Süddeutsche Zeitung

Samstagsküche:Die Reifeprüfung

Mit 24 Jahren hat Julian Huber eines der renommiertesten Weingüter des Landes übernommen. Er ist nur ein Beispiel für den erstaunlichen Erfolg neuer Jungwinzer.

Von Patrick Bauer

Julian Huber steht in seinem Weinkeller. Es ist kühl, feucht und still hier, und vor dem 27-Jährigen reiht sich ein französisches Barrique-Fass an das andere. 220 sind es genau, in ihnen lagert seine Zukunft. Der 2015er Spätburgunder, der in den vergangenen Monaten zu sich gefunden hat. Gewachsen an den Hängen von Malterdingen bei Freiburg, mitten zwischen den Ausläufern von Kaiserstuhl und Schwarzwald.

Auf 20 Fässer haben Hubers Mitarbeiter mit Kreide ein großes F für "Fertig" geschrieben. Die zweite Gärung ist beendet. Julian Huber muss jetzt entscheiden, ob er die Weine mit Schwefel konservieren will, oder ob sie noch einige Tage Zeit brauchen. Es ist ein wichtiger Jahrgang für den Jungwinzer. Eine Art Zeugnis seines Könnens.

Fassnummer 5715-327. Lage Hundsrücken. Huber füllt mit einer Pipette etwas Wein in sein Glas, nimmt einen winzigen Schluck, schlürft, kreist mit der Zunge, knetet mit dem Kiefer und blickt unzufrieden in sein Glas. "Ein bisschen dumpf und belegt", sagt er, "da warte ich noch zwei Tage." Das nächste Fass, Spätburgunder, Wildenstein, dieselbe Prozedur. "Klare Frucht, Brillanz. Das ist unsere beste Lage, wild, aber komplex. Die Frucht ist genau richtig, der wird geschwefelt." Fass für Fass arbeitet sich Julian Huber so vor.

Seit knapp drei Jahren leitet er nun das Weingut Bernhard Huber. Ein großer Name. Julian Hubers erster Jahrgang, 2014, kam vor wenigen Monaten auf die Flasche. Der Spätburgunder aus der Lage Wildenstein kostet 120 Euro. 94 Punkte erhielt er im Gault Millau. "Ein Erfolg", sagt er knapp. Doch einer, der schmerzlich früh kam. Julian Hubers Vater Bernhard galt als Pionier des Spätburgunders in Deutschland. 1987 hatte er die örtliche Winzergenossenschaft verlassen und binnen weniger Jahre Weine erster Klasse gemacht. Er war jemand, der die Rebe so weit trieb, wie es ging. Noble Kühle, eine präzise ausgearbeitete Frucht - nur wenige verstanden die Rebsorte wie er. Dann, zu Beginn der Weinlese 2012, die Diagnose: Krebs. Zwei Jahre noch. Höchstens.

Julian Huber war da gerade 22 und studierte Weinbau und Önologie in Geisenheim. Winzer wollte er immer werden. Wenn Freunde ins Freibad gingen, schnitt er Reben im Weinberg. In den Herbstferien half er bei der Lese. Zur Konfirmation bekam er erste eigene Reben. Nach der Schule begann er die Ausbildung zum Winzer, lernte bei Gert Aldinger, Paul Clüver und verbrachte ein Jahr in Savigny-lès-Beaune im Burgund. Er wusste, irgendwann würde er das elterliche Weingut übernehmen. Aber so früh? Mit der Erwartungshaltung? Und all den anspruchsvollen Kunden?

Der Tradition treu bleiben und doch eine eigene Stilistik entwickeln - wie geht das?

Sein Vater habe nüchtern von seiner Diagnose berichtet, sagt Julian Huber. Für Dramatik war kein Platz. Zwei Jahre noch, darum ging es. Der Betrieb lief weiter. Rebpflege, Lese, Ausbau der Weine. "Mein Vater zog sich nie zurück, gemeinsam haben wir unser Weingut für die Zukunft ausgerichtet. Natürlich ist das sehr viel, was da auf einen zukommt", sagt Huber. "Aber ich habe wirklich versucht, eine Chance darin zu erkennen, dass wir noch zwei Jahre hatten."

Der Sohn pendelte also zwischen Geisenheim und Malterdingen. Der Vater stand mit Atemgerät auf dem Rücken im Berg und pflanzte neue Reben, zweieinhalb Hektar Spätburgunder in besten Lagen. Wenige Tage vor seinem Tod, im Juni 2014, als er schon über den Tropf ernährt wurde, probierte er noch den Auxerrois. Noch vom Sterbebett aus gab er Anweisungen und sein letztes Wissen an den Sohn weiter. "Jede Minute, die er nicht mit der Krankheit zubrachte, hat er in den Betrieb investiert. Und wenn jemand das so vorlebt, war für mich klar, dass ich auch nicht in ein Loch fallen kann", sagt der Sohn.

Mit seinen ersten Weinen steht er vor einem kleinen Spagat: die verwöhnten Kunden nicht zu enttäuschen und dennoch einen eigenen Weg zu gehen. Der Name Huber ist Segen und Fluch zugleich. "Meine Eltern haben mir ein Top-Weingut auf dem Silberteller präsentiert", sagt er. Und weiß, dass er aus dem Stand an den Weinen seines Vaters gemessen werden wird.

Der Tradition treu bleiben und einen eigenen Stil entwickeln, wie geht das? Julian Huber will mit den Rotweinen an die Linie des Vaters anknüpfen aber eigene Wege beim Weißen gehen. "Beim Spätburgunder waren mein Vater und ich uns immer sehr einig", sagt er. Es werde nur minimale Veränderungen geben. Dafür arbeitet er zum Beispiel am Holzmanagement. "Bessere Fässer, weniger Leerstand und weniger Neuholz", sagt er. "Man wird spüren, dass nicht mehr mein Vater die Weine macht. Aber die Veränderungen werden nicht ganz so groß sein wie beim Weißwein."

