Samstagsküche:Schweineglück

Eichel-Mast im Waldgehege und fünf Jahre Reifezeit: Warum ein geduldiger Katalane den teuersten Schinken der Welt anbietet.

Von Thomas Urban

Nach diesem Lob wusste Eduardo Donato, dass er mit seinem Schinken auf dem richtigen Weg war: "Das ist ja göttlich!", entfuhr es Bigas Luna bei einer Expertenverköstigung. Dann nahm er noch eine dünne Scheibe, lächelte selig und schwieg. Das war vor vier Jahren. Luna hat 1992 den Kultfilm "Jamón, jamón" (Schinken, Schinken) gedreht, eine deftige Komödie, bei der drei Männer um die damals noch sehr junge Penélope Cruz buhlen. Auch hat Lunas sich den Ruf erworben, einer der besten Kenner des Jamón ibérico zu sein, des Qualitätsschinkens vom iberischen Schwein, das frei in eingezäunten Wäldern herumläuft und sich vor allem von Eicheln ernährt. Nach dem Lob von einem solchen Mann wusste Donato also, dass er es wagen kann, für seinen Schinken mehr als jeder andere Produzent auf der ganzen Welt zu verlangen: 500 Euro pro Kilo, für eine gute Schinkenkeule fallen also Preise von mehr als 4000 Euro an.

Die Schweinerasse, die Donato für seinen Schinken züchtet, galt eigentlich als ausgestorben

Dafür bietet Donato aber auch ein einzigartiges Produkt. Seit zwei Jahrzehnten widmet er sich nämlich der Rettung einer fast ausgestorbenen Rasse, des gefleckten andalusischen Schweins. Er ist damit in der Umgebung des Städtchens Jabugo, einer der Hochburgen des Ibérico-Schinkens, ein Solitär. Dort setzen fast alle Züchter auf Pata negra, die Schwarzhufer. Diese Schweine kennzeichnen eine dunkelbraune Haut und schwarze Klauen. Doch Pata negra ist immer mehr zur Massenware geworden, drei Millionen Schinkenkeulen reifen jährlich in der bergigen Region, die die Nordwestecke Andalusiens sowie den Südrand der rauen Region Extremadura umfasst. Sie hängen in fast jeder Bar im ganzen Land, auch gehen immer mehr in die USA, nach Japan und China. Zum Schutz des Konsumenten haben die spanischen Behörden Qualitätsstufen und amtliche Siegel eingeführt, ähnlich wie beim Wein.

Auch die Schweine und Schinken Eduardo Donatos unterliegen diesem System. Lebensmittelchemiker der Universität Córdoba überprüfen sie immer wieder. In allen Kategorien, darunter Geschmack, Aroma, Fettgehalt, Festigkeit, bekamen sie eine der beiden Höchstnoten "exzellent" und "sehr gut". Besser schneidet kein anderer Produzent ab.

Der 67-Jährige, der durchtrainiert ist und viel jünger aussieht, bewohnt mit seiner Frau eine Finca mitten im Wald, fünf Kilometer von der nächsten Asphaltstraße entfernt. Kein Hinweisschild weist den Weg, mal geht es steil bergauf, mal bergab. Von Donatos Terrasse überblickt man das ganze dicht bewaldete Tal, der Hausherr schneidet gerade ein gepökeltes Lendenstück an. Binnen Kürze strömt ein kräftiger Aprikosenduft mit einer Mandelnote über den Tisch. "Das Geheimnis unseres Schinkens?" Donato lacht und zeigt mit dem Arm über das Tal. "Hier liegt es. Es ist die reine Natur!"

Es ist sein Land, 700 Hektar. Vor einem Vierteljahrhundert hat er es erworben, "zu einem lächerlich niedrigen Preis". Donato ist Katalane, aus dem Nordosten des Landes zog er also in den Südwesten. In der Industrie- und Touristenstadt Tarragona renovierte er früher Altbauten aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, es war eine sehr gut bezahlte, aber überaus schwierige und auch körperlich schwere Arbeit. So wurde er vermögend, dachte aber immer öfter an den Ausstieg. Zwei Jahre lang reiste er kreuz und quer nach Spanien auf der Suche nach dem idealen Ort dafür. Er fand ihn in den Wäldern ein paar Kilometer westlich von Jabugo. In dem kleinen Tal herrscht ein überaus mildes Mikroklima: Ein Bergrücken hält den rauen Nordwind ab. So gedeihen in dem biodynamischen Garten auf dem Südhang seines Besitzes Avocados, Granatäpfel, Mandarinen und Zuckerrohr.

