Zu Besuch beim Edelfisch-Züchter:Toller Hecht

Die Fische von Nikolai Birnbaum sind bei Spitzenköchen im ganzen Land berühmt für ihre Qualität. Was macht der Züchter aus dem bayerischen Landsberg anders als andere?

Von Laura Kaufmann

Einer der Teiche von Birnbaums Fischzucht hat seitlich große Schaufenster. So kann man die Fische beobachten, als schwämmen sie im Aquarium: zwei prächtige Huchen, die nahe der Oberfläche gegen den Strom schwimmen, eine Forelle mit Leopardenmuster, kleine Futterfische, die durcheinanderwuseln. Nahe dem Grunde zieht ein Stör ruhig seine Bahnen, ein pechschwarzer Riese, der anmutet wie ein fossiler Hai. "Die meisten Leute könnten eher einen Guppy erkennen als einen heimischen Fisch", sagt Nikolai Birnbaum. Die Verglasung war ihm deswegen wichtig.

Forellen und Saiblinge, Huchen, Karpfen, Störe und Äschen verkauft Fischwirtschaftsmeister Nikolai Birnbaum, je nach Jahreszeit auch Egli (Flussbarsch), Zander, Waller und Hechte. An Angler, an die Kunden seines Hofladens und auch an einige der besten Gastronomen des Landes.

Die Fischzucht liegt im oberbayerischen Epfenhausen bei Landsberg am Lech und wird gespeist von einer frischen Quelle, die in eine Reihe von Teichen mündet. Löwenzahn, Gras und knorrige Bäume säumen die Ufer. Wie viele Fische gerade im Wasser schwimmen, weiß Birnbaum nie genau. In den Wochen nach Karfreitag sind es eher weniger, außerdem füllen im Frühjahr die Angler ihre Bestände auf. 35 bis 40 Tonnen Fisch produziert er ihm Jahr. Das weiß er. Der Rest ist nicht so wichtig. Seine Frau ist zufrieden und der Steuerberater auch.

Entsprechend dezent sind die Hinweise auf seine hochkarätigen Kunden. Im Regal des Hofladens steht eine Speisekarte, verfasst in der schwungvollen Schrift von Kochlegende Hans Haas, der dritte Gang: "Eglifilet vom Birnbaum mit Rucolapüree und Krustentiersud". Auf einem Tisch liegt ein Buch von Andi Schweiger, aufgeklappt sind die Seiten, auf denen der Spitzenkoch seine Lieferanten vorstellt. Zwischen seinen Teichen lebe Nikolai Birnbaum, als könne er seinen Fischen nicht nah genug sein, schreibt Schweiger. Meister Birnbaum habe garantiert nicht alle Tassen im Schrank, aber im absolut positiven Sinne.

Das Kundenregister von Nikolai Birnbaum, dem Mann mit dem Spleen, liest sich wie das Reservierungsbuch eines Sternejägers. In den Münchner Restaurants "Tantris" und "Königshof" landen seine Tiere. Bis nach Bergisch Gladbach reisen manche, ins Drei-Sterne-Haus Vendôme. Und auch Dallmayr-Koch Diethard Urbanskys "Karpfenbauch mit Saiblingskaviar und Erdnuss" kommt von Birnbaum. Zwölf Prozent der in Deutschland verspeisten Fische stammen aus hiesigen Zucht- und Fischereibetrieben, etwa 7000 sind es, davon liegen knapp 85 Prozent in Bayern. Es ist also nicht so, dass die Spitzenköche keine Alternative zu Birnbaum hätten. Und da stellt sich natürlich die Frage, warum er so gut ist, was er anders macht. Für eine Antwort wäre er zu bescheiden. Also muss man ihn bei der Arbeit beobachten.

Sein Liebling "hat etwas Mysteriöses"

Man könnte ja meinen, dass einer, der von klein auf von Fischen umgeben war, ihnen gegenüber gleichgültig wird. Birnbaum aber führt durch seine Teichanlage wie ein Junge durch sein Kinderzimmer. Fischt mit dem Kescher Forellen aus den Becken, damit man ihr Muster erkennen kann, sehen, wie sich auf der Haut Punkte ausbilden, fühlen, wie kühl und glitschig sie sind und wie sie zucken, wenn sie sich aus dem Netz zurück ins Becken winden. Birnbaum erklärt mit Begeisterung und Ehrfurcht. Dass Fische unterschiedlich schnell wachsen etwa, was sich gut trifft, wenn man an Gastronomen verkauft. So sind immer 300-Gramm-Filets lieferbar.

Der Meister scheint auf natürliche Art mit seiner Arbeitskluft verwachsen zu sein, in Öl-Hose und Gummistiefeln steht er vor der Scheibe zum Teich. Die zwei Huchen dahinter sind Zuchttiere. Stehen sie eng zusammen, wollen sie laichen, dann muss er sofort reagieren. Bis dahin müssen sie ständig beobachtet werden. "Beim Huchen kämpft man um jedes Ei", sagt Birnbaum. Die Zucht ist schwer, dazu waren die letzten Chargen nicht so ergiebig. Vielleicht liege es am Huchensperma. 40 Euro kostet ein Kilo Huchen. Es ist Birnbaums teuerster Fisch. Das Tier frisst zehn Kilo, um eins zuzulegen. Das Futter darf sich der Raubfisch hier selbst jagen.

