Süddeutsche Zeitung

Rauchverbot:Das Ende der Film-Zigarette

Ob James Bond, Humphrey Bogart oder Marlene Dietrich - früher qualmte jeder vor der Kamera. Nun greift das Rauchverbot auch auf die Leinwand über. Geht damit eine besondere Kunstform verloren?

Von Martin Zips

Ist es nicht schlimm, dass immer noch Serien und Filme gesendet werden, in denen geraucht wird? Es gibt doch wirklich genügend Institutionen, die völlig zu Recht darauf verweisen, wie gefährlich das ist. Die WHO etwa fordert ein grundsätzliches Rauchverbot vor der Kamera. Und die Deutsche Krebshilfe kürt nikotinarme Serien mit dem "Rauchfrei-Siegel". Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), hat gerade vorgezählt, dass in 33 von 39 Filmen, die 2016 und 2017 für den Deutschen Filmpreis nominiert wurden, geraucht wird. Sie sagt: So geht es nicht weiter.

Stimmt. In Deutschland werden heute ja ohnehin bereits 35 Milliarden Zigaretten weniger verkauft als noch vor zehn Jahren. Und Tabakriese Philip Morris hat gerade erklärt, 2018 werde man in Großbritannien versuchen, "mit Zigaretten aufzuhören".

Die Zukunft gehöre, wenn überhaupt, dem Elektrodampf. Bereits vor 16 Jahren hatte der damalige italienische Gesundheitsminister Girolamo Sirchia (heute 84 Jahre alt) ein "komplett rauchfreies Fernsehprogramm" gefordert. Casablanca, La Dolce Vita, Außer Atem - die ersten hundert Jahre der Kinogeschichte mögen ohne Nikotin ja noch undenkbar gewesen sein. Heute aber haben qualmende Humphrey Bogarts, Marcello Mastroiannis oder Jean-Paul Belmondos einen Beigeschmack wie die nackte Bo Derek als Sexsymbol am Strand oder der frühe Woody Allen als männliche Spermazelle. Da hilft eigentlich nur noch Zensur. Oder Verbannung.

Was, bitte, soll im Jahr 2018 noch daran lustig sein, wenn einem Jacques Tati als Monsieur Hulot die Pfeife ebenso im Mundwinkel hängt wie Peter Falk als Columbo die Zigarre? Solche Szenen sind doch tragisch. Gerade wenn man bedenkt, wie vielen Kinobesuchern eine von der Leinwand mit der Zigarette lockende Marlene Dietrich später den grausamen Tod beschert haben könnte. Und wozu brauchen wir heute noch Serien wie "Stranger Things" oder "Mad Men", in denen in 48 von 50 Minuten durchgeglüht wird? Dem deutschen TV-Krimi ist es doch schließlich auch gelungen, den Aschenbecher- durch den Parfumflaschen-Mord zu ersetzen. US-Fernsehkommissar Kojak hat schon in den Siebzigern seine Zigarette gegen den Lolli ausgetauscht. Es geht also. Man muss es nur tun.

Gut, kann schon sein, dass mit dem Rauchen auch eine besondere Kunstform verloren geht. Wurde nicht schon bei Dostojewski geraucht, bei Mann, Steinbeck und Camus? Als Romanfigur kommt ein James Bond noch auf gut 70 Zigaretten pro Tag. Als Filmstar hingegen hat er sich das Qualmen bereits vor Jahren abgewöhnt. Heute säuft er nur noch.

Rauchen im Film, jahrzehntelang schaffte das Raum und Atmosphäre. Für Clint Eastwood war der Zigarillo sein zweiter Revolver. Für Greta Garbo ein Zeichen weiblicher Überlegenheit. Nikotinarm waren immer nur die Zukunftsfilme, mit ihren blassen, tabakfreien Astronauten. Und in der Zukunft, da sind wir ja jetzt. Sicher kommen bald wieder ein paar Französinnen und erklären, sie werden trotzdem weiterrauchen, vor der Kamera. Weil sie keinen Bock auf Puritanismus haben und auch sonst kaum Spaß im Leben. Ach, sollen sie doch reden.

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SZ vom 12.01.2018/eca
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