Die Finca war heruntergekommen, sie hatte keinen Strom, das Wasser schaffte der Vorbesitzer auf dem Esel in schweren Krügen heran. Donato legte Wege im Wald an, über die er nun mit seinem alten flaschengrünen Geländewagen fährt. Er verlegte Wasserrohre von der Bergquelle auf seinem Grund zum Haus, ließ eine Stromleitung vom nächsten Ort ziehen, die Kabel eingraben; hinzu kamen Solarpaneele.

In dieser Zeit hörte er erstmals vom gefleckten Schwein, er las sich durch alte Bücher über die Landwirtschaft der Region. Die Rasse ist das Ergebnis einer Kreuzung zwischen einem aus England herbeigeschafften rosafarbenen Zuchteber und einer einheimischen dunkelbraunen Sau vor mehr als 200 Jahren. Damals kamen immer mehr englische Unternehmer und kauften in Westandalusien, der Heimat des Sherry, Weinkellereien auf und weiteten die Produktion aus. Auch die Schinken sagten ihnen zu, aber sie wollten größere. So kam der große englische Eber ins Land.

Samstagsküche: Der Schinken von Eduardo Donato kostet mehr als 4000 Euro pro Keule. Pro Jahr produziert er nur 80 bis 100 Stück. Die Delikatesse verkauft der 67-Jährige direkt an Sternerestaurants in der ganzen Welt.

Der Schinken von Eduardo Donato kostet mehr als 4000 Euro pro Keule. Pro Jahr produziert er nur 80 bis 100 Stück. Die Delikatesse verkauft der 67-Jährige direkt an Sternerestaurants in der ganzen Welt.

(Foto: M. Donato)

Die Rasse aber starb fast aus, als vor rund einem halben Jahrzehnt die groß angelegte Vermarktung der Ibérico-Schinken begann. Denn sie hat rosa Klauen, wie die gewöhnlichen Schweine aus der Massentierhaltung. Der Markt aber verlangte nach schwarzen Klauen, pata negra.

Doch Donato las in den alten Büchern Wundersachen über den köstlichen Geschmack des Schinkens der gefleckten Schweine. Also machte er sich auf die Suche. Er fand, über die ganze Region verstreut, mehr als vier Dutzend Tiere, die sich meist arme Kleinbauern für den Privatkonsum hielten. Er ging das Wagnis ein und kaufte eine kleine Herde zusammen.

Und er begeisterte Biologen von der Universität Córdoba für das Projekt, sie erstellten mithilfe von Haarproben DNA-Profile. Donato teilte seine Schweine in vier Herden auf, deren Weidegebiete durch Zäune getrennt sind. Er bringt nur Eber mit Sauen zusammen, die gar nicht oder nur weitläufig miteinander verwandt sind. Bei den Schweinen darf nur das Alphatier an die Sauen ran, die Eber kämpfen ihren Rang aus. Donato schleift ihnen deshalb zweimal im Jahr die Hauer ab. "Sie würden sich sonst schlimmste Wunden zufügen, der Verlierer würde verbluten." So kommt der Verlierer mit ein paar Schrammen davon - wird aber von den Sauen ferngehalten.

Derzeit hält er etwa 90 Tiere. Jede Geburt, jede Schlachtung meldet er dem amtlichen Rasseregister, die Ferkel bekommen einen Chip mit allen Daten. Künstliche Besamung, Hormone, Impfstoffe, chemische Medikamente sind bei ihm tabu. Wenn ein Tier krank wird oder eine Wunde hat, so hilft meist eine Paste aus Eichelpulver und Olivenöl. Auch stabilisiert das Herumwälzen in Schlammlöchern aus Tonerde das Immunsystem. Das einzige Problem war bislang, dass Füchse in einen Stall mit frisch geworfenen Ferkeln einbrechen und sich eines von ihnen holen, wenn die Muttersau gerade die anderen säugt.

