Süddeutsche Zeitung

Preiswerte Brautmode:Weißknüller

Hochzeitskleider für 59 Euro neben unbezahlbaren Designerroben: Wie das Online-Shopping den Markt für Brautmode verändert.

Von Uschka Pittroff

Es gibt brave und es gibt böse Bräute. Wenn man im Sinne des deutschen Einzelhandels denkt. Die Braven kommen zum Beispiel in Monika Litschewskis "Brautmoden feminin"-Himmel in Hamburg-Eppendorf, um sich ihr Traum-Outfit für die Hochzeit auszusuchen. Die Bösen gehen ins Internet.

Bei Litschewski kaufen sie die Klassiker der Branche: Das Label "Kollektion Pronovias" zum Beispiel, das eher wie ein Verhütungsmittel klingt, aber nicht nach Mode, die man am schönsten Tag seines Lebens tragen will. Oder "Rembo Styling", was nicht vielversprechender zu sein scheint, oder die romantische Kollektion "Marylise". Sie alle liefern, was einschlägige Brautmode eben so zu bieten hat: bodenlange Kleider inklusive schulterfreier Bustiers mit ausladenden Reifröcken und Bolero-Jäckchen. Preisklasse: von 329 bis über 2000 Euro.

Die anderen, die Bösen, bestellen sich diese Modelle online als Kopien aus China. Ein Kleid kostet dann nur noch etwa 150 Euro. Manche kommen danach mit ihrem Schnäppchen in Monika Litschewskis Geschäft und fragen nach einer preiswerten Änderung. "Die Teile riechen so nach Chemie, dass man davon Atemnot bekommt", sagt die Inhaberin.

Das ist natürlich ein extremes Beispiel, allerdings ist es bezeichnend, denn im Brautmoden-Business hat ein neuer, großer Konkurrenzkampf begonnen. Schuld ist, mal wieder, das Internet.

Günstige Online-Shops wie Asos und J. Crew machen dem klassischen Einzelhandel zu schaffen. Sie bieten Hochzeitskleider schon für weniger als 100 Euro an, die sich so schnell verkaufen, wie man es von den Fastfashion-Konzernen gewohnt ist. Bei H&M in den USA wurde im vergangenen Frühjahr sogar ein Kleid für umgerechnet 59,99 Euro verramscht. Fast schon teuer wirkt dagegen das Modell "Body Frock, Wedding Begonia", ein Kleid mit goldverzierten Lagen, das bei Asos für 433,99 Euro zu haben ist.

Paare geben für ihre Hochzeit immer mehr Geld aus

Fakt ist, dass Heiraten immer teurer wird. Laut Umfragen des Bundesfamilienministeriums nimmt zwar die Zahl der Trauungen ab, aber die Brautleute lassen sie sich mehr kosten. 385 952 Paare gaben sich 2014 in Deutschland das Jawort (1950 waren es noch 750 452). Nach einschlägigen Schätzungen kostet eine Hochzeit im Schnitt mittlerweile um die 10 000 Euro (vor ein paar Jahren rechnete man nur mit der Hälfte). Laut einer Schätzung der Bank Union Investment ist das ein lukratives Geschäft: Fast zwei Milliarden Euro wurden in der Bundesrepublik im Jahr 2011 dafür ausgegeben. Deutschland ist dabei noch lächerlich sparsam: In New York beispielsweise, dem Mekka der High-Maintenance-Bräute, werden für eine Hochzeit 87 000 Dollar investiert, hat das Fachblatt Textilwirtschaft ermittelt. Davon entfallen 16 Prozent nur auf das Brautkleid, also 13 920 Dollar.

Das könnte sich aber wieder ändern, denn immer mehr Kundinnen begeistern sich für geilen Geiz. Das zeigen schon die vielen Ratgeberseiten im Netz. Sie heißen Stylemepretty.com oder Wedforless.com und geben Tipps, wie man am besten spart - auch wenn opulente Promihochzeiten weiterhin die Vorbilder sind. Zyniker mögen behaupten, dass die hohe Scheidungsrate der Grund für den Billigtrend ist: In Deutschland wird jede zweite Ehe vorzeitig getrennt. Warum sich bei solchen ungünstigen Prognosen also groß verschulden?

Das Marktforschungsinstitut Ibis fand noch eine weitere Erklärung. So sagte die Analystin Britanny Carter dem Online-Magazin Business of Fashion: "So wie sich Fast Fashion im Modemarkt durchgesetzt hat, ziehen jetzt Non-Luxus-Marken mit hochmodischen Brautkleidern zu einem angenehmen Preis nach." Im Blick haben sie die Twentysomething-Klientin. Laut Asos wollen die Bräute großen Wert zum kleinen Preis. Die Schnäppchen-Mentalität wird der Shop im März mit einer Großoffensive bedienen: 18 In-Designs, wie zweiteilige Ensembles, Jumpsuits mit Cape oder 3-D-Spitzenkleider werden alle für höchstens 250 englische Pfund angeboten.

