Für sie: Rot-grüne Anteilnahme
Wenn Hochwasser ist, spielt es für normale Menschen absolut keine Rolle, wie man aussieht. Kleidung und Stiefel müssen möglichst wasserdicht sein, das sind die Anforderungen. Bei Politikern sieht die Sache anders aus. Der Besuch eines Krisengebietes ist für sie eine delikate Angelegenheit, weil die Öffentlichkeit mit Argusaugen den Marsch durchs Wasser scannt. Ist der Gesichtsausdruck betroffen genug? Sieht die Visite nach einer Herzensangelegenheit aus oder doch nur nach Imagepflege? Und hat der Politiker oder die Politikerin wirklich den Ernst der Lage erkannt? Den Respekt vor den Opfern der Katastrophe lesen wir, ob wir wollen oder nicht, vor allem aus dem Outfit heraus. Auch wenn der Verstand etwa sagt, dass Annalena Baerbock alles ernst meint, sagt das Herz beim Betrachten von Fotos aus dem Februar – als sie in weißer Hose, camelfarbener Jacke und feinen hochhackigen Stiefeletten vor dem Hintergrund von Kriegsruinen vor einer russischen Drohne flüchtete: irgendwie out of touch. Unsere Staatsministerin für Kultur und Medien hingegen macht vor, wie es geht: rote Hose, roter Rollkragenpulli, darüber die wasserdichte Freistaat-Bayern-Merch-Jacke in Bayrischblau. Claudia Roth macht sich damit hervorragend sichtbar in der männlichen Goretex-Delegation, aber es wäre falsch, irgendeine Absicht in diese Farbwahl hineinzuinterpretieren. Nicht in trauertragendem Schwarz, sondern in leuchtenden Farben lebt und wirkt ja Deutschlands einzige politische Stilikone. Sie ist ganz einfach authentisch. Und das ist das Einzige, worauf es in Krisen ankommt.

Für ihn: Der Landesdad-Look
Ministerpräsident Söder fiel in letzter Zeit gleich mehrfach mit stilistischen Paradoxien auf. Bei seiner Reise durch China wirkte er unlängst etwa, als wäre sein Gepäck mit dem guten Anzug unterwegs verloren gegangen, sodass er die hochrangigen Termine notgedrungen im bequemen Flugzeugoutfit absolvieren musste. Und auf seinem Instagram-Kanal erreicht der demonstrativ-glückselige Fleischverzehr des Mannes immer neue Rekordpegelstände, Söder schreckt dabei auch vor extremen Nahaufnahmen nicht mehr zurück. Jetzt aber mal wieder was Ernstes, Hochwasserbetrachtungen! Der Landesvater trat dabei standhaft in seiner „Freistaat Bayern“-Windjacke an, die er zuvor schon gerne bei Oberlandanlässen mit Jodelcharakter trug. Das Ding hat den Charme eines Werbegeschenks und ist vermutlich nicht mal spritzwassergeschützt. Man kann der Jacke aber zugutehalten, dass sie dem improvisierten THW-Charakter solcher Katastrophenfälle durchaus gerecht wird. Kommt einer im schwarzen Anzug und mit gerolltem Stockschirm aus dem Hubschrauber, ist die Diskrepanz zu den schlammverkrusteten Rettern und Opfern ja immer noch größer. Söder maukte also mit seinen Hobbyangler-Gummistiefeln und einer Jeans, die wirklich sehr nach Garageaufräumen aussah, über die Böschung und wirkte insgesamt angemessen zerknittert. Und immerhin, der gut eingetragene Reißverschluss-Troyer darunter hatte auch schon in China Eindruck gemacht! Das Outfit war also richtig. Problem ist eher, dass man mittlerweile das Gefühl hat, er würde genau so auch in der Staatskanzlei hocken und Schweinshaxen-Bilder hochladen.