Der Schinken der Schweine hat seine besondere Note, weil sie sich nicht einseitig ernähren. Besondere Akzente setzen die Oliven. Ein Hain mit mehr als 100 Jahre alten Bäumen nimmt einen Teil der Berghänge ein. Hinzu kommen neben drei Eichelarten Mandeln, Walnüsse und Haselnüsse, die süßen roten Früchte des Erdbeerbaums sowie Dutzende Kräuterarten. Im Winter werden Körner und Haferflocken zugefüttert, alles aus streng kontrolliertem biologischen Anbau.

Gerade einmal 90 Tiere hat die Herde. Die Warteliste für das Fleisch ist lang

Nur eines dürfen die Schweine nicht: nach Wurzeln graben. "Sie würden ja ihr eigenes Biotop zerstören", erklärt Donato. Aus diesem Grunde werden ihnen Eisenringe auf der Oberseite der Nase angepasst. Wenn sie damit im Erdreich fühlen, tut es weh. Diesen kleinen Kniff haben ihm seine beiden ein paar Kilometer entfernt wohnenden Nachbarn beigebracht, die beide noch mit über 90 Jahren ihre Wald-Fincas bewirtschafteten. Die örtlichen Züchter hätten ihm viele Tipps gegeben, er kommt ihnen ja geschäftlich nicht in die Quere.

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Denn die gefleckten Schweine erfordern extremen Einsatz, bis sie Geld einbringen. "Wir Katalanen sind hartnäckig", sagt Donato. Das Leben der meisten Schweine aus der Region Jabugo endet mit rund 14 Monaten. Dann werden die Schinken gepökelt, in einer Abfolge von Salzbädern und Trockenkammer. Bei Donato indes werden die Schweine drei oder vier Jahre alt. Ihr Fleisch wächst langsamer, vor allem aber ist es muskulös: Er hat einen Test mit mehreren Tieren gemacht, sie laufen im Durchschnitt 14 Kilometer am Tag, fast immer bergauf oder bergab. "Bis zu ihrem letzten Tag im Schlachthaus haben sie ein glückliches Schweineleben", meint Donato.

Die Schinken reifen dann noch einmal vier bis fünf Jahre, doppelt so lange wie bei der Masse. Die Konzentration der Salzlauge, die Temperaturwechsel beim Abhängen aber sind Betriebsgeheimnis. Das Magerfleisch ist dunkelrot und glänzend, der Fettrand, der beim Pata negra blassgelb ist, dagegen leuchtend weiß. Im Jahr produziert seine "Dehesa Maladúa" nur 80 bis 100 Schinken, dehesa bedeutet schlicht Weide. Die Schinken gehen aber nicht zu Zwischenhändlern, Donato verkauft direkt an die Endabnehmer, für die er längst eine Warteliste aufgemacht hat: Sternerestaurants in Spanien, Belgien, der Schweiz, in Hongkong. Ein kleiner Gourmetladen in Berlin-Kreuzberg namens "Gusto artesano" ist bislang der einzige deutsche Anbieter. Das könnte sich ändern, wenn Donato erstmals im Februar 2016 an der "Biofach", der Fachmesse für Biolebensmittel, in Nürnberg teilnimmt. Bislang hat er keinen einzigen Cent für Werbung ausgegeben, wieso auch, er ist eh schnell ausverkauft.

Früher war er einmal der Überzeugung, dass Fleischgenuss eine der Ursachen für seine damalige innere Unruhe war. So wurde er Vegetarier. Doch inzwischen ist Donato zu der Erkenntnis gelangt, dass dies an den chemischen Substanzen in fast allen Nahrungsmitteln lag. Er liest Bücher über Anthroposophie, hat sich ein großes Wissen über Homöopathie erworben, hört viel klassische Musik. Einmal im Jahr nimmt er sich 14 Tage, um einen Abschnitt des Jakobswegs zu gehen, jedes Mal eine andere Strecke. Er sagt, er fühle sich nicht nur "stark wie ein Stier", sondern auch innerlich sehr ausgeglichen, obwohl er wieder Fleisch isst, Schwein aus eigener Produktion.

Doch den Kult um den Schinken, der die Volksfeste der ganzen Region prägt, macht er nicht mit. Auch der Kultfilm "Jamón, jamón" von Bigas Luna setzt sich damit ironisch auseinander. Am Schluss schlagen sich zwei der Rivalen um die Gunst der schönen Penélope Cruz mit Schinkenkeulen. Die aber lässt sich vom dritten trösten.

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