Hedi Slimane:Der Geheimnisvolle kehrt zurück

Hedi Slimane: Er ist erratisch, revoltierend, sensationell erfolgreich vor allem bei den Jungen.

Er ist erratisch, revoltierend, sensationell erfolgreich vor allem bei den Jungen.

(Foto: Martin Bureau/AFP)

Er gilt als Provokateur der Modewelt. Jetzt wartet Paris auf Hedi Slimanes großen Auftritt.

Von Tanja Rest

Wenn am Freitagabend im Pariser Hôtel des Invalides die Scheinwerfer aufblenden und die ersten Beats einsetzen (und es wird sich lohnen, genau hinzuhören - Musik ist alles für diesen Designer), werden die Majestäten der Mode, ein paar Rockstars und mutmaßlich Lady Gaga in der Front Row die Luft anhalten. Es ist die wichtigste Show der Saison, von Spekulationen umwabert, sehnsüchtig erwartet, umstritten bereits, bevor ein einziger Flicken Stoff zu sehen war. Der ganze große Zirkus wird zuschauen, wenn Hedi Slimane nach zweijähriger Abstinenz zurückkehrt in die Manege und seine erste Kollektion vorlegt für die Maison Céline - ausgerechnet, muss man hinzufügen, doch dazu gleich mehr.

Slimane, 50, in Paris geborener Sohn eines Tunesiers und einer Italienerin, ist das Faszinosum der Mode. Er ist erratisch, revoltierend, sensationell erfolgreich vor allem bei den Jungen. Vier Jahre lang hat er das Haus Saint Laurent auf den Kopf gestellt. Am Laufsteg saßen Marilyn Manson, Lenny Kravitz und Kate Moss, die Modechefinnen mussten zu ihrer Empörung in die dritte Reihe, unliebsame Kritiker wurden gar nicht erst eingeladen; Interviews gab es sowieso keine. Slimane verlegte das Designstudio nach Los Angeles, wo er lebt, und tilgte aus dem Firmennamen das "Yves", was als Affront galt.

Seine Handschrift war der abgerissene Glamour einer durchgemachten Nacht auf den Straßen von L. A., gepowert von Sex, Punk und Kokain. Bei Saint Laurent sah man die kürzesten Röcke, die schmalsten Jacken, die engsten Lederröhren, die rasantesten Absätze. Das Spektrum seiner Designs blieb überschaubar, vernichtende Kritiken begleiteten ihn von Anfang an. Die Millennials aber rannten Saint Laurent die Bude ein. Der Umsatz stieg von 353 Millionen Euro im Jahr 2011 auf fast eine Milliarde im Jahr 2015. François-Henri Pinault, Chef der Luxusgruppe Kering, durfte sich für seine Personalpolitik feiern lassen.

Zuletzt dokumentierte Slimane den Lifestyle der kalifornischen Surfer- und Indierock-Szene

Es gehört zum Mythos Hedi Slimane, dass seine erste Liebe die Musik war, die zweite die Fotografie, und dann erst die Mode kam. Er hat niemals einen Zweifel daran gelassen, dass er außerhalb des Systems operiert. Ob das echte Coolness ist oder raffinierte Selbstvermarktung, darüber lässt sich spekulieren. Die Herrenkollektion bei Yves Saint Laurent verantwortete er Ende der Neunziger für nur vier Saisons, danach erfand er bei Dior Homme die ultraschmale Jacke, in die sich Karl Lagerfeld dann legendärerweise hineinhungerte. Zuletzt dokumentierte Slimane den Lifestyle der kalifornischen Surfer- und Indierock-Szene mit Schwarz-Weiß-Fotos, die so gestochen scharf waren wie vormals seine Silhouetten. All die Kritiker, die vorher so ausgiebig die Nase gerümpft hatten, begannen unverzüglich, ihn heftig zu vermissen.

Nun ist er zurück. Bei Céline, das pikanterweise zum Luxuskonzern LVMH gehört, dem großen Rivalen seines früheren Arbeitgebers Kering. Er entwirft nicht nur die Damenkollektion, sondern ist Kreativdirektor mit nahezu grenzenlosen Befugnissen. Eine Herren- und eine Parfum-Linie soll er aufbauen, Kampagnen fotografieren, das Konzept der weltweit 150 Stores überarbeiten; alles wieder von Los Angeles aus. Die Erwartung ist, dass er den Umsatz ver-x-facht. Aber kann das mit diesem Designer funktionieren?

Seine Vorgängerin, die Britin Phoebe Philo, hat bei ihrem Abgang nach zehn Jahren ein Haus mit eindeutigem Portfolio hinterlassen. Céline, das ist die Marke der erwachsenen, modernen Frau, die Mode liebt, um den Blick der Männer aber niemals buhlen würde. Für Rockstar-Attitüden, bauchnabeltiefe Dekolletés und einen grellen Jugendkult war in Philos minimalistischem Kosmos niemals Platz. "Unsere Vision ist naturgemäß unterschiedlich", sagte Slimane gerade dem Figaro. Man kann das Wehgeschrei der Modedamen schon direkt hören. Den Accent, der bei Céline stets auf dem e prangte, hat er schon mal entfernt.

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