Samstagsküche:"Kaum ein Gebäck kann den Bäcker so zum Heulen bringen"

Lesezeit: 4 min

(Foto: Sorin Morar)

Hübsch und bunt und frühlingshaft - dem Boom um die zuckersüßen, pastellfarbenen Macarons geht die Luft nie aus. Dem Baiser dagegen leider schon.

Von Laura Hertreiter

Schon als sie sich die roten Schürzen umbinden ist klar, dass die Gescheiterten auch diesmal scheitern werden. "Das perfekte Macaron dauert drei Tage", sagt Kursleiterin Daniela Sepp, dunkles Haar, Jeans und Kochjacke. "Wir haben drei Stunden." Drei Stunden, in denen sie Freizeitbäckern im Zeitraffer zeigen wird, wie sie es nach vielen Fehlversuchen zu Hause doch schaffen können, dass das bunte Baisergebäck fluffig wird. Zart und lecker. Und vor allem: hübsch.

Denn, machen wir uns nichts vor, Macarons sind weniger das Gebäck der Stunde, weil das Mandelbaiser im Idealfall zart auf der Zunge zergeht, und sich der Geschmack der Füllung sanft entfaltet. Sie sind es hauptsächlich wegen ihrer zuckersüßen, kantenlosen Pastellästhetik. Muffins, selbst Cake-Pops, sehen einfach plump aus daneben. Und so kommt kaum eine Frauen-, Wohn- oder Kochzeitschrift in den Frühlingsausgaben ohne große Bilder der fröhlichen Doppelkekse aus. Auch diese Zeitungsseite nicht.

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Wo Verzweiflung ganze Onlineforen in Aufruhr versetzt

In den vergangenen Jahren haben in jeder großen deutschen Stadt duftende Manufakturen eröffnet, die Macarons mit filigranen Verzierungen in Klarsicht-Schmuckschachteln verkaufen, Quengelware für Erwachsene. Die Sorten- und Geschmacksvielfalt ist von "Kostbarem Olivenöl mit Tahiti-Vanille" bis hin zu "Marshmallow-Meersalz" explodiert. In Buchläden breiten sich großbebilderte Macaron-Rezeptbücher aus wie Hefeteig. Und das Baiser-Leben könnte eine einzige bunte Herrlichkeit sein. Wenn da nicht - die vielen Katastrophen-Backberichte im Netz wären, wo Verzweiflung ganze Onlineforen in Aufruhr versetzt: Wie zur Hölle wird der verdammte Macaron glatt, ebenmäßig, formschön, farbecht? Was tun gegen das Zerrinnen, Zerbröseln, Zusammenfallen und Verkleben?

Expertin Daniela Sepp kennt jedes dieser Probleme. "Kaum ein Gebäck kann den Bäcker so zum Wüten und Heulen bringen", sagt sie. Der Teig sei so empfindlich, dass schwankende Luftfeuchtigkeit oder sogar ein heraufziehendes Gewitter ganze Chargen zerstören können. Vor einigen Jahren, als in Deutschland noch keiner wusste, was der "Quatsch mit den bunten Mini-Burgern soll", kostete Daniela Sepp ihr erstes Macaron in der Heimat des Gebäcks, in Frankreich. "Ein Traum, wie eine Wolke, so etwas hatte ich nie zuvor gegessen."

Vor drei Jahren begann sie, selbst Macarons in ihrer Münchner Boutique Principessa's zu verkaufen. Zwischen zwölf und 15 Stunden am Tag rührt und backt und füllt und dekoriert sie, gelernt hat sie das in einer Pâtissier-Ausbildung in Frankreich. Heute beliefert sie auch Feinkost Käfer, in ihrer Vitrine liegen knapp dreißig Geschmacksrichtungen, in den Farben Himbeerrosa, Pistaziengrün, Zitronengelb, mit winzigen Verzierungen, einen Euro achtzig das Stück. Auch sie hat ein Rezeptbuch geschrieben. Und abends hilft sie Verzweifelten in ihrer Backstube, Macarons zu backen, die eben nur mit sehr viel Geduld so pastellpittoresk werden, dass man ein Foto davon instagrammen möchte.

