Rechtskolumne:Darf man dem Mieter grundlos kündigen?

Lesezeit: 3 Min.

Die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung ist oft frustrierend. Doch ist die Eigenbedarfskündigung überhaupt rechtens? (Foto: Jake Jakab /Imago Images/Addictive Stock)

Wenn Vermieter Eigenbedarf anmelden, müssen sie erklären, für wen und warum sie die Räume benötigen. In einigen Fällen dürfen die Mieter aber trotzdem bleiben – nicht nur, wenn ein Härtefall vorliegt.

Von Katharina Wetzel

Gerade in Großstädten wie München, Stuttgart, Frankfurt oder Hamburg, in denen der Wohnraum knapp ist und der neue Wohnungsbau der steigenden Nachfrage nicht hinterherkommt, trifft Mieter eine Kündigung wegen Eigenbedarfs häufiger. Liegt solch ein Schreiben im Briefkasten, sitzt der Schock bei den Betroffenen erst mal tief. Doch nicht immer ist die Kündigung wirksam.

Mieter sollten zunächst einmal prüfen, ob tatsächlich einer der rechtlich anerkannten Gründe für Eigenbedarf vorliegt. „Der Kreis der Bedarfspersonen ist weit gefasst“, sagt Rechtsanwalt Alexander Walther von der Kanzlei Klimesch & Kollegen. Gemäß § 573 BGB darf der Vermieter für sich selbst, für Familienangehörige und Angehörige seines Haushalts Eigenbedarf anmelden. Zudem muss der Vermieter einen guten Grund für sein Interesse haben und diesen in dem Kündigungsschreiben angeben. 

„Mein Sohn möchte aus dem Elternhaus ausziehen und einen eigenen Haushalt gründen“, könne etwa ein Kündigungsgrund sein, sagt Walther, bei dem Mieter kaum rechtliche Einwände erheben könnten. Andere Gründe wären, wenn jemand mehrmals im Jahr seine Wohnung als Ferienwohnung nutzen möchte oder um von hier aus ins Theater zu gehen oder den vertrauten Arzt zu besuchen. „Allerdings wäre das schon eine Luxus-Eigenbedarfskündigung. Vor Gericht ist das dann immer eine Einzelfallentscheidung“, sagt Walther.

In der Praxis kommt es häufig dann zu Problemen, wenn Mieter soziale Härten aufgrund von Alter und Krankheit geltend machen und sich daher weigern auszuziehen. Richter wägen in solchen Fällen ab, welche Interessen stärker wiegen und ob Mieter oder Vermieter Recht bekommen.

Muss beispielsweise eine Familie auf einem angespannten Wohnungsmarkt ausziehen, nur weil der Vermieter ein paar Mal im Jahr seine Wohnung für Theaterbesuche nutzen möchte? So kann unter Umständen die Kündigung des Vermieters unwirksam sein, da sein Bedarf weniger dringlich ist als die Wohnungssituation der Familie. Wohnt der Vermieter auf dem Land und muss wenige Male im Jahr zum Arzt nach München, wo er zur Übernachtung seine Wohnung in der Stadt benötigt, dann ist ebenso unklar, ob er mit seiner Kündigung Erfolg haben wird. Auch gut zu wissen: „Der Schulabschluss der Kinder und eine Schwangerschaft können einen zeitlich befristeten Härtegrund darstellen, den Mietern steht dann eine verlängerte Kündigungsfrist zu“, sagt Walther.

Rechtskolumne: Darf man das?
:Die Cousine einquartieren

Bei einer Eigenbedarfskündigung ist nicht immer sicher, dass Mieter ausziehen müssen. In vielen Fällen lohnt es sich, genau hinzuschauen.

Von Stephanie Schmidt

„Wird ein Eigenbedarf nur vorgetäuscht, um etwa die Miete bei Neuvermietung zu erhöhen, ist der Vermieter schadenersatzpflichtig.“ Und das kann teuer werden. Mieter können dann die Mehrkosten, die ihnen für die Anmietung einer vergleichbaren Wohnung entstanden sind, dem Vermieter in Rechnung stellen. „Die Dauer des Schadenersatzanspruchs ist rechtlich umstritten. In weiten Teilen der Literatur geht man von einer Dauer von 30 Jahren aus“, sagt Walther. Mit einer Entscheidung des Landgerichts München I hierzu ist im November dieses Jahres zu rechnen.

Wichtig ist außerdem, den tatsächlichen Kündigungsgrund zu nennen. Zieht letztlich die Nichte mit ihrer Familie in die Wohnung ein, obwohl ursprünglich der Neffe die Wohnung zum Studieren nutzen wollte, ist die Kündigung unwirksam. „Ändert sich der Kündigungsgrund, muss dies dem Mieter erneut mitgeteilt werden“, unterstreicht Walther. Was viele nicht wissen: Auch die Kündigungsfrist, die sich nach der Mietdauer richtet, verlängert sich dementsprechend. Besteht das Mietverhältnis schon länger als acht Jahre, gilt eine Kündigungsfrist von neun Monaten. Im genannten Beispielsfall stehen dem Mieter also 18 Monate zu, wenn sich nach Ablauf der neun Monate der Kündigungsgrund ändert.

Für manche kann das schon eine ziemlich lange Wartezeit sein. Rechtsanwalt Walther kennt Fälle, bei denen junge Familien in beengten Verhältnissen ausharren, bis der Mieter aus der großzügig geschnittenen Wohnung auszieht. Am besten sei es in solchen Fällen, sich mit dem Mieter zu verständigen und eine gute Lösung zu finden.

Dies gilt auch für den Fall, dass Mieter noch keine fünf Jahre in der Wohnung leben und ihnen daher nur eine kurze Kündigungsfrist von drei Monaten zusteht. „In der Zeit ist es kaum möglich, in München eine Wohnung zu finden“, meint Walther. Oft sei es dann für beide Seiten der beste Weg, dem Mieter eine längere Frist zu gewähren. „Das ist allemal günstiger und schneller als ein Gerichtsprozess.“

Die Autorin ist froh, dass sie ein Dach über dem Kopf hat. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: