Ladies & Gentlemen:Eine geht, einer kommt

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(Foto: Fabian Sommer/dpa, Sean Gallup/Getty Images)

Über die verabschiedete Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang, den neuen SPD-Generalsekretär Matthias Miersch und die Frage: Was zieht man an, in der ersten Reihe der deutschen Politik?

Von Julia Werner, Max Scharnigg

Für sie: Größe zeigen

Daran, dass fülligere Menschen normal gewichtige Menschen immer noch zur Weißglut bringen, ist nicht der füllige Mensch schuld. Wie er auch am Übergewicht selbst nicht schuld ist, das ist wissenschaftlich erwiesen. Nicht allein Willenskraft, sondern ein aus der Balance geratenes Zusammenspiel aus Hunger- und Sättigungshormonen sind für Übergewicht verantwortlich. Der übergewichtige Mensch hat also weitaus weniger Einfluss auf sein Gewicht als der normal gewichtige Mensch über seine Gedanken. Was Ricarda Lang in ihrer Zeit als Grünen-Vorsitzende in Sachen Bodyshaming auf allen Kanälen ausgehalten hat, ist übermenschlich.

(Foto: Fabian Sommer/dpa)

Sie schrieb einmal in einem Beitrag für Bento: „Egal, wozu ich mich äußere – Lohngleichheit, Kinderarmut oder Kohlekraft: Ich bekomme als Antwort Kommentare zu meinem Äußeren.“ Währenddessen durfte Christian Lindner die ganze Zeit Schuldenbremse sagen, aber niemand regte sich darüber auf, dass er dem Sandmännchen immer ähnlicher sieht. Es ist deswegen Zeit, Frau Lang an dieser Stelle für ihre modische Unbeirrtheit zu danken. Mit ärmellosen Kleidern in die Talkshow, mit spitzenbesetztem Busen auf die Gala, immer quietschbunt farblich abgesetzt zu den anwesenden Anzugträgern: Ricarda Lang hat uns Glücklichen, die ganz normal essen können, permanent den Spiegel vorgehalten. Weil der Gedankenreflex nämlich trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse immer noch lautet: Das kann sie doch nicht anziehen! Doch, kann sie. Muss sie! Bis dieser krankhafte Reflex bei wirklich allen endlich weg ist. 

Für ihn: Linie finden

Im Grunde sollte für SPD-Generalsekretäre das Gleiche gelten wie für neu eröffnete Restaurants und Hotels: hundert Tage Schonfrist, bis man sich ein Urteil erlaubt. Aber hundert Tage, so viel Zeit gibt es in der Politik heute ja gar nicht mehr, in hundert Tagen kann die Ampel kaputt, Trump Weltenfürst und die SPD unter der Fünf-Prozent-Hürde sein. Matthias Miersch immerhin wirkt auf den ersten Blick, als könnten ihn selbst solche Szenarien nicht komplett aus der Bahn werfen. Der Mann hat eine gewisse sturmfeste Erscheinung, die irgendwo zwischen Intellektuellem und Hausmeister angesiedelt ist, also genau das Richtige für einen Generalsekretär. Modischer Stil aber ist bei der SPD seit Längerem ein Problem und Vorgänger Kühnert hat in dieser Hinsicht leider auch ein Vakuum hinterlassen, der sah ja selbst im Anzug aus, als würde er einen Kapuzenpulli tragen.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Miersch nun scheint das Problem vieler Männer im mittleren Management zu haben, die zu Höherem berufen werden: Der Kleiderschrank ist voll, folgt aber keiner Linie und keiner Leidenschaft. Der Anzug, den er bei seiner Vorstellung getragen hat, ist jedenfalls zu blau und damit zu leicht, das Hemd darunter mit Pünktchenmuster und Button-Down-Kragen absolut unseriös und am Hals zu eng. Solche Hemden sind immer im Kaufhaus-Sale und Lockstoff für Männer, die denken, es wäre schon genug modische Meinung, dass sie einen richtigen Anzug-Look „spießig“ finden. Die massive Gürtelschnalle verdeutlicht die Botschaft noch mal: Ich habe durchaus Lust, mit meiner Garderobe flotte Akzente zu setzen, weiß aber nicht genau, wie. Wir schauen in hundert Tagen noch mal nach.

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