Neben der Arbeit auf dem Gemüsehof wollte sie sich eigentlich bei anderen Betrieben umgucken, sie war schon bei einem Gärtner und in einer Käserei. Doch zu Hause gibt es zu viel zu tun und sie hat noch einiges mehr vor: Sie will auf ihrem Hof ein Mikroklima schaffen, in dem alles untereinander und miteinander funktioniert. Dazu gehört etwa ein Teich mit Wasserlinsen, damit Insekten dort trinken können, ohne zu ersaufen. Die Erdbeeren sollen neben dem Fenchel wachsen, damit weniger Tiere daran knabbern, und die Felder bekommen regelmäßig nur Grünsaat, damit im Boden genug Nährstoffe stecken.
Nebenbei will Rebecca Clopath kochen, auf Veranstaltungen in Zürich und Bern, aber auch hier in Lohn. An je vier Wochenenden im Frühjahr und im Herbst bietet sie sogenannte Ess-Wahrnehmungen an, Neun-Gänge-Menüs für maximal zwölf Gäste pro Abend.
Rebecca Clopath wird häufig als Naturköchin bezeichnet, aber was genau das sein soll, weiß sie auch nicht.
(Foto: Natalie Neomi Isser)In einer kleinen, einfachen Küche im Erdgeschoss ihres Elternhauses zieht sie Spitzwegerich, Disteln und Thymian aus dem Trockenautomat, eine Maschine, die den Kräutern das Wasser entzieht. Auf der elektrischen Herdplatte, der einzigen in der ganzen Küche, köcheln Johannisbeeren, die sie am Abend mit Zirbelkiefer-Eiscreme und Torf-Crumble anbietet. Die Anschaffung der Vakuummaschine und des Thermomix gingen eben vor, genauso wie das nach ihren Vorstellungen getöpferte Geschirr und das geschmiedete Besteck.
Oder die knallrote Schinkenschneidemaschine im Café neben der Küche, in dem sie ihre Gäste bewirtet. "Die habe ich mir mit 21 gekauft. Ich hatte die Wahl: ein eigenes Auto oder die hier."
Rebecca ist offensichtlich eine Frau, die sehr genau weiß, was sie will - und was sie nicht will. Deshalb benutzt sie nur Zutaten, die man auch im Alpenraum findet. Gewürze wie Zimt, Pfeffer oder Vanille gibt es bei ihr nicht. "Es wäre schade, wenn man die Johannisbeeren mit Vanille zuknallt", sagt sie und rührt im Topf. "Die haben so einen tollen eigenen Geschmack."
Zuerst die Geschichte, dann das Menü
Wenn sie ihre Menüs zusammenstellt, sucht sie erst nach einer Geschichte und überlegt dann, welche Zutaten dazu passen könnten. Im Frühling ging es um das Leben der Bauern im hochalpinen Raum. Zu der Geschichte über die Walser etwa, bei denen sechzig Prozent Blutgruppe null haben sollen, gab es Blutwurst mit roter Bete, Fichtenharz, Zapfen, Samen und Ziegenfrischkäse. Als sie ihren Gästen hingegen vom Seelenfenster erzählte, das laut Tradition nach dem Tod geöffnet wird und durch das die Seele entweichen soll, servierte sie ein Chutney aus getrockneten Birnen ("etwas Erdiges, der Körper"), Fenchelgrün ("steht für das Ätherische, wegen der ätherischen Öle, die es enthält") und Fenchelsamengeist ("die Seele"). In diesem Herbst wird die Jagd Thema sein.
Die Zutaten für ihre Gerichte holt sie sich, soweit es geht, aus dem eigenen Garten. "Komm, wir gehen einkaufen", sagt sie, wackelt mit ihrem dunklen Pony und spaziert mit einem Weidenkörbchen aus der Tür. Gleich neben der Küche wachsen blaue Kornblumen, am Gartenzaun steht wilder Hopfen, der in Nussbutter gebraten wie wilder Spargel schmeckt, und im Gemüsegarten holt sie noch Labkraut, Sauerampfer, Beinwell, Brennnessel-Dolden und Rosenblätter. Die Frau, die einen Tag zuvor noch wie eine Maschine Gräser gerupft hat, legt nun jedes Blatt und jede Blüte mit größter Vorsicht in ihren Korb.