Pharrell Williams als Modemacher:Frohe Hose, frohe Meere

Pharrell Williams für G-Star

Pharrell Williams wirbt für seine nachhaltige Kollektion beim Jeans-Label G-Star.

(Foto: G-Star RAW, Ned und Aya Rosen)

Ein Streetwear-Label, ein Start-up und ein Superstar verbünden sich im Kampf gegen eines der größten Probleme unserer Zivilisation: alten Kunststoff. Als Botschafter des Cool kann Pharrell Williams Nachhaltigkeit einfach cooler verkaufen.

Von Anne Goebel und Julia Werner

Die Mode spielt mit Emotionen und mit Flüchtigkeit, was ihren Reiz ausmacht, aber manchmal kann man schon staunen über den Wankelmut. Wenn Pharrell Williams mit einer Armada von Models ein Mal auf und ab läuft, machen sich Hundertschaften auf den Weg an die Südspitze Manhattans. Dort präsentierte der Sänger während der New Yorker Fashion Week seine "Raw for the Oceans"-Kollektion für das Jeanslabel G-Star, hergestellt aus Plastikmüll, der aus dem Meer gefischt wurde. Das Publikum: tief bewegt. Wenn aber einen Tag später in einem baufälligen Haus an der Wall Street inspirierende Persönlichkeiten über das Problem mit dem Abfall und dem Meer sprechen, darunter Sylvia Earle, die legendäre Ozeanografin und Tiefseetaucherin mit dem Ehrentitel "Her Deepness", kommt keiner. Pop zieht, Probleme ziehen nicht.

Man kann allerdings das eine nutzen, um auf das andere hinzuweisen, und dafür hat sich Pharrell Williams entschieden. Ökologischer Wohltäter, Retter der Schöpfung: Das ist die neue Rolle, auf die sich der Superstar und notorische Hutträger gerade einschwört. Dass er dabei so wenig dem Zufall überlässt wie bei seinem Aufstieg zum Großmeister geschmeidiger Falsett-Nummern, ist logisch. Alles andere hat der 41-Jährige schließlich scheinbar mühelos erreicht. Zusammenarbeit mit den berühmtesten Musik-Kollegen, zahllose Auszeichnungen (das unvermeidliche Etikett Stilikone inklusive), eine Fangemeinde, die sich zu dem Megahit "Happy" in die kollektive Hypnose getanzt hat - und jetzt die große Geste als Protektor der Weltmeere.

Gut aussehen und dabei die Umwelt schützen, in dieser Reihenfolge: Das ist die Botschaft der Kooperation zwischen dem millionenschweren Alleskönner aus Virginia und G-Star. Die Kollektion für den niederländischen Konzern ist aber kein Debüt, sein Herz für Mode und andere hübsche Kleinigkeiten hat Pharrell Williams schon lange entdeckt. Er entwarf pompöse Schmuckstücke für Louis Vuitton. Chanel nennt er seine Lieblingsmarke. Ein Kosmetikhersteller darf ein Gesichtsspray unter seinem Namen vermarkten, und seit einigen Jahren besitzt er eigene Streetwear-Labels mit den schönen Namen Billionaire Boys Club und Icecream. Eine Kollektion aus nachhaltig hergestelltem Denim passt in diese Reihe, weil sie für lässige Wertigkeit steht - wie die heilenden Jadesteine, die der Sänger neuerdings Hochkarätern vorzieht. Auf der Show mit viel Kunstnebel in New York wurde die Frühjahrskollektion 2015 gezeigt. Exakt zur selben Zeit lagen die Herbstteile der "Raw for the Oceans"-Linie in den Läden.

Solide Denimkluft mit Krake für den Durchschnittsgeschmack

Am Abend der Laufsteg-Premiere führt Williams mit geöffnetem Jeansblouson und königsblauem Hut eine Phalanx gelockter Mannequins an: Nichts zu machen - der Goldjunge gibt auf der "Ocean Night", da halten ihn all seine Hymnen auf die Frauen nicht ab, den Macho. Ein Oktopus ist Herzstück und Maskottchen der Kollektion, als Allover-Print schmückt die Krake Jeans und Bomberjacken. Jumpsuits mit tiefsitzender Hüfte, Rundhals- T-Shirts, Sweatshirts mit klassisch geripptem Dreieck am Ausschnitt: Das ist solide, nicht sehr aufregende Denimkluft für den Durchschnittsgeschmack, nur gibt es eben den elektrisierenden Zusatz "co-designed by Pharrell". Und überall prangt der Slogan "Happy Oceans. Happy Life".

