Süddeutsche Zeitung

Schule für High-Heels-Trägerinnen:"Die Brust betritt zuerst den Raum"

Lesezeit: 3 min

High Heels sind ein Sexsymbol. Für Models sind sie ein Muss, für die normale Frau ein tolles Accessoire und für Orthopäden ein Albtraum: Spreizfüße und Hallux sind nur zwei Schreckensdiagnosen jeder Trägerin. Doch richtiges Gehen kann frau lernen. Dann soll der Absatzschuh sogar gesund sein.

Wer kennt sie nicht - die Bilder der schönen, hochgewachsenen Models, die mit ihren High Heels elegant über die Laufstege dieser Welt schweben. High Heels können aus der tapsenden Normalfrau eine stolze Königin machen. Bei Ungeübten hingegen kann ein Abend in diesem zauberhaften Schuhwerk, das unsere Beine länger und uns graziöser erscheinen lässt als wir uns viellecht fühlen, schnell mit einem verstauchten Knöchel enden.

Doch Sicherheit und Eleganz auf hohen Absätzen kann frau lernen. In Kursen üben Frauen weltweit den Gang auf Stilettos - von Berlin und München bis London und New York. "Was elegant aussieht, ist auch gesund", behauptet die Münchner High-Heel-Lehrerin Edeltraud Breitenberger.

Sie wendet sich an Frauen, "die ihre Weiblichkeit unterstreichen, sich beim Gehen auf höheren Absätzen im Körper zu Hause fühlen und körperliche Schäden vermeiden möchten". Auch Männer lernen bei ihr laufen: Während sich Transvestiten auf High Heels schulen lassen, wollen andere Männer sich einen eleganteren Gang aneignen. "Gehen wie Richard Gere", verspricht sie diesen Kunden.

Zunächst folgt eine kleine Pumps-Kunde: Der Ansatz des Absatzes sollte leicht geschwungen sein, so dass der Stöckel direkt unter der Mitte der Ferse steht. Ist der Absatz zu weit hinten, ist ein Abrollen fast unmöglich - schlecht für die Haltung. Ab zehn Zentimetern, gemessen in der Mitte des Absatzes, beginnt laut Definition der High Heel. Schummeln mit Plateausohlen gilt nicht: Das Plateau wird abgezogen.

Ab 14 Zentimetern gilt ein Schuh als Fetisch. "Deswegen haben alle Schuhe, die man in normalen Schuhläden kaufen kann, höchstens 13,5 Zentimeter." Aber Vorsicht vor zu hohen Stöckeln: "Es gibt für mich keine Frau, die dauerhaft auf mehr als zehn Zentimetern gehen sollte", sagt die Expertin. "Du brauchst nicht die Höhe, um elegant zu werden." Und als Faustregel gilt: Je kleiner der Fuß, desto kleiner sollte der Absatz sein. Also Rücken gerade, Brust raus, Kinn leicht gesenkt, die Fesseln elegant eng beisammen - so sieht der Gang bei den Profis aus.

Die große Zehe ist der Boss

"Ihr seid Königinnen", ruft die Bewegungstherapeutin ihren Schülerinnen zu, die die ersten Schritte wagen. "Die Brust betritt zuerst den Raum", fordert sie. Denn schließlich gehe es auch darum, die Weiblichkeit zu unterstreichen. "Das zu zeigen, gibt Stolz." Doch davor müssen die Teilnehmerinnen ganz unten anfangen, bei den Füßen: Der Kurs beginnt mit Fußmassage und Zehentraining.

"Der große Zeh ist der Boss der High Heels", erklärt Breitenberger, die auch Tango-Tänzerinnen berät. Ist er stark, hält er das Gleichgewicht. Studentin Carmina Gerz ist schon geübte High-Heel-Läuferin. "Mich hat hier nicht der Aspekt interessiert, dass ich darauf gehen kann, sondern dass es nicht schädlich ist", sagt die 32-Jährige. Auch Pumps-Geübten rät Breitenberger allerdings vom täglichen Tragen hoher Schuhe ab - Abwechslung ist besser für die Füße. "Kein Schuh ist immer gut."

Orthopäden indes warnen bereits vor dem regelmäßigen Tragen von Schuhen mit mehr als drei Zentimetern Absatz. "Das Gangverhalten verändert sich dann", sagt die Chefärztin der zum Rhönklinikum gehörigen Klinik für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie in Bad Neustadt, Renée Andrea Fuhrmann. Das belegten Studien durch Gang- oder Muskelaktionsanalysen. "Wer regelmäßig High Heels trägt - mehr als dreimal in der Woche den ganzen Tag, der wird Probleme bekommen."

Viele können nicht mehr flach laufen

Zehn Prozent von Fuhrmanns Patientinnen kommen mit Problemen durch langjähriges Gehen auf hohen Absätzen. Viele klagen über Spreizfüße, Hallux (Schiefzehe) und Krallenzehen - diese Deformierungen würden bei entsprechender Veranlagung durch hohe Absätze zumindest begünstigt. Nicht nur der Fuß, sondern auch Waden, Knie und Rücken leiden. Das Knie bleibt leicht abgewinkelt, der Druck im Kniescheibengelenk steigt, der Verschleiß könne sogar eine fachärztliche Behandlung nötig machen. Die Rückenmuskulatur werde überlastet.

"Tragen von Absatzschuhen über lange Zeit kann zu Rückenschmerzen führen", sagt die Fußchirurgin. Und Achillessehne sowie Wadenmuskulatur verkürzten sich - beim sogenannten Cinderella-Syndrom tut dann Gehen ohne High Heels weh. "Ich habe viele Patientinnen, die sagen: Ich kann nicht mehr flach laufen." Wie für Sportler sei deshalb für High-Heel-Läuferinnen das Dehnen extrem wichtig. Meist seien es die 40- bis 50-Jährigen, die nach jahrelangem High-Heel-Gehen mit Beschwerden in die Klinik kommen.

Die meisten Patientinnen wollten dennoch nicht auf ihre Stöckelschuhe verzichten. In Zukunft könnten die Fälle jedoch abnehmen, denn ausnahmsweise zeigen sich die Jüngeren hier vernünftiger: "Unsere Jugend tendiert eher zum bequemen Schuh."

Genau das sieht der Bundesverbandes der Schuh- und Lederwarenindustrie in Offenbach allerdings anders: "Der Trend zum High Heel ist im Moment gerade bei den jungen Mädels sehr ausgeprägt", sagt Verbandssprecherin Claudia Schulz. "Sie haben wieder Lust, sich feminin anzuziehen." Neue Kundschaft für Edeltraud Breitenberger.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1342259
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.