Putzen:So schön sauber!

Eco-friendly kitchen cleaning tools

Ob putzen mehr Spaß macht, wenn man dekorativ angerichtete Reinigungsutensilien zur Verfügung hat?

(Foto: lambada/Getty Images)

Spülmittel mit Patschuli-Aroma und ein Sprühreiniger aus plastikfreien Tabs: Die Lifestyle-Industrie hat den Haushalt für sich entdeckt.

Von Anne Goebel

Die Hand versinkt in warmem Wasser. Aloe-Vera-Extrakt besänftigt die Haut, es duftet schwach nach schwarzem Pfeffer und Honig. So schön kann ein Tauchbad im Küchenbecken sein - da erscheinen die verkrusteten Teller mit Spuren von Ketchup und Spareribs plötzlich nicht mehr als lästiger Stapel und sind im Nu abgewaschen. So stellt sich das jedenfalls der britische Designer Tom Dixon vor, der vor Kurzem ein Spülmittel auf den Markt gebracht hat. "London Washing Up Liquid" mit Patschuli-Noten soll aus einer leidigen Pflicht, dem Hantieren in fettigem Wasser, eine sinnliche Auszeit vom Alltag machen. "A recreational activity", zu haben für küchenungewohnte 22 Euro je Liter. Reicht für mindestens 200 Spülgänge, oder besser: Aromabäder.

Der Haushalt wird als Lifestyle-Segment entdeckt, Tom Dixon ist da nicht allein mit seiner Abwasch-Flasche in Roségold. Wäschewaschen, Hosen bügeln, Bad scheuern: Solche Erledigungen erhalten neuerdings eine Aufmerksamkeit, die weit über das Putzregal im Drogeriemarkt hinausreicht. Sie werden zur Wohlfühlzeremonie überhöht, das Zubehör soll natürlich ansprechend aussehen und nebenbei der Umwelt nicht wehtun.

Sogenannte Cleanfluencer wie die Britin Sophie Hinchliffe ("Mrs Hinch") oder die japanische Aufräumexpertin Marie Kondo begeistern ja schon seit Längerem Millionen Fans mit ihren Posts und Büchern über die seelische Wohltat eines blitzblanken Heims.

Und seit der Corona-Krise lassen sich immer mehr Menschen im Netz dazu anleiten, öde Routinearbeiten wie Fensterpolieren oder Aufwischen in Achtsamkeitsübungen umzuwandeln. "Achte auf deinen Atem, während du Geschirr spülst", schreibt etwa die amerikanische Autorin Melissa Eisler über eine etwas antiquierte Tätigkeit, die vielen ihrer Landsleute so fremd sein dürfte wie die Amish-Bewegung. "Fühle die wiederholte Bewegung des Bürstens. Rieche die Lauge."

Zum formschönen Produkt gibt es das gute Gewissen dazu

Nach Bergamotte oder Salbei duftet zum Beispiel der Sprühnebel aus einer Flasche mit Reiniger von Everdrop. Die Münchner Marke, vor einem guten halben Jahr gegründet, gehört zu den Firmen, die das Interesse an nachhaltiger Haushaltsführung und optisch gelungenen Accessoires geschickt nutzen.

Denn Tom Dixons Küchenflakon oder der französische Hersteller Astier de Villatte und sein ähnlich luxuriöses Spüli haben zwar die Zielgruppe der Designfans mit Budget und Umweltbewusstsein im Visier. Das gilt auch für die Marke The Laundress aus New York mit der minimalistisch aufgemachten Waschmittel-Kollektion. Die Firmen verweisen auf hautfreundliche Rezepturen, pflanzliche Inhaltsstoffe - aber ihre Plastikbehälter verderben jede CO2-Bilanz. Ressourcen werden hier allenfalls geschont, weil man aus Kostengründen sparsam mit den Produkten umgeht. Das ist bei Everdrop anders. Hier gibt es zum formschönen Produkt das gute Gefühl verantwortungsvollen Handelns mit dazu.

Putzen: Instagram-tauglich: Das Reinigungsset samt neuem Waschmittel von Everdrop.

Instagram-tauglich: Das Reinigungsset samt neuem Waschmittel von Everdrop.

