sie richtig zubereitet.

Von Marten Rolff

Über die oft bescheidene Qualität des Essens in bayerischen Biergärten ist eigentlich alles gesagt, auch an dieser Stelle. Und nachdem - zumindest vereinzelte - Brauereien mittlerweile begonnen haben, ganz vorsichtig dazuzulernen, soll hier auch gar nicht weiter lamentiert werden. In Zeiten, die - #Weltlage - noch sehr viel mieser sind als viele Wammerl unter der Warmhaltelampe im Selbstbedienungsbereich, wäre man ja schön blöd, sich auch noch das Feierabendbier im angenehmen Kastanienschatten schlechtzureden, sagte ein guter Freund kürzlich. Recht hat er.

Gehen wir es also konstruktiv an und jammern nicht, sondern lüften nur schnell das Geheimnis, warum selbst die Nationalrohkost der Bayern, der Radi, im Biergarten so gut wie nie frisch und scharf schmeckt, wie es eigentlich sein sollte, sondern eher an den schalen Atem eines Oktoberfestlers nach vier Mass Löwenbräu erinnert. Interessant ist das ja schon. Denn was, bitte, kann man schon falsch machen mit einer unzubereiteten Rübe, besprenkelt mit ein wenig Schnittlauch? Aus dem Gemüsekochbuch des wunderbaren Vincent Klink ("Voll ins Gemüse") lernen wir: offenbar eine Menge.

Ein Kardinalfehler ist zum Beispiel, den Rettich in dekorative, feine Girlanden zu schneiden und ihn dann so lange in der Vitrine stehen zu lassen, bis sich ein ahnungsloser Gast erbarmt. Denn frisch bleibt er nach dem Schneiden nur noch 20 Minuten, dann setzt die fatale Oxidation ein. Klink schreibt, er esse daher niemals irgendwie geschnittenen Rettich oder einen entsprechenden Salat im Lokal. Denn der werde in der Regel in der Küche zu früh vorbereitet und schmecke übel muffig. Ein Ärgernis, das sich, so der schwäbische Sternekoch, schon unfehlbar am "pupsigen Geruch" erkennen lasse.

Geschnitten schmeckt Rettich nur knackfrisch oder gegart, dazwischen gibt es nichts

Daraus ergibt sich gleich die wichtigste Faustregel im Umgang mit der weißen Rübe: Radi wird entweder knackfrisch angerichtet oder er wird - meist kurz - gegart, alles dazwischen versaut das Ergebnis (wobei der Rettich im Ganzen im Kühlschrank durchaus lagerfähig ist). Auch zu frühes Salzen ist schlecht, weil die Senföl-Verbindungen, die dem Gemüse sein Aroma und seine Schärfe verleihen, flüchtig sind, Salz entzieht dem Radi schnell den Geschmack. Das kann natürlich auch gewollt sein, in Asien etwa, wo Rettich meist gekocht wird, was ihn zu einer milden, gut würzbaren Beilage macht, die an Mairübchen erinnert.

Zum Garen eignen sich kleine Sorten gut. Vincent Klink etwa empfiehlt für ein warmes Sommergericht Eiszapfen - fingerlange, rettichförmige, weiße Radieschen, die der Koch mit Kerbel-Senfsoße zubereitet. Für zwei Personen zwei Bund Eiszapfen waschen und jede Knolle halbieren, die Blätter fein hacken und beiseitestellen. 1 gewürfelte Zwiebel in 1 EL Butter andünsten und die Eiszapfen darin 2 Minuten mitgaren, dann 125 ml Gemüsefond angießen und alles für 10 Minuten weiterdünsten. Die Eiszapfen herausnehmen und kurz warmstellen, den Fond mit Pfeffer und 1 TL scharfem Senf würzen und leicht einkochen lassen, 125 g Sahne zugießen, aufkochen und schließlich mit 1 TL Mehlbutter (1 TL Butter mit 2 EL Mehl vermischt) binden und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Eiszapfen zurück in die Soße geben, 1 halben Bund gehackten Kerbel untermischen und mit den Rettichblättern bestreut servieren.

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Ein so schlichtes wie feines Rezept stammt von den Nürnbergern Yves Ollech und Andree Köthe, die zu den besten deutschen Gemüseköchen zählen. Als Beilage zu langsam gegartem Schweinebauch (serviert mit Kakao und Zucker-Karamell mit Olivenmus) stapeln sie dünne Scheiben Rettich abwechselnd mit ebenso dünnen Granny-Smith-Scheiben, wobei der Radi kurz in 100 ml Sahne weichgegart und gesalzen und gepfeffert wird; die Apfelscheiben mariniert man in wenig Olivenöl, Salz und Pfeffer.

Noch bis Anfang Oktober hat der Sommerrettich Saison, der roh besonders gut schmeckt, weil er etwas schärfer ist als Mai- oder Winterrettich. Eine besonders schöne Kombination stammt aus Julia Herrmanns und Stefan Brückels Band "Unter weiß-blauem Himmel" (GU), der aus dem sonst zweifelhaften Genre der Biergartenkochbücher mit fundierten Tipps und liebevollen, oft ungewöhnlichen Rezepten angenehm hervorsticht. Für "bayerische Ceviche" 400 g Hechtfilet (frisch, gewaschen und vom Händler des Vertrauens, alternativ gehen: Zander oder Flussbarsch) in nicht zu große Würfel schneiden, zusammen mit dem Abrieb und dem Saft von zwei unbehandelten Zitronen in eine Schüssel geben, kurz durchmischen und den Fisch für drei Stunden abgedeckt im Kühlschrank "garen" lassen. Dann 1 milde rote Zwiebel in feine Ringe schneiden, die Blätter von 1 halben Bund Koriander zupfen, 150 g geschälten Rettich raspeln und alles untermischen, mit Salz, etwas Olivenöl und Zitrone abschmecken und servieren.

Das Ceviche lässt sich gut vorbereiten und in den Biergarten mitnehmen (Radi erst vor Ort reinraspeln!). Wem es nicht bayerisch genug erscheint, sollte wissen: Als Erste bauten die alten Ägypter zur Zeit der Pharaonen Rettich an, der dann über Griechenland und Rom Tausende Jahre später auch nach Österreich und Bayern gelangte. So viel zur Authentizität von bayerischer Biergartenkost.

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