Süddeutsche Zeitung

Heizen:Schimmel in der Wohnung - was jetzt?

Diesen Winter haben viele weniger geheizt als in den Jahren davor - perfekte Bedingungen für Schimmel. Was Mieter und Eigentümer tun können, um ihn wieder loszuwerden.

Von Berrit Gräber

Der erste Winter mit Energiekrise geht - und der Schimmel blüht. Unzählige Bürger haben es in den vergangenen Monaten mit dem Sparen vielleicht doch etwas übertrieben. Aus Furcht vor hohen Kosten versuchten viele, die Heizkörper maximal zu drosseln. Wurde dann auch noch wenig gelüftet oder falsch - also ausschließlich gekippte Fenster, kein Querlüften -, ist jetzt der Schlamassel perfekt: An Wänden, Decken, Fensterrahmen, hinter Schränken und Rollladenkästen haben sich dunkle Flecken breitgemacht, oft riecht es auch muffig. Etwa jedes zweite Haus in Deutschland hat mittlerweile Feuchtigkeitsprobleme, so die Erfahrungen des Verbands privater Bauherrn (VPB). Mit jeder Teuerungswelle werde die Massenplage schlimmer, "wir haben alle Hände voll zu tun", sagt Schimmelbekämpfer Thomas Jeske aus Bochum. Der Vormarsch der Sporen liege häufig an falschem Wohnverhalten, ist Baubiologin und Gutachterin Edith Messing aus Düsseldorf überzeugt. Klar ist vor allem eines: Der Schimmel muss weg.

Wo kommen die Flecken her?

Statt wie früher Haus und Wohnung gleichmäßig durchzuheizen, haben viele kostenbewusste Bürger in diesem Winter die Raumtemperatur in Schlafzimmer und Bad rigoros bis auf zwölf oder 14 Grad runtergefahren, im Wohnzimmer auf 18. Manche drehten die Heizung tagsüber sogar ganz aus, wenn sie nicht da waren. Falscher Ansatz, überzogenes Sparen ist kontraproduktiv, wie Andreas Garscha betont, Architekt und VPB-Bausachverständiger in Stuttgart. Auf ausgekühlten Wänden schlägt sich unweigerlich die Feuchtigkeit nieder, die beim Wohnen entsteht - durch schwitzen, atmen, duschen, putzen, kochen oder Wäsche trocknen. In einem Vierpersonenhaushalt kommen so täglich circa zwölf Liter Wasser zusammen, die als Wasserdampf in der Luft hängen.

Bleiben dann auch noch die Fenster zu, ist der Sporenbefall kaum zu stoppen. Die Raumluft kann die Feuchtigkeit nicht mehr aufnehmen, es bildet sich Tauwasser an kalten Stellen - ein idealer Nährboden für Schimmelpilze. "Vor allem ungedämmte Altbauten sind betroffen", sagt Garscha. Nach dem Einbau neuer Kunststofffenster steigt die Luftfeuchtigkeit meist zusätzlich an. Was die Pilze zum Sprießen bringt, ist häufig ein Mix aus zu viel Sparsamkeit beim Heizen und falschem Lüften in schlecht gedämmten Häusern. Viele Bewohner müssten sich an die eigene Nase fassen, betont Messing. Bauphysikalische Mängel der Häuser seien oft nicht das Problem.

Darf man bei Schimmelbefall die Miete mindern?

Entdecken Mieter in ihrer Wohnung Schimmelflecken, sollten sie schnell reagieren. Sofort dem Vermieter Bescheid geben und die Problemstellen fotografieren, rät Jutta Hartmann, Sprecherin des Mieterbundes in Berlin. Wer zu lange wartet, riskiert Mietminderungsansprüche. Schimmel gilt rechtlich als Wohnungsmangel. Betroffene können vom Eigentümer die Beseitigung verlangen - wenn sie sicher sind, dass sie selbst alles unternommen haben, um Befall vorzubeugen, wie die Experten von Stiftung Warentest betonen. Bis der Mangel behoben ist, dürfen die Bewohner die Miete kürzen.

Kleine Schimmel­stellen können eine Minderung um fünf Prozent recht­fertigen. Ist eine ganze Neubauwohnung betroffen, kann auch eine Kürzung um 75 Prozent und mehr möglich sein. Mieter von Altbauten ohne Wärmedämmung sollten in Sachen Mietminderung vorsichtig sein. Wie der Bundesgerichtshof klarstellte, müssen sie an Außenwänden mit Schimmel rechnen und durch Heizen, Lüften und Möbel­abrücken gegen­steuern (BGH, Az. VIII ZR 67/18 und VIII ZR 271/17).

Wer rechtlich auf der sicheren Seite sein will, sollte sich von Mieterverein oder Anwalt beraten lassen. Oft landen Streitigkeiten um Schimmelbefall vor Gericht. Dann müssen Sachverständige klären, ob ein Bau- oder Sanierungsmangel oder aber das Wohnverhalten des Mieters die Ursache war. Eigentümer haften in der Regel nur dann, wenn der Schimmel auf den Zustand des Gebäudes, etwa Risse in Wand oder Dach, zurück­zuführen ist - und der Mieter die Schimmel­bildung durch Heizen und Lüften nicht verhindern konnte.