"Drei Tage", wiederholt sie eindringlich bei ihrem Münchner Workshop vor sechs Schülern, "mindestens". An Tag eins backt man die Kekse, auch Schalen genannt, und rührt die Füllung an. An Tag zwei füllt man die Schalen und lässt die Macarons offen im Kühlschrank reifen. An Tag drei folgt die Deko. Der fertige Keks hält gekühlt etwa sieben Tage lang.

Während die Backschüler extrafeines Mandelmehl mit Puderzucker mischen, erklärt Daniela Sepp, dass die Liebe zum Macaron nicht nur mit jedem Hochglanzbild in Deko-Magazinen wächst, sondern auch mit der Glutenskepsis. "Der Teig besteht aus Mandeln, Puderzucker und Ei. Das können auch alle essen, die auf Gluten verzichten wollen oder müssen."

Damit die Konsistenz später stimmt, werden Mehl und Puderzucker mit der Macaronage-Technik mit einer glänzenden Mischung aus geschlagenem Eiweiß, Zitronensaft, Salz und natürlicher Lebensmittelfarbe vermengt. Mit einem weichen Plastik-Teigschaber wird die Masse dabei so lang vom Rand der Schüssel zur Mitte gedrückt, bis alle Luftbläschen verschwunden sind. Das dauert, die Schüler wechseln sich mit schmerzenden Handgelenken ab. "Der Teig muss wie ein Band fließen", sagt Daniela Sepp, recht unerbittlich, "nicht zu fest oder flüssig."

Die perfekte Form

Erst dann gibt sie ihn in einen Spritzbeutel und setzt Kleckse auf ein Backblech. Das Blech nimmt sie anschließend von der Anrichte und klopft minutenlang mit dem Handballen von unten dagegen. "Das ist das Geheimnis, damit die Schalen später die perfekte Form bekommen." Die perfekte Form ist, von oben gesehen, natürlich ein ebenmäßiger Kreis. Von der Seite aber geht es um mehr: Um die gleichmäßig zentrierte Wölbung und das, was Experten das Füßchen nennen, den rauen Rand an der Unterkante, wo der Teig später auf die Füllung trifft. In der Übungsküche wird also donnernd geklopft. Bevor die Bleche im Ofen landen, empfiehlt Daniela Sepp eigentlich, den Teig bis zu zwei Stunden bei Zimmertemperatur antrocknen zu lassen. "Bis er beim Andrücken mit dem Finger leichte Dellen bildet." Aber Kurs ist Kurs und die Zeit knapp, also verschwinden die Kleckse sofort im Rohr. "Die Temperatur hängt total vom Ofen ab, weil der Teig so empfindlich ist", sagt Daniela Sepp. Bei ihr sind es 15 Minuten bei 140 Grad.

Unterdessen werden die Füllungen angerührt. Kokos-Vanille, Marzipan-Feige, Zartbitterschokolade. Für die Bindung kommen Honig oder kalte Butter dazu. "Füllen kann man mit allem, was vorstellbar ist", erklärt die Kursleiterin. Die fertige Füllung verleiht dem Macaron seinen Geschmack. Der Keks selbst schmeckt immer gleich, egal, mit welcher Lebensmittelfarbe er koloriert wurde. "Dass Pistazien-Macarons grün sind und Himbeere pink, ist mehr eine psychologische Sache", sagt Sepp. "Die Farbe unterstreicht nur gefühlt den Geschmack."

Ein ewiges Versprechen

Die Füllung wird mit einer Spritztülle großzügig auf eine fertige Keksschale gesetzt. Eine zweite Schale mit einer vorsichtigen Drehbewegung daraufgesetzt. Dann wird verziert. Mit Zuckerfarbe, Blattgold, Marzipan, Liebesperlen, Schokolade oder Zitronenzucker. Nach drei Stunden, die eigentlich drei Tage hätten sein sollen, leuchten die Wangen der Backschüler so rot wie ihre Schürzen. "Wenn ihr das alles mit viel Zeit zum Ruhenlassen macht, wird das Ergebnis wunderschön", sagt Daniela Sepp.

Die Theorie, sie sitzt also. Und die Praxis? Sie liegt, flach, ermattet und nicht ganz formvollendet auf der Anrichte. Aber sie leuchtet immerhin verheißungsvoll in den schönsten Frühlingsfarben. Wer will da von Scheitern reden? Das selbstgemachte Macaron, er ist eher wie ein ewiges Versprechen: Ganz sicher, die Zukunft wird köstlich - bunt und  hübsch.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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