Natürlich lassen sich im Internet aber auch teurere Entwürfe bestellen. Seit Dezember ist etwa beim Luxus-Anbieter Net-A-Porter eine Kollektion zu haben, deren Teile zwischen 105 und 850 englische Pfund kosten - entworfen von Needle & Thread-Designerin Hannah Coffin. Auch manche Günstig-Anbieter und -Labels orientieren sich schon nach oben. So hat der Shop "David's Bridal", der angeblich jede dritte Braut in den USA ausstaffiert - das entspricht jährlich über sieben Millionen Kleidern -, bereits mit der Designerin Vera Wang zusammengearbeitet. Und im Februar bringt er eine weitere Designerkollektion heraus: Truly Zac Posen. Preis: ziemlich teuer.

Auch das Geschäft mit Hochzeitskleidern folgt einem Trend in der Modebranche: Es muss entweder besonders günstig sein - oder richtig luxuriös.

Brautträume werden immer noch vor allem von der Fantasie gespeist und angetrieben: Das zeigt der immense Erfolg einer Ausstellung in London im vergangenen Jahr: Dort begeisterten sich Hunderttausende im Victoria & Albert Museum für 70 der romantischsten, glamourösesten und extravagantesten Hochzeitslooks, darunter ein violettes Outfit von Vivienne Westwood, das Dita Von Teese bei ihrem Jawort zu Marilyn Manson trug. Oder der Mantel von Anna Valentine, den Camilla, Duchess of Cornwall, ihrem Angetrauten Prince Charles vorführte, sowie die Robe, die Gwen Stefani bei ihrer Vermählung mit Gavin Rossdale ausfüllte.

Solche Wow-Momente können immer nur von der Haute Couture erleuchtet werden, von Häusern wie Chanel, Dior (dort gibt es zwar keine explizite Brautmode, aber Roben, die zum Heiraten geeignet sind) oder Elie Saab. Sie befeuern seit jeher die Sehnsucht nach einem Kleid, für das man sich durchaus schon mal in den sechsstelligen Euro-Bereich verirren kann, weil es nur ein einziges Mal angefertigt wurde. Im Vergleich dazu erscheinen die Modelle von Kaviar Gauche fast schon wieder wie Schnäppchen. Bei dem Berliner It-Label für Hochzeitskleider müssen Kundinnen etwas mehr als 10 000 Euro für eine handgemachte Robe ausgeben.

Für den klassischen Händler, der Brautmode verkauft, wie Monika Litschewski aus Hamburg, könnte es also eng werden. Zumindest ist diese Entwicklung schon aus anderen Branchen bekannt, etwa bei Schuh- und Schmuckgeschäften. Überlebt haben hier nur die Läden, die sich neu erfinden konnten.

Ein gutes Beispiel wie ein Brautmoden-Geschäft in Zukunft aussehen muss, wenn es gegen die Konkurrenz aus dem Internet bestehen will, ist "Celia Dresses" aus Frankfurt. Die ehemalige Moderedakteurin Susanna Carey hat vor zwei Jahren geheiratet, aber erst nach langer Suche etwas Passendes zum Anziehen gefunden. Im Mai 2015 eröffnete sie daher ihren eigenen Concept-Store. "Celia Dresses" ähnelt mehr einer Erlebniswelt als einem Geschäft. "Bräute wollen Inspirationen und Ideen sammeln", sagt Carey. Deshalb hat sie ein großes Moodboard mit Foto-Schnipseln und Ausrissen aus Magazinen aufgehängt.

Die Hochzeitskleider stammen von Designern wie Saja Wedding oder Wtoo Bridal, die nicht nur modern klingen, sondern auch so schneidern. Für Dekoration und Papeterie gibt es einen gesonderten Bereich, genauso wie für Bücher und Retro-Grußkarten und das alles in einer Atmosphäre, die an ein Wohnzimmer erinnert. Dahinter steckt die Idee eines umfassenden Angebots, das gleich ausprobiert werden kann. Kein Online-Shop kann dies leisten - genauso wenig wie das emotionale Erlebnis: "Sie sollten mal sehen, wie viele Bräute und Brautmütter hier im Laden vor Rührung in Tränen ausbrechen."

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Quelle:
SZ vom 30.01.2016/feko
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