Profil:Riccardo Tisci

Riccardo Tisci Maria Carla Boscorono
(Foto: Riccardo Giordano Sicki/imago)

Burberrys Chefdesigner ringt um gute Geschichten für die Luxusmarke.

Von Claudia Fromme

Sobald er irgendwo auftaucht, drehen die Menschen in der an Hysterie nicht armen Modebranche am Rad. Das hat auch damit zu tun, dass Riccardo Tisci selten allein ist. Während andere Designer nach einer Schau verhuscht aus den Kulissen winken, sonnt er sich im Scheinwerferlicht. Stars wie Rihanna, Beyoncé und Kim Kardashian umschwirren ihn, und zuweilen weiß man nicht, wer sich hier an wen ranschmeißt. Es ist in jedem Fall gut, mit Tisci gesehen zu werden, auch, weil er mit Millionen Followern bestens in den sozialen Medien vernetzt ist, was wichtig ist für Leute, die sich selbst vermarkten.

Als im März bekannt gegeben wurde, dass der 44-Jährige neuer Kreativdirektor der britischen Luxusmarke Burberry wird, stieg der Börsenkurs des Hauses sogleich um fünf Prozent. Sein Name gilt als Versprechen, neue Käufer zu finden für eine Luxusmarke, um die sich junge Menschen erstaunlich wenig scheren. Um die Umwelt schon mehr - und da empörte unlängst ein Detail aus Burberrys Geschäftsbericht: Demnach hat das Label im abgelaufenen Jahr Waren im Wert von 32 Millionen Euro zerstört. Das ist in der Modebranche üblich, ungeachtet moralischer Bedenken. Luxusmarken dient es nicht, wenn sie zu billig verkauft werden.

Nun soll mit dem Verheizen ganz Schluss sein, auch wenn Burberry schon vorher Ware recycelt habe, erklärt das Unternehmen. Nachhaltig soll auch Tiscis erste Kollektion für Burberry werden, die er auf der Londoner Fashion Week Ende des Monats zeigt. Pelz sei fortan tabu. Mehr wird nicht verraten. Nachhaltigkeit bleibt erst einmal nur ein Versprechen.

In welche Richtung es im Design gehen könnte für das Modehaus, das mit dem klassischen Trenchcoat und Karomuster berühmt geworden ist, hat der Vorstandsvorsitzende Marco Gobbetti bei Tiscis Einstellung verraten. Der Auftrag an den Designer, mit dem er bereits bei Givenchy gearbeitet hat, sei es, gehobene Mode "straßentauglicher" zu machen.

Tiscis Vorgänger Christopher Bailey hatte das auch versucht, zeitweise sehr erfolgreich. Aber vielleicht fehlte ihm der Straßengeruch, um Echtheit nicht nur zur instagramfähigen Pose zu machen. Tisci kam 1974 zur Welt, er wuchs mit acht Schwestern in einer Sozialwohnung in der Lombardei auf. Der Vater starb früh, als Tisci zehn Jahre alt war. Danach, so erzählt er es selbst, habe er Blumen verkauft, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. "Ich verlor die Verbindung zu Leuten in meinem Alter, denn jeder, der auch zehn Jahre alt war, spielte, verreiste, sah Disney-Filme. Ich ging erst zur Schule und dann zur Arbeit."

Eine feine Geschichte für die Luxusbranche, die dringend Storys braucht, um teures Design zu verkaufen. Aber Tisci ist nicht nur ein zeitgeistiges Aushängeschild, er hat das Handwerk von Grund auf gelernt. Mit 17 Jahren ging er auf das renommierte Central Saint Martins College of Art and Design in London, die Wiege exakter Schnittkunst - und des kreativen Querdenkens, die immer der alternativen Musikszene nahstand. 1999 schloss Tisci dort sein Studium ab, wie zuvor John Galliano und Alexander McQueen.

Er arbeitete in Designteams, entwarf eine eigene Linie, 2005 wurde er Kreativdirektor bei Givenchy. Bei dem französischen Luxusmodehaus orientierte er sich weniger an der vornehmen Mädchenhaftigkeit einer Audrey Hepburn als am echten Leben. Da ist der legendäre Pullover mit einem Rottweiler, die "Shark"-Boots mit riesiger Klappkante. Er machte das Sweatshirt im Luxusbereich salonfähig, erfand für Nike den legendären Air-Force 1-Sneaker neu. Seit zehn Jahren entwirft er Bühnenkostüme für Madonna, schneidert auch für Beyoncé und designte das Hochzeitskleid von Kim Kardashian.

Kürzlich präsentierte Riccardo Tisci sein neues Logo für Burberry - ohne den legendären Ritter mit Lanze auf einem Pferd. Die Aufregung war fast noch ein wenig größer als die um die verbrannten Klamotten.

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