Schönheitsideal:Entsafter und Sellerie für die Sehnsucht nach makelloser Haut

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Wir brauchen frische Haut, heißt es heute oft bei den Schauen, aber natürlich ohne Flecken. (Foto: Camera Press/laif)

Haut soll heute nicht nur pickelfrei und haarlos, sondern prall, ebenmäßig und fast leuchtend sein. Photoshop und Snapchat-Effekte sollen sich im echten Leben zeigen. Problem: Man kann kaum tricksen.

Von Tania Messner

Schönheitsideale wandeln sich, wie Moden auch. Wespentaille oder androgyn, Smokey Eyes oder Nude Look - manchmal kann man tricksen, oft aber muss man an sich arbeiten. Als Kate Moss den Magermodel-Look lässig machte, wurde gehungert. Als Michelle Obama muskulöse Oberarme in schulterfreien Kleidern zeigte, griffen viele Frauen zu den Hanteln. Seit Kurzem gilt perfekte Haut als Schönheitsideal. Und zwar nicht nur pickelfrei und haarlos, sondern prall, ebenmäßig und fast leuchtend. Das, was Photoshop-Bearbeitung und Snapchat-Effekte in den vergangenen Jahren an geglätteten Gesichtern produziert und so zur Selbstdarstellungs-Norm gemacht haben, soll auch im echten Leben gezeigt werden.

Auf den Laufstegen ist diese Mode bereits angekommen. "Die Zeit des Spachtelns ist vorbei. Auf den Schauen in Paris und London tragen die Mädchen heute gar keine Foundation mehr", sagt Armin Morbach, einer der wenigen deutschen Make-up-Experten, der international bekannt ist. "Die Designer wollen die Models derzeit möglichst raw und authentisch."

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Was im Beauty-Sprech natürlich keineswegs bedeutet, dass Pickel und Rötungen gern gesehen wären: Die Haut soll vielmehr von innen strahlen. Peter Philips, bei Dior unter dem schönen Namen "Creative and Image Director" für die Schminke bei den Haute-Couture-Schauen verantwortlich, sage zu seinen Visagisten ständig "We need fresh skin!", sagt Morbach.

"Die Designer wollen die Models derzeit möglichst raw und authentisch."

Das Problem an diesem Trend: Man kann kaum tricksen. Die Haut muss tatsächlich gut sein, auch wenn man sie nachher mit Make-up noch glänzender oder praller aussehen lassen kann. Und das bedeutet eben Arbeit. Morbach, der auch das Avantgarde-Beauty-Magazin "Tush" produziert, reinigt seinen Körper und damit auch seine Haut seit einiger Zeit durch puren Selleriesaft, den er jeden Morgen auf nüchternen Magen trinkt. Das schmeckt zwar ein wenig, als würde man Gras kauen, aber "meine Haut ist seitdem sehr viel besser." Nach 28 Tagen wirke die Epidermis rosiger und frischer, so lange brauchen die Zellen des größten Organs, um sich komplett zu erneuern.

Was sich nach einer guten Entwicklung anhört, nach Natürlichkeit und Authentizität, bedeutet also im Badezimmer trotzdem vor allem Stress. Denn wer sein Geld nicht damit verdient, schön zu sein, wer also noch anderes zu tun hat, als morgens um sechs Uhr zwei Stauden Sellerie auszupressen, hat schon ein Problem. Und wer älter ist als dreißig oder gar vierzig Jahre, kommt um Behandlungen bei der Kosmetikerin oder dem Dermatologen nicht herum. Denn selbst mit einem vorbildlichen Beauty-Regime und gesunder Ernährung bekommt man seine Haut in diesem Alter nicht mehr makellos glatt und weich. Raue Stellen an der Stirn oder vergrößerte Poren am Kinn kann nur ein sogenanntes Jet-Peel oder ein Peeling mit Fruchtsäuren entfernen. Kein Wunder, dass diese Behandlungen derzeit einen Boom erleben.

Auch die Beauty-Industrie will natürlich profitieren: Die Kosmetikfirma Babor hat gerade eine neue Pflege ("Doctor Babor Pro") für Kosmetikerinnen entworfen, die, als Kur mit drei bis sechs Behandlungen, die Haut verfeinert und individuell auf den jeweiligen Typ angepasst werden kann. Kosten: etwa 95 Euro pro Sitzung. Auch auf den Modeschauen in Paris kamen die Visagisten gerade nicht ohne entsprechende Produkte aus, auch wenn sie 17-jährige Models noch schöner machen sollten: Sie betonten die Haut mit neuem Hightech-Make-up, wie dem "Les Beiges, Eau de Teint" von Chanel (vom 13. April an in Deutschland erhältlich), einer leichten Teint-Schminke, in der winzige Puderpartikel in einer Wasserphase aufgehängt sind, die erst auf der Haut aufbrechen und mit einem Hauch Farbe auf dem Gesicht so wirken, als sei es ungeschminkt, aber gerade frisch poliert.

Vor allem kommt Schönheit derzeit von innen

Auf Youtube und Instagram, wo solche Trends heute entstehen und von wo aus sie wenig später in die Modezeitschriften schwappen, haben sie so originelle Namen wie: #dewydumplingskin, #koreanglassskin oder #yogaskin. Die Yoga-Haut soll so natürlich wie überhaupt nur möglich wirken, bei der "Dewy-dumpling-skin" soll die Haut feucht perlmuttfarben glänzen wie chinesische Teigtaschen. Bei der "Korean-glass-skin" wirkt der Teint regelrecht transparent. Einfach zu haben ist nichts davon, die koreanische Illusion etwa schminkt man mit dem geschickten Einsatz von Highlighter, einem stark glänzenden Schimmerprodukt, der das Licht so reflektiert, dass die Wangenknochen, ein Teil der Schläfe und der Amorbogen über der Lippe fast gläsern erscheinen. Etwas Übung ist hilfreich, ebenso ein paar anatomische Grundkenntnisse, denn werden die falschen Stellen betont, schminkt man sich eine Fratze. Geübte Instagramer und Youtuber prüfen den Look natürlich mit einem Selfie.

Doch trotz aller Make-up-Tricks: Vor allem kommt Schönheit derzeit von innen. Also erstmal einen Entsafter und Sellerie besorgen - oder notfalls regelmäßige Termine bei der Kosmetikerin vereinbaren. Man kann aber auch einfach einen Trend aussetzen, denn das einzige, was wirklich Bestand hat bei Schönheitsidealen, ist ihr steter Wandel.

© SZ vom 23.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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