Ladies & Gentlemen:Hochmut vor dem Fall

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(Foto: N/A)

Die Sohlen werden wieder richtig dick: Diesen Sommer gibt es ein erneutes Comeback der Plateauschuhe - zur Freude unserer Stilexperten.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Ein Balanceakt

Platforms wurden in den letzten Jahren aus Bequemlichkeitsgründen in Flatforms umgewandelt, der Damenschuh also ohne Höhen und Tiefen aufgebockt. Es gibt zur Zeit kaum ein Label, dass den - Achtung Fashionsprech - chunky Penny Loafer nicht im Sortiment hat. Außerdem verfügt gefühlt jede zweite Frau mittlerweile über Chelsea Boots, die mit ihren Autoreifensohlen zum Apokalyptischen tendieren. Zugegeben: die dicke Sohle ist praktisch, weil man so über Dingen steht, zum Beispiel eiskaltem Schnee. Aber das Leben ohne Höhen und Tiefen ist auf Dauer ja ganz schön eintönig. Wie gerufen ist also die echte Plateausohle mit ihrem dumpfen Klock-Klock auf die Laufstege zurückmarschiert und sogar schon bei COS angekommen, wo auch normale Menschen einkaufen. Solche Sandalen oder Pumps im Mary-Jane-Stil wie diese hier vom neuen, auf Kiloschuhwerk spezialisierten Label Nodaleto (über matchesfashion.com) sehen wirklich sehr gut zu Röcken aller Längen aus. Und treiben die Frau hoffentlich endlich aus diesen superschicken, aber ja etwas großväterlich anmutenden weiten Bundfaltenhosen sowie den dazu passenden Sicherheits-Loafern. Jetzt fährt die Omi wieder im Hühnerstall Motorrad, mit einem völlig unvernünftigen Retro-Modell an den Füßen! Hört sich anstrengend an, ist es auch - der Absatz darf aus Gründen der ästhetischen Balance keinesfalls zu niedrig sein. Aber so wird das Leben endlich wieder zum risikoreichen Balanceakt, bei dem hinter jeder Ecke ein Bänderriss lauert. Mann, fühlt sich das lebendig an! Und immer noch bequemer als Stiletto-Klack-Klack.

(Foto: N/A)

Für ihn: Kein Klotz am Bein

Man müsste in die Fotoarchive gehen um korrekt sagen zu können, das wievielte Comeback der Plateausohlen es nun ist, das sich derzeit anbahnt. Die regelmäßigen Versuche in den letzten fünfzig Jahren ändern aber nichts daran, dass Selbsterhöhung via Schuhwerk bei Frauen grundsätzlich akzeptierter ist, High Heels haben das zur gängigen Praxis gemacht. Männer auf Plateausohlen lehnen sich hingegen immer ungleich höher aus dem Fenster und können nicht überall mit Applaus rechnen. Zwar haben uns die vielen Ugly Sneakers der letzten Jahre deutlich gemacht, dass die klobig, aufgebockte Form auch eine ironische "So bad it's good"-Theorie in sich tragen kann. Aber es sind eben auch mutmaßlich Männer, die Autos wie den BMW X6 kaufen - ein aufgebocktes Auto, das sehr unironisch einfach nur die Gelüste nach "höher & trotzdem schneller" bedient. Kurzum: Plump Übersteigertes kann beim Mann schnell komisch wirken. Damit nun hat die neue Generation der Plateauschuhe zum Glück wenig zu tun, es sind keine bulligen Sneakers, sondern wie hier eher distinguierte Loafers, die von den Designern der französischen Edelmarke Adieu auf ein zentimterhohes Fundament verpflanzt wurden. Der Effekt ist interessant - eine klassische Schuhform, die sich sonst durch ihre Leichtigkeit auszeichnet, wird in der Chunky-Version nicht zur Groteske, sondern behält sogar bis zu einem gewissen Grad ihren feinen Charakter bei. Man denkt jedenfalls nicht an Sanitätshaus und Kassenzuzahlung, sondern an Auftritte selbstbewusster Dandys bei Vernissagen oder an die zeitgeitig gewitzte Abrundung eines guten Anzugs. Ein wenig Hoch-Mut könnte sich also in dieser Plateu-Welle vielleicht auch für Männer lohnen.

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