In der Tat knüpfen die Spätburgunder des 14er Jahrgangs an die Linie des Weinguts an. Es sind tänzelnde, feine Rotweine mit klarer Frucht und je nach Lage ausgeprägter Mineralik. Da ist nichts Breites oder Fettes, das sich in den Vordergrund spielt. Die Lagen Sommerhalde und Schlossberg wirken noch etwas drängend und verschlossen, können aber mit richtiger Reife große Burgunder werden.

Julian Hubers Passion aber ist der Chardonnay. Mit diesem Wein wird sich entscheiden, ob er ein eigenes Profil entwickelt. "Die Weine meines Vaters waren nie zu breit", sagt er vorsichtig, "doch ich möchte ihnen etwas die Rundungen nehmen." Der Chardonnay soll früher geerntet werden. Die Jahrgänge sollen straffer, puristischer, frischer werden. Säurebetonter. Nicht so fett wie die seines Vaters, die mehr Extraktsüße und eine stärkere Holzaromatik hatten. "Verzicht auf ein wenig Konzentration und dafür ein Schimmer mehr Grün", erklärt der Sohn. Die einschlägigen Auszeichner attestieren ihm bereits eine eigene Handschrift. Doch Lob kommentiert Julian Huber zurückhaltend. Andere Kollegen machen auch gute Weine."

Tatsächlich fand sich in den Weinführern zuletzt eine wachsende Zahl an Jungwinzern, die, frisch von der Universität, mit ihren ersten Jahrgängen große Weine produzieren. Ein Beispiel ist Thomas Jost. Der Schweizer machte aus einem verschlafenen Rebberg im Kanton Basel-Stadt in der kleinen Gemeinde Riehen mal eben eine Toplage. Dreieinhalb Hektar bewirtschaftet der 28-Jährige seit 2014 und will von hier einen Spätburgunder in die Welt schicken, der sofort mit den Großen mithalten soll. Ein Anspruch, der arrogant wirken könnte. Aber Anspruch setze einen eben auch unter Zugzwang, findet Thomas Jost. "Wenn man das will, dann muss man einfach machen." Also macht Jost einfach.

Viele junge Winzer gehen heute mit einer sehr präzisen Idee an ihren ersten Jahrgang

Ein kleines Sortiment in zwei Linien: "Le Petit" und "Le Grand". Die Qualität soll im Berg entstehen, keine Reinzuchthefen oder Enzyme im Keller, kein Kunstdünger oder Glyphosat im Berg. Bis zu sechs Wochen steht die Maische, dann werden die Weine maximal 18 Monate im Holzfass ausgebaut. Bisher geht sein Plan auf. 2014 erhielt der "Le Grand" (69 Euro) 91 Parker-Punkte; eine konzentrierte Frucht und hohe Komplexität mit erdigen und würzigen Aromen. Ein sanfter und eleganter Wein.

Von der Ahr kommt eine weitere Spätburgunder-Überraschung: Julia Bertram. Der Gault-Millau kürte die 27-Jährige zur "Neuentdeckung des Jahres". Als frühere deutsche Weinkönigin habe sie "eine gute Schule durchlaufen" wiegelt Bertram ab. "Ich konnte extrem viele Weine verkosten." Und sie reiste viel. 2014 kam sie zurück an die Ahr, eines der kleinsten Anbaugebiete Deutschlands. Von ihrer Mutter übernahm sie eineinhalb Hektar, baute 2014 ihren ersten Jahrgang aus. Die Reben wachsen auf Schieferböden, die den Weinen Mineralität, eine harmonische Säurestruktur und kühle Stilistik verleihen. Darauf will sie bauen. "Straffer, feiner und kühler sollen die Weine noch werden, ohne die Saftigkeit zu verlieren", sagt sie. Ökologischer Weinbau ist ihr wichtig. Schon mit Einstiegsweinen wie dem "Handwerk Spätburgunder 2015" (11 Euro) reüssierte sie.

Doch was begründet den raschen Erfolg dieser Winzer? Zunächst ihre hervorragende Ausbildung. Sie haben bei namhaften Weingütern hospitiert und ein fundiertes Studium abgeschlossen. Mit dem theoretischen Wissen, der besseren Ausbildung wuchs auch die Chance, mit einer präzisen Vorstellung in den Weinberg zu gehen, einen Jahrgang regelrecht zu planen. "Das Wichtigste ist: probieren, probieren, probieren", sagt Julian Huber. "Und dabei ein klares Bild vor Augen haben. Eine Idee."

Bisher klappt das gut. Das bestätigen ihm auch seine Kunden, "die uns treu bleiben, auch wenn meine Weißweine ein bisschen anders sind". Julian Huber sagt aber dann doch noch, dass die vergangenen beiden Jahre kein Spaziergang waren, "die Anspannung war extrem groß." Allein erstmals in Eigenverantwortung "an das sehr gute Weinjahr 2013 anzuknüpfen war eine Herausforderung". Die erste Erleichterung kam mit der Blindverkostung durch Kollegen des Winzerverbandes, die seine Weine lobten. "Das war für mich das erste Signal: Es könnte in Ordnung sein", sagt Julian Huber vielleicht eine Spur zu nüchtern.

Jetzt will er einfach so weitermachen, damit der Chardonnay genau so wird, wie er sich das vorstellt. "Doch eigentlich ist das gar nicht möglich. Irgendwas hätte man immer besser machen können", sagt er. Womöglich ist diese Art von Selbstkritik der wichtigste Grund für den Erfolg.

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Quelle:
SZ vom 08.04.2017
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