Samstagsküche:Malakeh Jazmatis Gerichte bringen die Heimat zurück

Samstagsküche: Im syrischen Fernsehen war Malakeh Jazmati als "Die Kochkönigin" bekannt. Nach der Flucht nach Deutschland möchte sie mit ihrem Mann einen Cateringservice aufbauen.

Im syrischen Fernsehen war Malakeh Jazmati als "Die Kochkönigin" bekannt. Nach der Flucht nach Deutschland möchte sie mit ihrem Mann einen Cateringservice aufbauen.

(Foto: Kiên Hoàng Lê)

Für die syrische Fernsehköchin ist Essen zubereiten ein Akt der Erinnerung. Zu Hause nannte man sie "die Kochkönigin".

Von Verena Mayer

Was die Fernsehköchin Malakeh Jazmati aus dem Krieg retten konnte, passt in ein kleines Glas. Braunes Pulver ist darin, die arabische Gewürzmischung Baharat, gemacht aus Paprika, Koriander, Nelken, Kreuzkümmel, Kardamom, Muskatnuss, Zimt und Pfeffer. Immer wieder öffnet Jazmati den Deckel, einfach so. Lässt den Duft aufsteigen, schnuppert daran. Und für einen Moment ist alles wieder da. Die Familie, die Heimat, die schönen Erinnerungen.

Nüsse, Petersilie, Bulgur und Granatapfelkerne

Jazmati wuselt durch die Küche ihrer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Neukölln. Es ist ein klarer Dezembermorgen, und die 27-Jährige - dunkler Pulli, rotes Kopftuch - macht das, was sie am besten kann: kochen. Sie stellt Schälchen mit Nüssen, Petersilie, Bulgur und Granatapfelkernen auf den Tisch. Formt mit schnellen Bewegungen Teig aus Rindfleisch und Bulgur zu kleinen Taschen, um daraus Kibbeh zu machen, die gefüllten Klöße, die es bei ihr immer an den Festtagen gibt.

Die Geschichte der syrischen Fernsehköchin ist nur eine von vielen, die das Jahr 2015 mit sich gebracht hat. Ein auf den ersten Blick typisches Flüchtlingsschicksal einer jungen Frau, die sich erst nach Jordanien und dann nach Deutschland durchschlug, wo sie einmal mehr von null anfangen muss. Und doch erzählt diese Geschichte noch etwas anderes. Vom Glück, das im Kochen, Essen, im Zubereiten und Schmecken liegen kann. Von einem Lebenssinn, der überall funktioniert. Der einem bleibt, wenn man alles zurücklassen musste.

Die Kochkönigin

Jazmati nimmt ihr Glas und streut ein wenig Gewürzmischung auf das angebratene Hackfleisch. Sie vermischt es mit Granatapfelkernen und Nüssen und stopft es vorsichtig in die Klöße. Jazmati wirkt konzentriert, aber man merkt, dass sie es gewohnt ist, vor Publikum zu stehen. Auf einem Laptop läuft ein Clip ihrer früheren TV-Show. Sie hieß "Die Kochkönigin", man sieht Jazmati, wie sie mit bekannten Sängerinnen oder Schauspielerinnen am Herd steht, Essen zubereitet und plaudert. Zu der Sendung kam sie auf der Flucht. In Jordanien wurde sie gefragt, ob sie für einen syrischen Anti-Assad-Kanal eine Kochshow gestalten will. Kochen als Akt des Widerstands.

Jazmati spricht viel und auf Englisch, zwei Worte kann sie schon auf Deutsch, "Essen" und "Pfeffer". Essen, sagt Jazmati, das heiße immer auch Erzählen. Denn zu jedem Essen gibt es eine Geschichte. Zum Joghurt etwa, der am Opferfest, dem höchsten islamischen Feiertag, zum Fleisch gereicht wird. Man nutzt den Joghurt dafür, weil er weiß ist, die Farbe der Reinheit. "Und rein will man nach dem Fest ins neue Jahr gehen", sagt Jazmati. Und erst die Namen in der syrischen Küche, die im Nahen Osten als ähnlich raffiniert gilt wie die französische in Europa. Da gibt es Gerichte, die "reiche Frau" oder "Soldat und König" heißen. Oder auch "Großmutter, beeil dich!"

Rezepte für die Feiertage

Die Familie. Sie ist in alle Richtungen verstreut, nur ihr Mann ist ihr geblieben. Er steht die ganze Zeit neben Jazmati, guckt in die Töpfe, schmeckt Linsensuppe ab oder sucht auf dem Laptop Rezepte zusammen. Muhammad al-Ghamian, Kapuzenpulli, Pferdeschwanz, ist eigentlich Informatiker, in Berlin will er zusammen mit seiner Frau einen Catering-Service aufziehen. Ein paar Aufträge hatten sie schon, kleine Abendessen, ein syrisches Fest. Die beiden wären gern in Damaskus geblieben, in dem gemischten Viertel, in dem sie mit vielen Christen zusammengewohnt haben, auch Jazmatis Großeltern waren christlich. Doch Muhammads Familie ist gegen Assad, Verwandte wurden schon verhaftet, ein Cousin zu Tode gefoltert. Das Ehepaar beschloss, die Stadt zu verlassen.

Al-Ghamian redet über den Krieg, über Assads Fassbomben, die in den Vororten von Damaskus niedergingen. Oft genau dann, wenn sich im Ramadan die Familien zum Fastenbrechen zusammensetzten. Als sollten die Bomben noch das Letzte auslöschen, das Menschen im Krieg zusammenhalten kann, das gemeinsame Essen. Jazmati streichelt ihre Teigtaschen jetzt fast. Essen zu machen, das sei eines der wenigen Dinge, die sie an etwas anderes denken lassen, sagt sie. An das Geräusch, das der Mörserstößel beim Stampfen des Kibbeh-Teiges machte. Wenn es zu hören war, etwa an Weihnachten bei den Nachbarn, kamen gleich alle im Viertel zusammen und sagten: Moment mal, ihr macht hier Kibbeh, warum sind wir nicht eingeladen? Al-Ghamian nickt. Essen bedeute so viel, sagt er. "Sobald ich mit jemandem zusammen esse, ist er mein Bruder für immer."

Süß und bitter

In Berlin-Neukölln füllt sich jetzt die Küche. Eine Familie aus Kosovo kommt mit zwei quirligen Kindern herein, dazu eine ehrenamtliche Helferin und die Schriftstellerin Elke Naters, die gemeinsam mit ihrem Mann die Unterkunft betreibt. Das "Refugio Sharehaus" ist ebenso speziell wie seine Bewohner. Ein schöner Berliner Altbau, der früher ein Altenheim war und in dem jetzt Flüchtlinge mit Berlinern zusammen leben. In den Etagen sind noch Ateliers und Werkstätten untergebracht, es gibt einen Dachgarten und ein Café, in dem Neuköllner Hipster herumsitzen.

In der Küche legt Malakeh Jazmati nun Tannenzweige auf den Tisch, wie in einer Fernsehküche. Sie bringt Schüsseln mit Linsensuppe und Tabouleh, dekoriert alles mit Blüten aus Zitronenschalen und legt die goldbraun herausgebackenen Kibbeh-Teilchen auf eine Platte. Sie sind außen fett und knusprig, und wenn man reinbeißt, schmeckt man die Nüsse und die Granatapfelkerne. Süß und bitter ist das. Die Syrer, Berliner und die Familie aus Kosovo greifen schüchtern zu, oft stockt das Gespräch. Bis die Bewohner hier Brüder für immer werden, wird es noch dauern. Aber man isst schon mal gemeinsam.

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