Wie kriegt man die Sporen weg?

Ob es die eigenen vier Wände sind oder die gemietete Bleibe: Mit Schimmel ist nicht zu spaßen. Eingeatmete Mikroben können krank machen und Allergien auslösen. Manche der zigtausend Pilzarten gelten als krebserregend. Schimmel auf kleinen Flächen unter 0,5 Quadratmetern, beispielsweise hinter Schränken oder in Zimmerecken, lassen sich oft noch selbst entfernen, sagt Messing, Sachverständige für Innenraumschadstoffe.

Antischimmelsprays mit Wasser­stoff­per­oxid oder chlorfreie Mittel tun gute Dienste, hat die Stiftung Warentest herausgefunden. Dabei aber unbedingt Handschuhe und Mundschutz tragen. Was bei kleinerem Befall die Sporen ebenfalls recht gut abtötet, ist 80-prozentiger Ethylalkohol aus der Apotheke. Danach gut lüften. Das Putztuch gehört in den Müll. Essigessenz ist nicht geeignet. Nach dem Trocknen bleiben Rück­stände übrig, ein idealer Nähr­boden für neue Pilze. Nur die Wand zu überpinseln, schafft den Schimmel ebenfalls nicht aus der Welt, sagt Messing. Häufig hat sich das Übel in der Tapete festgesetzt.

Größere Schäden sollten rasch analysiert, der Befall sollte getestet werden, rät Hans Weinreuter, Physiker und Energieexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Viele Verbraucherzentralen bieten einen Detail-Check durch Fachleute am jeweiligen Ort an. Die Gebühr liegt bei etwa 30 Euro. Muss ein Fachunternehmen ran, kann es teuer werden, je nachdem, ob nur die Tapete abzulösen ist oder der Putz abgeklopft werden muss, so Garscha. Ist der Mikroben-Befall stark fortgeschritten, können sich die Kosten für die Beseitigung schnell auf 1000 Euro am Tag summieren.

Wie lässt sich eine Wohnung trocken halten?

Jeder sollte seinen Wohnbereich bestmöglich vor Schimmelbildung schützen, betont Messing. "Nicht nur Eigentümer tragen da Verantwortung, auch die Mieter." Zur Eigeninitiative gehöre unter anderem, sorgfältig zu putzen, selbst kleine Wasseransammlungen immer sofort mit Spiritusreiniger wegzuwischen, sodass Sporen in Verbindung mit Staub gar keine Chance kriegen, sich auszubreiten. Möbel sollten niemals direkt an der Wand stehen, Fußleisten niemals abgenommen werden.

Und ganz wichtig: viel lüften. Immer in der Früh, nach dem Baden, Duschen, Kochen oder Im-Zimmer-die-Wäsche-Trocknen die Fenster aufreißen - auch im Winter, auch bei Regenwetter, etwa fünf bis zehn Minuten lang. "Mein Tipp an Vermieter: Geben Sie Ihren Mietern doch eine Anleitung zum richtigen Lüften an die Hand. Und liebe Mieter, beherzigt die Tipps", empfiehlt Messing. "Nach neusten Erkenntnissen hilft folgende Kombi am besten: Mehrmals täglich Stoßlüften plus die Fenster zwei bis drei Stunden auf kontrollierter Kipplüftung lassen", berichtet Weinreuter. Hat eine Wohnung bereits ein Feuchteproblem, sei sie damit nachweislich trocken zu kriegen. Eine ordentlich beheizte, gut gelüftete Wohnung spart zudem Heizkosten.

Warum sollte es zu Hause warm sein?

Auch wenn es paradox klingt: Die Wohnung gleichmäßig durchzuheizen, schont den Geldbeutel. Ständiges Hoch- und Runterregulieren ist am Ende viel teurer. Warme Luft könne mehr Wasser aufnehmen als kalte, betont Garscha. Bürger sollten auch deshalb auf durchgehende Mindesttemperaturen zu Hause achten: In Wohn- und Kinderzimmer sollten es 20 Grad sein, im Bad 21, nachts im Schlafzimmer um die 15 oder 16 Grad.

Selten genutzte Räume dürfen kühler sein. Aber dann müssen die Türen zubleiben. So kann sich die Feuchtigkeit aus der wärmeren Luft anderer Zimmer dort nicht niederschlagen. Der Temperaturunterschied zwischen Räumen darf nicht größer als fünf Grad sein. Mit einem Hygrometer kann die Luftfeuchtigkeit im Haus kontrolliert werden. Sie sollte im Winter etwa zwischen 30 und 45 Prozent liegen. Ist es mehr, steigt die Schimmelgefahr. Dann ist mehr Heizen und Stoßlüften angesagt. Ein digitales Hygrometer ist im Baumarkt für etwa 20 bis 25 Euro zu kriegen. Der nächste Winter kommt bestimmt.

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