Süddeutsche Zeitung

Print-Bikini Nippeln:Druck auf der Brust

Lesezeit: 2 min

Die Welt der Bademode ist um eine unterhaltsame Kreation reicher: Der "TaTaTop"-Bikini mit aufgedruckten Nippeln ist nicht nur ein Hingucker. Er unterstützt auch den Feminismus. Eine Stilkritik.

Von Violetta Simon

Einer der großen Widersprüche unserer Zeit ist das zweischneidige Bedürfnis, möglichst viel zu zeigen, ohne sich Blöße zu geben. Der TaTaTop-Bikini erfüllt diese Vorgabe perfekt: Er erlaubt der Trägerin, ein Paar perfekte Nippel zur Schau zu stellen, ohne dabei die eigenen zu offenbaren - der hautfarbene Stoff weist an entsprechender Stelle Print-Brustwarzen auf, die je nach Geschmack zartrosa, mittelbraun oder dunkel gefärbt sind.

Die Idee erinnert ein bisschen an diese mit nackten Frauenkörpern bedruckten Küchenschürzen für Hobbyköche, die ihre Gäste mit drittklassigem Humor von zweitklassigem Essen ablenken wollen. Auch am Strand wird bereits mit täuschend echten Körperteil-Fotoprints gearbeitet: Die australische Firma "BlackMilk" hat einen Badeanzug entworfen, der das Innerste eines Menschen, nämlich alle Organe des Bauchraums, naturgetreu abbildet. Doch mit Sicherheit ungeschlagen in der Kategorie "Strandmode mit Unterhaltungswert" bleiben die Minimaltextilien namens "JQK Mens Sexy Bikini G-string Thong Jock", die kürzlich das Gemächt zweier britischer Soap-Schauspieler am Strand von Marbella zierten.

Nun kann man natürlich den Sinn solch stofflicher Zwischengeschöpfe hinterfragen. Warum geht eine Frau, die offenbar den Drang verspürt, am Strand oder im städtischen Schwimmbad ein paar Nippel zu präsentieren, nicht einfach oben ohne? Aber das wäre natürlich viel zu simpel. Denn gerade das Bikinioberteil ist alles andere als ohne, wenn man dem Hersteller glauben darf.

Nippel mit sozialkritischer Botschaft

Wie der Kunde auf der Homepage des Labels erfährt, ist TaTaTop "weit mehr als ein Paar Nippel auf einem Bikinioberteil". Schon gar nicht handle es sich um den Versuch, weibliche Körperteile kommerziell auszuschlachten. Der TaTaTop hat eine sozialkritische Botschaft - ja, einen regelrecht feministischen Auftrag.

Laut eigenen Angaben hat es sich das Label zur Aufgabe gemacht, soziale - und im Zweifelsfall auch: juristische Normen - zu hinterfragen. Zum Beispiel, warum Männer in den USA ihre Nippel zeigen dürfen, Frauen per Gesetz aber nicht. Sicher gäbe es verschiedene naheliegende Antworten auf diese Frage - etwa, dass es sich bei weiblichen Brüsten, auch wenn es der Emanzipation abträglich sein mag, nach wie vor um sekundäre Geschlechtsmerkmale handelt.

Statt sich mit diesen Antworten auseinanderzusetzen, prangert der Hersteller des Nippel-Bikinis die Ungleichbehandlung am Badestrand per Polyestergemisch an. Durch den TaTaTop haben emanzipierte Frauen die Möglichkeit, gegen ein Gesetz zu protestieren, indem sie es ad absurdum führen, ohne dagegen zu verstoßen - weil sie ja nur so tun, als würde sie es brechen, sich in Wirklichkeit aber daran halten.

Was auch immer die sozialkritischen Fremdnippel bewirken mögen: Wer sie zeigt, kann wirklich Gutes tun. Ein Teil der Einnahmen kommt der Brustkrebsforschung der "Lynn Sage Cancer Research Foundation" zugute.

Nippel-Gate an der Tanke

In der Damenwelt hat der Nippel-Bikini bereits eine Reihe von Anhängerinnen gefunden, die ihre Sympathie für den TaTaTop mit zahlreichen Selfies bekunden. Den Abbildungen zufolge hat sich die hautfarbene Stoff-Triangel mittlerweile auch im Alltagsbereich etabliert: Nicht nur beim Yoga oder auf der Couch mit Freunden, auch in der City oder an der Tankstelle wurden die Vorzeige-Nippel bereits gesichtet.

Offenbar profitiert der Nippel-Bikini von einer Bewegung, die seit Kurzem die Befreiung der Brüste im urbanen Raum begünstigt: der öffentliche Protest auf Social-Media-Plattformen gegen die Zensur der weiblichen Brust bei Instagram. Bekannt unter dem Hashtag "#FreeTheNipple" - und noch bekannter geworden durch einen barbusigen Twitter-Beitrag von Bruce-Willis-Tochter Scout.

Wer sich der Nippelbefreiungs-Initiative auf offener Straße anschließen will, sich aber nicht traut, ist mit dem TaTaTop gut beraten - und kann sich damit sogar unzensiert auf Instagram präsentieren. So gesehen ist der Nippel-Bikini nicht nur ein feministisches Textil, sondern durch und durch social-media-correct.

Und das, obwohl er trotz allem gegen die Zensur protestiert, indem er sie ad absurdum führt, ohne dagegen zu verstoßen - weil er ja nur so tut, als würde er dagagen verstoßen, sich in Wirklichkeit aber daran hält, obwohl er dagegen protestiert, indem er ... Nun ja, wie auch immer.

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