Nichts für ungut, aber in seiner ursprünglichen Form hat Reispapier so gar kein virales Foodtrend-Potenzial. Es ist nicht besonders ansehnlich und schmeckt, nun ja, nach nichts. Gut, als Sommerrollenmedium leistet es solide Arbeit, gibt einen Blick auf die manchmal kunstvoll arrangierten Füllungen aus Gemüse und Kräutern, Tofu und Garnelen, hält alles brav zusammen. Doch dafür zahlt man einen Preis: Das angefeuchtete Reispapier ist letschert, zäh und zieht mehr Geschmack, als es hinzufügt. Frittiert, als Frühlingsrolle oder vietnamesische Pizza, für die Reispapier gebacken und mit Gemüse und Kräutern belegt wird, bekommt es wenigstens eine knusprige Textur.
Obwohl die Vorzeichen also denkbar schlecht sind, hat sich Reispapier zur Lieblingszutat auf Instagram und Tiktok gemausert. Die angefeuchteten Blätter werden als Dumpling-Teig benutzt oder, in Streifen geschnitten, wie Nudeln zubereitet. Manche schneiden es klein und machen daraus Tteokbokki, koreanische süß-scharfe Reiskuchen. Wer es krosser mag, frittiert sie wie Chips. Reispapier-Tacos werden mit Salat, Gemüse und Fisch belegt.
Reismehl-Hörnchen sind offen gestanden eine ziemliche Sauerei
Sehr beliebt ist das Reispapier in der veganen Küche, als pflanzlicher Ersatz für Hühnerhaut und Bacon. Man braucht etwas guten Willen, um in den krossen Chips, die zum Beispiel mit Ingwer, Knoblauch und Chili mariniert und herausgebacken werden, Hühnerhaut zu erkennen, die knusprige Konsistenz erinnert nur entfernt daran. Ähnlich ist es, wenn es als „Haut“ für vegane „Gänsekeulen“ aus gezupften Austernpilzen oder Jackfruit dient. In der veganen Wein- und Pintxos-Bar „Cor“ der Zürcher Sterneköchin Zizi Hattab werden Datteln mit Reispapier-„Speck“ umwickelt serviert.
Wegen seines neutralen Geschmacks werden mit Reispapier auch süße Speisen gemacht. Es kursierten schon Rezepte für Crêpes. Zuletzt gingen Reispapier-Croissants viral und werden immer noch überschwänglich gefeiert. Für zwei Croissants verrührt man zwei (kleine) Eier mit 60 ml Milch, 1 EL geschmolzener Butter, 1 EL Zucker, einem halben TL Backpulver und nach Belieben etwas Zimt. Damit bestreicht man jeweils drei Reispapierblätter von beiden Seiten, legt sie übereinander und lässt die Blätter Flüssigkeit ziehen. Die Stapel schneidet man jeweils in drei Dreiecke. Das mittlere bleibt stets liegen, eines legt man senkrecht, das andere waagrecht darauf und rollt es zur Spitze hin, sodass ein Hörnchen daraus wird. Das ist labbrig, sabschig, eine ziemliche Sauerei. Bevor man es eine gute halbe Stunde bei 175 °C (Unter- und Oberhitze) backt, kann man es noch mit etwas Zucker und Zimt bestreuen.
Das Ergebnis ist nicht so fluffig-buttrig wie das Original, und wie könnte es auch? Zwar wird es außen kross, doch in der Mitte ist es weich, etwas zäh und erinnert an Mochi, japanische Reiskuchen. Für spontanes Improvisieren ist Reispapier praktisch, weil es lange haltbar ist und man es vielfältig verwenden kann. Vor allem für Menschen, die kein Gluten essen, ist es eine willkommene Alternative. Reispapier besteht vor allem aus Reismehl, Wasser und Salz und ist somit glutenfrei. Ans Original kommen die Varianten, ob Hühnerhaut, Speck oder Croissant, nicht heran. Müssen sie auch nicht. Auf Tiktok und Foodblogs geht das glutenfreie Croissant-Experiment gerade in die nächste Runde: mit Matcha-Pulver in der Eimischung oder Füllungen aus Schokoladenstücken oder mit Schinken und Käse. Hat ja niemand gesagt, dass glutenfrei gleich gesund sein muss.
