Kolumne „Eigener Herd“:Das Fruchtfleisch-Steak

Lesezeit: 2 Min.

Kann sogar Fleischersatz sein: im Ofen gebackene und dann gegrillte Wassermelone. (Foto: xShebekox/IMAGO/Depositphotos)

Im Ofen gegarte Wassermelone erinnert in ihrer Konsistenz an Rind oder Thunfisch. Gut mariniert schmeckt sie süß, frisch und herzhaft zugleich. Wie aufwendig das ist? Wir haben es ausprobiert.

Von Marten Rolff

Die Wassermelone ist eine Tausende Jahre alte Kulturfrucht, die in Westafrika schon immer auch im Eintopf landete. Bei uns war sie dagegen lange nur als spätsommerlicher Durstlöscher, Farbklecks auf Gartenpartys oder als Stranderfrischung bekannt. Später landete sie auch auf dem Grill und in Salaten – die Kombi mit Oliven und Feta ging zu Recht auf Tiktok viral –, relativ neu ist aber, dass man Melonen in den Ofen wirft, wo sie zu Fleisch- oder Fischersatz gebacken werden, gerne im asiatischen Stil. Kurze Zusammenfassung vorab: Ja, das schmeckt, macht aber – anders als die Erfrischungswürfel – Arbeit.

Auf Social Media ist die Zahl entsprechender Rezepte längst unübersichtlich geworden, das Prinzip aber oft dasselbe. Im Wesentlichen führen zwei (stets leicht variierte) Wege zum fleischähnlichen Fruchterlebnis, egal ob Melone „Tuna-Style“, Melonen-Tatar oder -Steak. Und so unkompliziert viele Rezeptvideos im Zeitraffer auch wirken mögen, keine der Methoden geht schnell, im Gegenteil. Für (das sonst nicht allzu komplizierte) Melonensteak braucht man Geduld, schließlich geht es darum, ein Trumm von Frucht mit 90 Prozent Wasseranteil so weit zu dehydrieren, dass sich ihre Textur fleischfasermäßig verdichtet. Und darum, ihr zugleich Herzhaftigkeit einzuprügeln, die sich im Idealfall mit Röstaromen, Frische und karamellisiertem Fruchtzucker auf das Köstlichste verbinden soll.

Die wichtigste Frage dazu lautet nun: Will ich erst marinieren und dann backen oder erst backen und dann marinieren? Beides geht.

Im Ofen sieht es aus, als würde ein Basketball überbacken

Beim Feldversuch zu Hause erschien es sinnvoller, mit dem Backen (also Dehydrieren) zu beginnen, auch in der Hoffnung, dass eine Melone, die bereits einen Teil ihres Wassers verloren hat, die Marinade dankbarer aufnimmt. Zugegeben: Olfaktorisch und ästhetisch ist diese Reihenfolge erst mal kein Gewinn, denn eine geschälte Babywassermelone, bei 200 Grad Ober- und Unterhitze im Ofen geröstet, kapert die Wohnung binnen Kürze mit ihrem feucht-süßlichen Odor. Und eine Freundin, die während der Garzeit vorbeischaute, fragte, was mich denn an einem Gericht interessiere, das aussehe wie ein mit rissiger Hornhaut überzogener Basketball. Aber keine Angst, es geht ja nur um ein Zwischenstadium, das von mir nach dreieinhalb Stunden Backzeit beendet wurde, halb aus Überzeugung, halb aus Zeitmangel.

Fürs Marinieren wird der verschrumpelte Ball in daumendicke Scheiben geschnitten (dabei Kerne nach Bedarf entfernen). So nimmt er mehr Geschmack an und passt – im verschließbaren Gefrierbeutel – während der acht bis zwölf Stunden Marinierzeit in den Kühlschrank. Bei der Marinade darf man variieren. Sojasoße, Sesamöl, (Weißwein- oder Reis-)Essig, Salz und Knoblauch sind ein Muss; Ingwer, Chili, Zitrone, eine Prise Rauchpaprika, Senf und Miso eine gute Idee; Fischsoße oder Nori-Algen-Pulver Geschmackssache. Und Apfelsaft ein häufiger Tipp, den ich nicht ausprobiert habe.

Am Ende geht dann alles schnell: Die Melonenscheiben werden auf dem Grill oder in der Pfanne beidseitig scharf angebraten, eventuell mit Beize beschöpft und nachgesalzen. Die Steaks vor dem Servieren in geröstetem Sesam zu wälzen, vergrößert den Genuss (super ist auch Sesam mit Wasabi- oder Fischsoßen-Aroma). Das herzhafte Fruchtschnitzel schmeckt tatsächlich toll (mehr Ofenzeit hätte den Biss noch verbessert), bleibt aber ein fast kalorienloser Snack, der nicht satt macht. Ob der Aufwand das wert ist, soll jeder selbst entscheiden. Die Melone bereits in Scheiben auf Backpapier im Ofen zu garen, verkürzt zumindest die Backzeit. Textur-Perfektionisten frieren die Frucht ein, tauen sie wieder auf und garen sie vor dem Beizen für zwölf Stunden bei 85 Grad. Aber man kann es auch übertreiben.

Das braucht man dazu

- 1 reife Babywassermelone

- Sesamöl

- Reis-, Weißwein- oder anderen Essig

- Sojasoße

- 2 oder mehr Knoblauchzehen

- Salz

- Sesam zum Bestreuen

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