Eine einfache Weisheit, die zu unserer Zeit passt. Keiner weiß das besser als Pharrell Williams selbst. Es sei schwierig, mit einer wirklich wichtigen Sache durchzudringen, sagt er beim Round-Table-Gespräch mit roten Doc Martens an den Füßen und ein paar Chanel-Ketten um den Hals. "All die Ängste, die große Firmen den Menschen einhämmern. Wenn du diese Jacke nicht kaufst, wird dich dein Mädchen nicht ansehen! Gib deinem Kind diese Medizin - doch Vorsicht, es könnte drei Nasen bekommen!" Die Rettung der Welt aber sei einer ganz normalen Familie schlicht nicht wichtig genug. "Dabei ist sie ihr wahres Zuhause. Und ich kann den Menschen Informationen überbringen, die sie sonst nie erreichen würden." Der Superproducer übt Konsumkritik? Nein, er ist kein Fundamentalist, der Bäume umarmt, das wird eilig klargestellt. Aber deren angebliche "Birkenstock-Patina" sei auch eine Mär. Zusammengefasst: Entspannt euch, tut Gutes. Als Botschafter des Cool kann man Nachhaltigkeit einfach cooler verkaufen.

Ausgereifter Öko-Schick

Dass es der siebenfache Grammy-Gewinner ernst meint mit dem Dienst an der Umwelt, lässt der Zeitpunkt der Zusammenarbeit durchaus vermuten. Experimente mit Plastikschrott gibt es seit den Neunzigerjahren, Hersteller von Outdoor-Ausrüstung entwickelten Jacken aus PET-Flaschen. Doch wenn Pharrell Williams jetzt auf die massentaugliche Denimvariante setzt, dann geschieht das in einem Moment, in dem der Green Glamour seinen ersten Schub verloren hat. Nicht mehr jeder Hollywoodstar referiert ungefragt die Segnungen von Fleischverzicht und Umwelt-Toilettenpapier, die Pionierin Stella McCartney hat mit ihrer rigorosen Antipelz-Mode auch schon bessere Publicity gehabt. Andererseits werden die Technologien des Re- und Upcycling immer ausgereifter. Und es könnte sich herausstellen, dass Pharrell, der Handwerkersohn mit dem "golden touch", das richtige Gespür hatte für die zweite Welle des Öko-Schick.

Natürlich erleichtert es den ehrenvollen Einsatz für die Ozeane, wenn er die Beteiligten auch geschäftlich reizt. Pharrell Williams entwirft für das Denim-Unternehmen aus Amsterdam eine nachhaltige Kollektion. Und die in komplexen Verfahren hergestellten Garne aus Plastikmüll liefert die Firma Bionic Yarn: Ein New Yorker Start-up, in das sich Williams 2008 einkaufte und dort seither als Creative Director fungiert. Doch es gibt noch mehr Partner in diesem Projekt, die Initiative Parley zum Beispiel zur Rettung der Weltgewässer. Statt Demos organisiert Parley Zusammenkünfte bei dem New Yorker Künstler Julian Schnabel in dessen Palazzo Chupi, und auf dem Podium sitzt schon mal der Modefotograf David LaChapelle. Solche Leute stehen, genauso wie Pharrell Williams, für ökologisch bewegtes Hipstertum. Und ihr Engagement kann man ruhig ernst nehmen. Am Tag nach der "Raw for the Oceans"-Schau veranstaltet Parley eine Konferenz mit der renommierten Meeresbiologin Sylvia Earle. Und zeigt Ausschnitte aus einem Film über die Midway-Inseln, die voller Müll aus dem Meer sind. Die Albatrosse dort sterben qualvoll an verschluckten Abfallresten. Übrig bleibt ein fedriges Skelett mit buntem Mageninhalt, weil Plastik für die Ewigkeit gemacht ist. Spätestens da ist einem, mitten im Rausch der Fashion Week, zum Heulen zumute.

Der Jeans-Visionär, der eine Idee hat

Pharrell, der Musik- und Modeunternehmer, der seine Kollektion branchentypisch pathetisch als "nächste Generation des Denim" feiert, ist da längst weitergezogen. So sieht er sich: als Visionär, der die Jeans, den amerikanischen Urstoff, in die Zukunft katapultiert. Wenn er nicht gerade in Paris seine Handtaschen lanciert, die Londoner Fans im pinkfarbenen Mantel verzückt oder eine Kooperation mit Adidas präsentiert. Ist er das sicherste Trendbarometer der Welt - oder doch die Wiedergeburt des universellen Renaissancemenschen, den Feuilletonisten in ihm erkennen? Die New York Times setzte über ihr schillerndes Porträt den wunderbar lakonischen Titel "Pharrell Williams has an Idea". Vorläufig lautet die Idee: cool aussehen. Dem alten Planeten helfen. Und dann das nächste richtig, richtig große Ding.

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