Plagiate in der Mode:Alles nur geklaut?

Plagiate in der Mode: Auch Königin Elizabeth II. war bei Richard Quinns Show anwesend. Ob sie die Ähnlichkeit zu Demna Balenciaga (l.) entdeckt hat?

Auch Königin Elizabeth II. war bei Richard Quinns Show anwesend. Ob sie die Ähnlichkeit zu Demna Balenciaga (l.) entdeckt hat?

(Foto: Balenciaga; Getty Images)

Der Instagram-Account "Diet Prada" prangert Ideenklau in der Modewelt an - und sorgt damit für sehr viel Aufregung.

Von Jan Kedves

Die Mode erfindet sich ständig neu, so heißt es. Aber dann hat die neueste Jeans eben doch wieder zwei Beine und zwei Taschen auf dem Po. Und das neue Spaghettiträgerkleid wird von zwei dünnen Trägern gehalten, darunter hängt, nun ja, ein Kleid, mal länger, mal kürzer. Was soll daran neu sein? Die Nuancen, die in der Mode den Eindruck von Neuartigkeit erzeugen oder erzeugen sollen, sind oftmals eben sehr fein.

So fein, dass man sich schon mal fragt: War der Designer vielleicht nur faul, hat man das nicht genau so schon mal gesehen? Andererseits liegt die Kunst der Mode gerade darin, nicht immer alles auf den Kopf zu stellen, denn das würden nur Wenige tragen wollen. Die Herausforderung ist, das Altbekannte irgendwie neu aussehen zu lassen, aber nicht allzu neu. Wie gesagt: Es geht um Nuancen.

Diet Prada, einer der gefürchtetsten Instagram-Accounts der Branche

Nuancen haben heutzutage im Internet allerdings kaum eine Chance, schon gar nicht in den sozialen Medien. Dort, auf Instagram, hat sich ein riesiger Hype um ein anonym betriebenes Profil namens Diet Prada entwickelt. Das ist eine digitale Anlaufstelle für die Frage, welcher Modedesigner wieder welche Idee mutmaßlich bei welchem anderen Designer geklaut hat - oder wer sich kaum Mühe gibt, eine übernommene Inspiration so aussehen zu lassen, als könnte sie doch eine eigene sein.

Diet Prada ist mit diesem Style-Vergleich zu einem der meist gefürchteten Instagram-Accounts der Branche geworden, mit inzwischen 500 000 Abonnenten. Naomi Campbell ist der berühmteste Fan von Diet Prada, zu den anderen gehören der ehemalige Louis-Vuitton-Designer Kim Jones, der gerade zu Dior gewechselt ist, und Tim Blanks, der Papst der Modekritik.

Sie alle, Fashionprofis wie Fashionfans, klicken fleißig auf die Herzchen und feixen, was das Zeug hält, wenn Diet Prada wieder ein älteres Kleidungsstück (also das mutmaßliche Original) einem aktuellen Entwurf (also die mutmaßliche Kopie) gegenüberstellen. Eine Dolce-&-Gabbana-Kollektion sieht gänzlich nach Gucci aus? Skandal! Der neue wulstige Gucci-Turnschuh im angesagten Ugly-Style ähnelt dafür stark einem Balenciaga-Modell aus dem vergangenen Jahr? Geht gar nicht! Und die neue Sonnenbrille der Londoner Marke Ashley Williams ist nicht zu unterscheiden von einem Modell des legendären Designers Franco Moschino aus den Achtzigerjahren? Wie bitte?

Die Macher kennen sich mit Mode aus

Hinter Diet Prada stecken zwei Designer aus New York, Tony Liu (32) und Lindsey Schuyler (30). Sie wahrten lange Anonymität, kürzlich aber haben sie sich in einem Porträt auf der Modeplattform Business Of Fashion zu erkennen gegeben. Die biografischen Eckdaten: Sie lernten sich 2010 kennen, beide arbeiteten für die New Yorker Hutmacherin Eugenia Kim. Lui hat Kunst an der School of the Art Institute of Chicago studiert, Schuyler kommt von der Florida State University. Sie starteten Diet Prada Ende 2014, um, wie sie sagen, "Spaß zu haben".

Liu und Schuyler kennen sich mit Mode aus, das ist nicht von der Hand zu weisen. Das Internet erleichtert es einem heutzutage allerdings auch sehr, sich ein enzyklopädisches Wissen anzueignen. Auf der Website der amerikanischen Vogue kann man sich durch Fotos sämtlicher Kollektionen der vergangenen Jahre klicken, da fallen schon mal Ähnlichkeiten auf. Für den Hype um Diet Prada ist allerdings noch wichtiger, dass in klassischen Modemedien wie der Vogue, die von Anzeigen der Modeindustrie abhängig sind, niemals ein so bissig kritischer, bloßstellender Ton angeschlagen würde wie auf Diet Prada - aus Angst, Kunden zu verprellen.