(Foto: Everdrop)

"Für uns waren zwei Faktoren ausschlaggebend: Du machst zu Hause den Putzschrank auf - und da ist erstens ein Plastikmeer. Zweitens ist es eine ästhetische Folter", sagt der Everdrop-Gründer David Löwe. Mit zwei Kompagnons habe er vor einem Jahr begonnen, sich Gedanken über eine "Entplastifizierung des Haushalts" zu machen. Alle drei kommen beruflich nicht aus der Ökologie-Sparte. Aber die Arbeit für große Unternehmen habe ihnen vor Augen geführt, in welchem Ausmaß Konzerne permanent neue Bedürfnisse schaffen und in punkto Vermüllung des Planeten "immer mehr Öl ins Feuer kippen".

So entstand die Idee der Mehrwegflasche aus recyceltem Plastik, in der aus Tabs plus Leitungswasser die jeweilige Reinigungsflüssigkeit angemischt wird: Zur Auswahl stehen "Bad", "Allzweck" oder "Glas". Statt ständig neue Kunststoffungetüme mit Sprühkopf anzuschaffen, bestellt man im Onlineshop die hellblauen, minzgrünen oder beigefarbenen Pastillen, verpackt in Papiertüten. Der Slogan "Tschüss Plastik!" ist auf der Webseite großzügig eingestreut für ein gutes Einkaufserlebnis. Denn bei allem Aktivisten-Elan ("Wir möchten eine nachhaltige Revolution in den Haushalten starten") wissen Löwe und seine Partner auch, wie man eine konsumkritische Klientel bei der Stange hält. Was die Ästhetik betrifft: Edel mattiertes Behältnis, pastellfarbener Inhalt, puristische Beschriftung - das muss nicht in in den Giftschrank.

Putzen: Zu schade für die Besenkammer: Handfeger-Set von Andrée Jardin.

Zu schade für die Besenkammer: Handfeger-Set von Andrée Jardin.

(Foto: Andree Jardin/PR Andree Jardin)

Die Idee ist nicht einzigartig. Nach ähnlichem Prinzip arbeiten in Deutschland Firmen wie Biobaula oder Ecotab aus Berlin, deren Gründer Nicolas Pless über seine floral verzierten Sprühflaschen sagt: "Mit coolem Design kann man auch Leute abholen, die sich bisher nicht mit Nachhaltigkeit auseinandergesetzt haben." In den USA heimste der Tab-Produzent Blueland Lob von Stil-Magazinen wie Vogue und Fast Company ein.

Dass die Tendenz zum optisch aufgemöbelten Reinigungswesen auch traditionsreichen Herstellern nutzt, bestätigt Vanessa Lewedey vom Onlineshop Gustavia. Der Hamburger Store verkauft Nützliches für Haus und Garten, und besonders gut gehen die Bürsten und Besen von Andrée Jardin. Die Idee der bretonischen Firma, Ableger eines 1947 gegründeten Betriebs: Was früher in die Abstellkammer kam, abgegriffene Handfeger oder haarige Staubwedel, wird zum Blickfang. Schaufel und Besen in Pastellrosa, Gemüsebürsten aus hellem Holz - das passt zum Zeitgeist der wohlproportionierten Nachhaltigkeit.

Ihre Entwürfe versteht sie als kleine Kunstwerke

"Solche Produkte werden in Zukunft bei unseren Kunden noch gefragter sein", glaubt Lewedey. "Wer Kartoffeln im Bioladen einkauft, möchte auch eine schöne Bürste, um sie zu putzen." Preislich gibt es kaum Grenzen nach oben. Erin Rouse, eine von der Bildhauerin zur Besenmacherin umgestiegene New Yorkerin, versteht ihre handgemachten Entwürfe als Kunstwerke. Ein Exemplar kann mehrere Hundert Dollar kosten, dann gibt es einen extra Schutzmantel dazu. So exklusiv möchte David Löwe von Everdrop gerade nicht sein, um möglichst viele Menschen zum Umsteigen auf das Mehrwegsystem zu bewegen.

Die Tabs kosten im Abo einen Euro pro Stück, rechne man den Preis der Flasche mit ein, sei das nicht teurer als ein Produkt aus der Drogerie. Mit einem Unterschied: Auch wenn Großkonzerne wie zuletzt die Weichspülermarke Kuschelweich sich mit neuer Aufmachung als grün zu präsentieren versuchen - Stars in den sozialen Medien sind sie eher selten. Everdrop hingegen hat auf Instagram 50 000 Follower. "Was bedeutet, dass da draußen 50 000 Menschen einem Putzmittel folgen", sagt Löwe. "Das ist eigentlich Wahnsinn."

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