In der Teichmitte steht ein Hecht im Wasser, bewegt leicht die Flossen, ohne sich nur einen Millimeter zu rühren. "Mein Lieblingsfisch", sagt der Meister. "Er hat etwas Mysteriöses." Birnbaum deutet auf die Rückenflosse, die nah am Schwanz sitzt. Er schwärmt davon, wie blitzschnell der Hecht damit aus dem Stand beschleunigt.

"Man muss für den Beruf geboren sein", sagt Nikolai Birnbaum. Er ist jetzt 46. Doch er wusste von Anfang an, dass er unter den drei Söhnen im Haus derjenige war, der dafür geboren war. Der wie der Vater in jede Pfütze sprang, um nach Kaulquappen zu fischen. Der Vater, Karl-Heinz Birnbaum, ein Kriegsflüchtling aus Stettin, pachtete die Teiche, die der Sohn 1996 übernahm. Vor zwei Jahren ist der Vater gestorben. Die Fischzucht hatte er gemacht, so lange er konnte. 60 Jahre lang. Der Sohn hat sie weiter ausgebaut. Ist zum Dallmayr reingelaufen, unten in den Feinkostladen, ein paar Proben im Gepäck. In der Gastronomie herrscht ein reger Wechsel und Austausch, mit den Köchen wanderten seine Fische von einer Sterneküche in die nächste.

Aufgewachsen ist Birnbaum im nahen Kaufering, doch bald zog er zu seiner Fischzucht, ließ sich ein Haus direkt an seine Karpfenteiche bauen. Die Terrasse auf Stelzen über dem Wasser. Eine Rutsche führt direkt in einen Teich. "Für die Kinder" sei die, sagt er, aber es klingt, als wäre er auch selbst nicht abgeneigt. Zwei Jungs und ein Mädchen hat er. Lea, seine Älteste, fischte schon als Kind nach Kaulquappen.

Worauf man beim Fischkauf achten sollte

Nun geht es an die Quellbecken. Hier hinein kommen die Fische zwei Tage, bevor sie geschlachtet werden. So verschwindet jeder Hauch von Alge, der den Geschmack trüben könnte, aus ihrem System. Etwas, das Spitzenköche hervorheben, wenn sie die Qualität von Birnbaums Fischen loben. Im Quellwasser hat Birnbaum gerade einen Saibling gesehen, knallroter Bauch, die Flossen, die silbernen Schuppen so gleichmäßig weiß gepunktet, ein wunderschöner Fisch. "Einer von tausend sieht so aus", sagt er. Er liebt seine Fische, das muss er nicht sagen, das sieht man.

Doch das Schlachten gehört zum Beruf. Manchmal aber, wie heute, entdeckt er ein besonders schönes Tier, das begnadigt er für die Zucht. "Ich glaube nicht, dass ich ein besserer Fischzüchter bin als andere", sagt der Fischwirtschaftsmeister. "Aber was andere nicht machen, ist so ins Detail zu gehen." Wenn zehn Saiblinge bestellt sind, gehen andere mit dem Kescher ins Becken und holen zehn raus. Birnbaum nicht. Um die Laichzeit etwa ist die Fleischqualität der Salmoniden nicht so gut; dann verkauft er nur solche, die ihr Geschlecht noch nicht ausgebildet haben. Feinheiten.

"Meine Fische sind nicht besser", glaubt er. "Aber ich weiß, welchen ich wann verkaufen kann, und wohin." Und es ist, neben der artgerechten Haltung und Fütterung, genau diese Kenntnis, diese Detailverliebtheit, die ihn dann einen Tick besser macht.

Birnbaums Hobby: Angeln

Wenn er Mitte der Woche ein Lokal beliefert, ist ein Teil der Fische schon am Montag geschlachtet, der Rest am Mittwoch. Am besten verarbeiten lassen sich die Tiere nämlich, wenn sich die Totenstarre gerade wieder löst. "Zu frisch sind sie nicht zu bändigen, biegen sich noch in der Pfanne. Sobald die Temperatur nur minimal zu hoch ist, stockt das Eiweiß. Das wird dann von der Konsistenz her nicht schön."

Die Köche, seine Hauptkunden, sie sind Künstler für ihn. Die Angler, die zusammen mit dem Hofladen das zweite Standbein ausmachen sind die Naturburschen, um Artenerhalt bemüht.

Das Angeln ist auch Birnbaums Hobby. Einmal im Jahr fährt er mit Freunden nach Spanien, Angelurlaub. Die Sonntage gehören der Familie, seine Frau hat da ein striktes Angelverbot ausgesprochen, aber jeden Donnerstag ist er spätestens um fünf Uhr früh mit dem Boot auf dem Lech. Er war schon als Kind am liebsten am Wasser. Ein Fischzüchter, der sich vor einer Zehn-Stunden-Schicht beim Angeln erholt.

Qualitäts-Check

Wie erkennt man beim Kauf, ob ein Fisch von guter Qualität ist?

- Der Fisch sollte glänzen und eine einigermaßen intakte Schleimhaut haben. Stark schleimige oder gar klebrige Haut ist kein gutes Zeichen.

- Die Kiemen hinterm Kiemendeckel sollten rot sein. Frisch sind sie knallrot, rosa ist noch in Ordnung. Gelblich oder gräulich nicht mehr.

- Die Augen sollten leicht hervorstehen und nicht eingefallen sein.

- Drückt man den Finger in den Fisch, muss die so entstehende Delle im Fleisch schnell verschwinden.

- Dass Fisch, der nach Fisch riecht, nicht mehr gut ist, stimmt so pauschal nicht. Ein Seefisch etwa hat immer leichten Eigengeruch, der darf allerdings nicht unangenehm sein.

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