Süddeutsche Zeitung

Raf Simons bei Prada:Sternfusion im Modeuniversum

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Von Tanja Rest

Die beiden lobten einander in den höchsten Tönen. "Auf allen Ebenen kann ich Miuccias Vision spüren, ihre Weltsicht, ihr Kunstverständnis, ihre politische Haltung", schwärmte der berühmte Modedesigner, "sie ist eine Pionierin." Die berühmte Modedesignerin setzte sogar noch eins drauf: "Ich würde gerne mit Raf arbeiten, es wäre ein Riesenspaß. Ich könnte eine Show mit ihm machen - stell dir vor, wie viel Spaß wir haben würden!" Das war vor vier Jahren, als das System-Magazin zwei der einflussreichsten Modemacher der Gegenwart, Raf Simons und Miuccia Prada, zum Interview bat. Seit Sonntag haben sehr viele Menschen dieses Gespräch noch einmal gegoogelt und Zeile für Zeile inhaliert. Denn seit Sonntag weiß man, dass die Italienerin und der Belgier ihre kreativen Kräfte bündeln werden, und nicht nur für die Dauer einer Show. Sondern - so zumindest ist es geplant - für immer.

Als die Mail am Samstag die auf der Mailänder Fashion Week versammelten Moderedakteure und Kritiker erreichte, standen zwei Szenarien zur Auswahl. Dass Prada für Sonntag 12 Uhr zu einer Pressekonferenz lud und außerdem bat, kein Sterbenswörtchen darüber verlauten zu lassen (immer noch der sicherste Weg, die Leute zum Schwätzen zu bringen), das sprach für einen Verkauf an die Luxusgruppe LVMH oder Kering. Das konnte andererseits aber auch heißen, dass das Haus sich in harten Zeiten Unterstützung geholt hatte. Wenig später war es amtlich: Miuccia Prada und Raf Simons werden von April an als gleichberechtigte Kreativchefs das Gesicht der Marke verantworten. Einer ganzen Industrie blieb mit einem Schlag die Luft weg.

Kollaborationen zwischen Designern hat es immer wieder gegeben. Aber dass sich zwei solche Schwergewichte auf Dauer zusammentun, davon hat man in der Mode nie gehört. "1+1=3", rechnete der Branchendienst Business of Fashion vor, die New York Times schrieb von einem "Schritt, der das Mode-Universum verändern könnte". Wer glaubte, die 71-jährige Designerin bereite ihren Rückzug vor, wurde schnell eines Besseren belehrt: "Machen Sie mich nicht älter, als ich bin", sagte Miuccia Prada. "Ich mag es zu arbeiten, und dies wird für frischen Wind sorgen."

Doch es geht für sie natürlich um viel mehr: Die Prada-Gruppe, an der sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, CEO Patrizio Bertelli, immer noch 80 Prozent hält, fuhr nach schlechten Management-Entscheidungen zuletzt durch raues Wasser. Die Kritiker mochten immer noch jubeln, die Aktie aber verlor innerhalb von fünf Jahren 35 Prozent an Wert. Da macht es Sinn, sich mit einem Mann zu verbünden, der die Branche ähnlich elektrisiert wie Signora Prada selbst, der ähnlich radikal denkt und ihr seit langer Zeit verbunden ist. 2006 holte sie ihn als Kreativchef zu Jil Sander, damals noch Teil der Prada-Gruppe. Es war das erste Mal, dass Simons für Frauen designte, und ein rauschender Erfolg.

Trotz allem darf man sich vom hysterischen Hurra nicht täuschen lassen, die Personalie ist hoch riskant. Seine letzten beiden Jobs hat Raf Simons vorzeitig beendet: Bei Dior warf er nach drei Jahren hin, weil ihm die künstlerische Freiheit fehlte. Bei Calvin Klein nahm er sich danach so viel davon, dass der Kunde die extremen Entwürfe nicht tragen mochte. Umsatzeinbruch - nach nur zwei Jahren war die Ära Simons beendet. So freundlich der 51-Jährige auch auftritt, der Kompromiss ist seine Sache nicht. Wenn eines Tages die Führung einer Naht, die Farbe eines Knopfes, das Thema einer Kollektion festgelegt werden muss, werden im Atelier in Mailand zwei gewaltige Egos aufeinander prallen. Das Ergebnis ist im September zu besichtigen, der weitere Ausgang: völlig offen.

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