Oberflächliche Skandalisierung

Daher wirkt der Ton auf Diet Prada so erfrischend. Aber: Er ist natürlich auch Selbstzweck. Jedenfalls machen Liu und Schuyler in ihren Beiträgen kaum Anstalten, auch mal genauer die Unterschiede zwischen Inspiration, Hommage, Referenz, Zitat und Diebstahl zu beleuchten, oder zur Erhellung juristischer Hintergründe beizutragen. Aufklärung über Designrecht, zum Beispiel wann ein sogenanntes Geschmacksmusterrecht verletzt ist, braucht man sich bei ihnen nicht zu erhoffen. Diet Prada wollen nur oberflächlich skandalisieren. Und damit so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen wie möglich.

Dabei kommt die Prangerkultur aus den sozialen Medien zur Hilfe, vor allem der sogenannte Call-Out. Das ist im Netz eine angriffslustig formulierte Aufforderung an einen vermeintlichen Übeltäter, sich öffentlich zu rechtfertigen. Der Rapper und Designer Kanye West, der sich mit Aufmerksamkeit im Netz selbst bestens auskennt, wusste sofort, wie zu reagieren ist, als Diet Prada enthüllte, dass er für eine Schuhstudie in seiner Yeezy-Linie bei Adidas einfach eine Zeichnung von der Website eines ehemaligen Nike-Designers kopiert hatte. West entschuldigte sich, behauptete, er habe die Zeichnung nicht selbst kopiert, ein Mitarbeiter sei es gewesen, und den habe er fristlos entlassen.

Fernsehsender sind bereits interessiert

Stefano Gabbana kam aus der Sache nicht so elegant heraus: Als Diet Prada Dolce & Gabbana des Ideenklaus bei Gucci bezichtigten, ätzte Gabbana auf Instagram gegen das Profil. Ein klassischer PR-Bumerang, denn seine Zickigkeit machte Diet Prada erst richtig bekannt.

Ja, das alles ist auch sehr amüsant. Nur fragt man sich schon, wie es mit Diet Prada weitergeht - jetzt, wo das Mysterium um die Macher gelüftet ist. Liu und Schuyler sprechen in dem Porträt auf Business Of Fashion darüber, dass sie sich durchaus vorstellen könnten, auch im Fernsehen aktiv zu werden, sie seien schon von Sendern kontaktiert worden, die hätten es auf ihre "frische Stimme" abgesehen. Unter den Bedingungen des Sensationsfernsehens bräuchte man sich noch weniger Hoffnungen zu machen, dass feingeistig eine wirkliche Kopie von einer Ähnlichkeit unterschieden wird. Vor einem Diet-Prada-Tribunal möchte man sich nicht zum Spielverderber machen.

Die andere Frage ist, wie lange Prada mitmacht. Diet Prada haben sich nicht nur den Namen des Modehauses aus Mailand "geliehen", sondern verwenden auch dessen Logo. Jedes andere Label hätte längst eine Abmahnung geschickt. Prada aber lässt das New Yorker Duo vorerst machen. Der Grund hierfür könnte sein, dass Miuccia Prada von Diet Prada nichts zu befürchten hat. Tony Liu und Lindsey Schuyler nennen die Designerin ihr "Idol". In einem ihrer ersten Posts behaupteten sie, dass ein Mantel aus einer von Raf Simons designten Dior-Kollektion von Prada abgeschaut worden sei.

Vorerst hat Prada nichts gegen den Account

Miuccia Prada selbst also scheint nur die Stichwortgeberin und selbst über jeden Diebstahlverdacht erhaben zu sein. Schön für sie - trotzdem laufen die Geschäfte bei Prada seit 2014 schleppend. Vielleicht hat man in Mailand deswegen vorerst nichts gegen Diet Prada: Das Gerede über das Instagram-Profil ist inoffizielle aber dennoch willkommene PR. Prada wird über Bande mit aggressivem Humor und Hashtag-Skandalismus aufgehippt.

Nur was passiert, wenn die Dauerempörung von Diet Prada und seinen Fans irgendwann dazu führt, dass Modedesign unter Generalverdacht gerät? Wenn die Botschaft des Projekts also ist: "Ach, in der Mode wird doch sowieso alles nur geklaut." Spätestens dann säße Prada mit im Boot. Und Diet Prada würde wohl selbst das bekommen, was es vielen Designern scheinbar implizit wünscht: Post vom Anwalt.

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