Kolumne "Eigener Herd":Last-Minute-Rezept für Silvester

Kolumne "Eigener Herd": Last-Minute-Menü? Wir hoffen, Sie haben an Neujahr Zeit für den Abwasch.

Last-Minute-Menü? Wir hoffen, Sie haben an Neujahr Zeit für den Abwasch.

(Foto: imago stock/imago images/CSP_gina_sanders)

Noch schnell ein Festessen zaubern, für sechs Personen, ohne Aufwand? Geht nicht. Einen Tipp für kurzentschlossene Laien haben wir trotzdem: Rüffers Allround-Notfallsauce.

Von Marten Rolff

Wenn das Jahr zu Ende geht, ist bekanntlich Hochsaison für Kassenstürze aller Art und ein wenig (Selbst-)Ehrlichkeit. Und damit auch höchste Zeit, mit ein paar Mythen in der Küche aufzuräumen. Beliebte Versprechen wie "Das ... kocht sich von allein", "... geht ruckzuck", "... kann jeder" oder "... schmeckt allen" gehören, man muss es so hart sagen, alle ins Lexikon der Herdlegenden. Und dass diese Versprechen gerade zu den Feiertagen so gern gegeben und geglaubt werden, macht es nicht besser.

Es wäre zu streng, diese Legenden Lügen zu nennen. Eher geht es um Kochmarketing. Um kleine Ermunterungen, ein Versprechen als Stimmungsaufheller, das aber die Gefahr birgt, ins Gegenteil umzuschlagen. Etwa, weil der oder die zum Kochen Ermunterte kurzfristig Besuch bekommt und sich mit Jamie Olivers "15-Minuten-Menüs" (eines der erfolgreichsten und wegen des Zeitversprechens zugleich meistkritisierten Kochbücher überhaupt) bewaffnet hat. Nur um bald festzustellen, dass schon die Vorbereitung für die Vorspeise eine knappe Stunde dauert und die Küche zum Fall für die Haftpflicht macht.

Ein Problem an solchen Versprechen ist ja, dass sie nur gut klingen, wenn man das Kleingedruckte nicht erwähnt. Im Falle der "Schnellküche" müsste der Warnhinweis ungefähr lauten: Dieses Menü ist durchaus in 15 Minuten zu schaffen, wenn Sie alle nötigen Zutaten vorbereitet zur Hand haben und einigermaßen erfahren sind, wobei Sie unser Kochbuch als einigermaßen erfahrener Hobbykoch - unter uns gesagt - womöglich gar nicht benötigen. Ein anderes Problem ist, dass wir so auf den Glaube an Last-Minute-Perfektion konditioniert sind, dass uns solche Widersprüche gar nicht mehr auffallen. Dass wir zwar Foodporn aller Art mögen, aber nicht den Gedanken, es könnte bei der Zubereitung ein Nagel abbrechen oder eine Fingerspitze am Ende nach Knoblauch riechen.

Drei Tage vor Weihnachten rief eine Freundin an und fragte, was sie für die Feiertage kochen könne - irgendwas Festliches für sechs Personen, das alle mögen, gut vorzubereiten sei und schnell gehe. Ich machte kurz den Vorschlag, Lachs zu beizen (viel einfacher, als es klingt), doch als sie mich damit unterbrach, ob sie den Fisch dafür anfassen müsse, verstand ich und fragte: Warum bestellst du nicht beim Lieferdienst? Das war nicht sarkastisch gemeint. Es ist nur so: Die wichtigsten Regeln für ein gutes Last-Minute-Essen sind Realismus und eine Prise Humor (ich weiß das so gut, weil mir Letztere in der eigenen Küche oft fehlt). Selbst die lauwarmste Quattro Stagioni ist immer noch besser als Verkrampfung in vier Gängen.

Die Pandemie hat bekanntlich eine kleine Koch-Renaissance erzwungen. Dabei mag bei manchem kurzfristig die - auch von dieser Kolumne genährte - Wunschvorstellung entstanden sein, wir hätten alle wieder mehr an den Herd zurückgefunden. Berühmte Köche, die sonst kaum Zeit für ein Interview haben, schwärmten auf Youtube plötzlich, wie wunderbar es sei, für die eigene Familie zu kochen, und sangen das Lob der neuen Einfachheit. Auch hier geht es um Versprechen, die nicht falsch sind, an die man aber keine zu hohen Erwartungen knüpfen darf.

Kochen wie ein Sternekoch? Schön wär's!

Zu den empfehlenswerten Dokumenten aus der Zeit gehört das Kochbuch "Zuhause kochen und genießen" (Mosaik) des Hamburger Zwei-Sterne-Kochs Christoph Rüffer. Der Küchenchef, der sich auch für besseres Krankenhausessen engagiert, gilt als bescheiden, fleißig und des Narzissmus völlig unverdächtig. In seinem Buch zeigt er, wie man anspruchsvolle Küche angemessen erdet. Trotzdem sollte man als Leser keine Angst vor dem Würzen mit Kimchi oder vor Erdbeerparfait haben - und nicht erwarten, dass man nach der Lektüre wirbeln kann wie ein Sternekoch.

Wenn man Christoph Rüffer anruft und fragt, was ihn über die Feiertage zu Hause erwartet (es gibt Reh), dann lacht er und antwortet realistisch: "Viel Arbeit." Einen Last-Minute-Tipp für Silvester hat er trotzdem. Für Rüffers Allround-Notfallsoße röstet man 12 kleine Schalotten in 2 EL Olivenöl rundum goldbraun an, gibt zum Karamellisieren 1 EL Zucker zu, löscht mit 60 ml Balsamico, gibt 200 ml Brühe (auch ein aufgelöster Würfel geht) und ein Lorbeerblatt (ein Thymianzweig wäre schon Kür) zu und lässt alles für etwa 20 Minuten sanft einköcheln. Mit einem Stich kalter Butter oder mit Speisestärke andicken und mit Pfeffer und Salz abschmecken.

Die Soße sei ein Kompromiss, sagt Rüffer, aber sie habe mit Süße, Säure und Röstaromen die nötige Basis und passe - je nach Brühe - zu fast allem. Eine Garantie fürs Last-Minute-Silvester geben wir trotzdem nicht. Gutes Gelingen. Guten Rutsch. Und bleiben Sie gesund!

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Kolumne "Eigener Herd"
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In Kairo aufgewachsen, nach London vertrieben, in der Welt zu Hause: Die Spezialität der britischen Kochbuchautorin Claudia Roden ist es, Menschen an einen Tisch zu bringen. Besonders verbindend ist ihr berühmtestes Rezept: Orangen-Mandel-Kuchen.

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