Süddeutsche Zeitung

"Schön doof": Retuschierte Stars:Sooo glatt, Photoshop sei Dank

Skandal! Claire Danes faltenfrei, Jennifer Lawrence mit verschlankter Taille: In Modemagazinen begegnet die Leserin einer Welt ohne Pickel, Dellen und Furchen. Wo bitte liegt das Problem? Kommt schon, Leute: Ihr wollt es doch auch. Eine Kolumne.

Von Tanja Rest

Auf dem Titel der britischen Vogue hatten sie im November ein Model, das entfernt an die Schauspielerin Claire Danes erinnerte, und wer sich dann die Mühe machte, drinnen im Kleingedruckten nach dem Namen zu suchen, stellte fest, dass es gar kein Model war, sondern hoppla: Claire Danes.

Genau gesagt, war es Claire Danes ohne alles, was Claire Danes ausmacht, die anstelle eines maskenhaft gefrierenden Covergesichts ja diese wahnsinnige mimische Knautschzone hat und mit erst 34 Jahren schon über zwei klaftertiefe Falten-zwischen-den-Augenbrauen verfügt, die sich jede andere Hollywood-Schauspielerin längst hätte wegspritzen lassen, Danes aber exakt so manisch, angestrengt und todtraurig aussehen lassen, wie ihre Serienfigur innerlich ist. Siehe Montag vergangener Woche, das Ende der "Homeland"-Staffel, phänomenal. Die Vogue hatte all das gekillt, natürlich hatte sie das getan, sonst wäre sie nicht die Vogue.

Dies hier wird nicht noch ein Plädoyer dafür, dass wir in der Klongruppe der Hochglanzmagazine bitte mehr "normale Frauen" sehen wollen. Wer normale Frauen sehen will, soll OK! oder InTouch kaufen und findet sie dort zwar auch nicht, dafür aber die Lieblingsdoppelseite aller sich unperfekt fühlenden Leserinnen (aller Leserinnen), wo man dann die Cellulitis von Scarlett Johansson oder den Wabbelbauch von Cate Blanchett oder die Pickel von Cameron Diaz sehen und sich sagen kann: siehste, ich hab zwar einen Hängearsch und vier Kilo zu viel auf der Hüfte, dafür aber nicht so hässlichen Haarausfall wie Naomi Campbell. (So wie die Männer heute drauf sind, gibt es das in deren Heften sicher auch schon, nur eben mit der Wampe und anderem von Russell Crowe.) Ein Daseinszweck von People-Magazinen jedenfalls ist Trost.

Flucht vor der Realität

Der einzige Daseinszweck von Hochglanzmagazinen ist Flucht. Man kauft die Vogue und ihresgleichen in der berechtigten Annahme, dass man sich dort auf gar keinen Fall selbst begegnen wird, was immer eine Erleichterung ist. Nicht mal Models und Hollywood-Schauspielerinnen begegnen sich dort selbst. Um es mit Jennifer Lawrence zu sagen, die sich in einer Anzeigenkampagne für Dior kürzlich suchte und nicht fand: "Das da sieht überhaupt nicht aus wie ich." Naturally not, Süße! Wo kämen wir da hin?

Auch Kate Moss sieht in der aktuellen Versace-Kampagne nicht aus wie Kate Moss, das können wir bezeugen, weil wir ihr im März auf einer Fashionshow gegenüberstanden und sie für keinen Tag jünger hielten, als sie war. (Die ganze Wahrheit? Sie sah spektakulär abgefuckt aus und war sehr schön dabei. Und: Die Kundin hätte ihr die Versace-Tasche ohne Photoshop wohl nicht abgekauft.)

In der Tat, fiese Welt. Schlupflider werden bearbeitet, Pickel gelöscht, Dellen geglättet, Schenkel verschlankt, Lippen vergrößert, Hintern gestrafft, Falten-zwischen-den-Augenbrauen entfernt, und das Ergebnis wird uns Unbearbeiteten und Verdellten dann so hingerieben. Aber mehrheitlich wollen wir ja auch beschissen werden, warum sonst sähe das Zeitschriftenregal so aus? Flucht, wie gesagt. Gute Sache, ab und zu. Manchmal kommt den Fotografierten im Photoshop die Seele abhanden (Danes), was dann diese begradigte, traurig unbehauste Menschenhülle ergibt. Andererseits ist ein Cover von Natur aus eben dies: eine Oberfläche.

Nette Idee, wenig Erfolg

An dieser Stelle könnte jetzt die PC-Polizei übernehmen und uns nach Zigaretten, Alkohol und dem Aussprechen des Wortes Zigeunerschnitzel auch noch die Flucht in die Makellosigkeit verbieten. Die Brigitte hat genau das mit ihrer "Ohne Models"-Kampagne versucht - eine wackere Idee, die sich allerdings von selbst zerstörte, weil die "normalen Frauen" entweder aussahen wie Models, was die Brigitte-Leserin noch weiter runterzog, oder aber so unbeholfen aus der Wäsche grienten, wie man selbst es täte, geriete man eines Tages in ein Cardigan-Shooting am Strand von St. Peter-Ording. Nun aber zum Anlass dieser Kolumne beziehungsweise zurück zu Jennifer Lawrence.

Im Juli war Lawrence, Oscar-Preisträgerin, Hunger-Games-Heldin, 23, bildschön, auf dem Titel der kanadischen Flare abgebildet. Kein Hahn krähte danach, jetzt sind im Internet die Originalfotos aufgetaucht, flankiert von allgemeinem Gekeife. Wenn man ganz genau hinsieht, ist die Titel-Taille wirklich einen Tick schmaler und die Wangenpartie eine Spur markanter geworden. Das Auffälligste aber ist, dass Lawrence schon auf den Originalen wie ein Fake aussieht, weil sie so perfekt gestylt und ausgeleuchtet wurde, wie es normalen Frauen im richtigen Leben niemals passieren wird. Darum kaufen normale Frauen Flare oder die Vogue.

Die Mode, die Werbung und die Hochglanzmagazine sind verlogener als Hollywood, also die bessere Traumfabrik. Wer ein Problem damit hat, soll die Finger davon lassen und sich die Leute in der Fußgängerzone reinziehen.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2013/vs
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