Rechtskolumne: Darf man das?:Kiesgärten anlegen

Rechtskolumne: Darf man das?: Ein Schottergarten mit außergewöhnlichen Pflanzen kann ein Hingucker sein. Wenn Split und Kies dominieren, drohen aber gerichtliche Verbote.

Ein Schottergarten mit außergewöhnlichen Pflanzen kann ein Hingucker sein. Wenn Split und Kies dominieren, drohen aber gerichtliche Verbote.

(Foto: U. J. Alexander/Imago)

Für Liebhaber von Schottergärten wird der Spielraum in Deutschland kleiner. Woran liegt das? Und welcher Kompromiss ist möglich?

Von Joachim Becker

Ist das jetzt Kunst oder muss das weg? Ein Miniaturgarten, der auf kleinstem Raum in strengem Formalismus eine gebirgige Trockenzone nachbildet: Der Ryōan-ji-Zentempel in der Nähe von Kyoto in Japan gehört seit 1994 zum Unesco-Weltkulturerbe. Mit seiner gleichmäßig geharkten Kiesfläche, wenigen Felsen und noch weniger Pflanzen fordert er zur stillen Betrachtung auf. In Japan oder China werden solche naturstilisierenden Haus- oder Klostergärten mit Zwerggewächsen seit vielen Hundert Jahren zelebriert. In Deutschland sind diese nahezu vegetationsfreien Geröllsammlungen als Schottergärten in die Rechtsprechung eingegangen. Die Richter sind sich einig: "Muss rückgebaut werden."

Es geht dabei nicht um Geschmacksfragen, sondern um Bodenversiegelung, Artenvielfalt und Klimaschutz - also um ein Begrünungsgebot, das sämtliche deutschen Landesbauordnungen in vergleichbarer Form enthalten. Steinelemente seien zwar nicht per se ausgeschlossen. Sie müssten im Gesamtbild aber eine untergeordnete Bedeutung haben, entschied kürzlich das Verwaltungsgericht Hannover (Az.: 4 A 1791/21). Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht lehnte Ende Januar den Antrag auf Berufung ab. Demnach können Bauaufsichtsbehörden die Beseitigung verlangen, wenn Schottergärten aus bauordnungsrechtlicher Sicht unzulässig sind.

Beim Garten soll der "grüne Charakter" im Vordergrund stehen

In einem Anhörungsbogen hatte die Stadt Diepholz den Kläger aufgefordert, seinen Garten zu begrünen oder bis zu 50 000 Euro Bußgeld zu zahlen. Diese baurechtliche Verfügung sei rechtens, entschied nun das niedersächsische Oberverwaltungsgericht. In Bremen sieht ein neues Begrünungsgesetz vor, dass bestehende Schottergärten bis spätestens 2026 verschwinden müssen.

"Die Konsequenzen sind weitreichend, da nunmehr ein obergerichtliches Urteil vorliegt. Die Ära des Schotters geht zu Ende", stellt Rechtsanwalt Martin Klimesch fest: "Besitzer von bestehenden Schottergärten können keine Art von Bestandsschutz beanspruchen, weil ihre Gärten zu keinem Zeitpunkt baurechtlich zulässig waren", betont der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht aus München: "Schotter- und Kiesgärten bieten Insekten keine Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme, außerdem verbietet auch die Bayerische Bauordnung eine Bodenversiegelung dort, wo keine Gebäude oder vergleichbare bauliche Anlagen errichtet werden."

Es liege auch nicht im Belieben der Baubehörde, ob sie tätig werde: "Wenn der Behörde ein Schottergarten gemeldet wird, muss sie dessen Beseitigung verfügen", so Klimesch. Das niedersächsische Urteil bezog sich auf einen konkreten Streitfall, bei dem keine Grünfläche im Sinne der Bauordnung mehr gegeben war. Stattdessen handele es sich um Kiesbeete, in die punktuell Koniferen und Sträucher sowie Bodendecker eingepflanzt seien. Das widerspreche der Intention des Gesetzgebers, die "Versteinerung der Stadt" auf das notwendige Ausmaß zu beschränken, so das OVG.

In Asien haben Steingärten eine besondere kulturelle und religiöse Tradition

Das Begrünungsgebot der Landesbauordnungen verlangt eine Anlage des Gartens mit einem "grünen Charakter". Dafür reicht das Setzen einzelner Pflanzen oder Gehölze nicht aus; erforderlich ist vielmehr, dass die Bepflanzung überwiegt. "Wir befinden uns eben nicht in Asien, wo es bei Steingärten eine ganz andere kulturelle und religiöse Tradition gibt", fasst Rechtsanwalt Klimesch zusammen. Deshalb lasse das Begrünungsgebot aber auch begründete Ausnahmen zu: "Bei Anlagen, die ästhetisch an Klostergärten angelehnt sind, könnte Artikel sechs des Grundgesetzes greifen, also die Einstrahlungswirkung des Grundrechts auf Glaubensfreiheit."

Auch gegen einen artenreichen Garten mit Trockenmauern, in dem Steine als Elemente der natürlichen Landschaft genutzt werden, sei nichts einzuwenden. Der Fachanwalt, der sich schon seit Jahren mit der Artenvielfalt und den Nahrungsketten in Wildgärten beschäftigt, begrüßt eine entsprechende Vielfalt von Gartenstilen. Aber mit einem biologisch und ästhetisch wertvollen Steingarten haben die monotonen und pflegeleicht-abwaschbaren "Gärten des Grauens", wie sie der Botaniker und Autor Ulf Soltau nennt und wie sie gerade in deutschen Vororten zu Tausenden vorkommen, ohnehin nichts gemeinsam.

Wenn sich Hausbesitzer auf eine deutsche Gartentradition berufen wollen, die international Anerkennung fand, können sie bei Karl Foerster nachlesen. In seinem Standardwerk "Der Steingarten der sieben Jahreszeiten" schrieb er bereits vor achtzig Jahren: "Wir erleben, wie regelmäßige Gartenpartien nahe am Hause in ihrer Strenge und Pracht mit neuen Pflanzensorten ins Malerische gesteigert werden, und zwar sowohl durch Pracht- und Rankengewächse als auch durch manche Wildnispflanzen, die in regelmäßigen Steinterrassen und Mauern gesetzt wurden." Vielfalt statt gärtnerischer Einfallslosigkeit eben.

Rechtskolumne: Darf man das?: Steine im Garten? Gerne! Der Autor zieht aber naturnahe Trockenmauern dem gefärbten Zierkies vor.

Steine im Garten? Gerne! Der Autor zieht aber naturnahe Trockenmauern dem gefärbten Zierkies vor.

(Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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