Beleuchtung:Meister Lampe

Beleuchtung: Klassisches Design: Der Berliner Ingenieur Max Graetz hat die Petromax 1910 entworfen.

Klassisches Design: Der Berliner Ingenieur Max Graetz hat die Petromax 1910 entworfen.

(Foto: Petromax)

Feuer und Flamme für Petroleumleuchten: Der junge Unternehmer Jonas Taureck hat altmodische Sturmlampen wie die "Petromax HK 500" im Corona-Jahr zu einem ganz heißen Ding gemacht. Eine einleuchtende Erfolgsgeschichte .

Von Titus Arnu

Das Ding faucht wie ein kleiner Drache. Es dampft und spuckt Feuer. Um nicht verschmort zu werden wie ein größenwahnsinniger Ritter, der es mit einer feuerspeienden Bestie aufnimmt, muss man vorab sehr gewissenhaft die Bedienungsanleitung studieren. Schritt eins: Petroleum tanken und einen Glühstrumpf aus Kunstseide aufziehen (nicht auf den Fuß, auf die Lampe). Dann eine integrierte Handpumpe betätigen, bis der Manometer einen Druck von zwei Bar anzeigt. Anschließend wird etwas Spiritus eingefüllt, angezündet und abgefackelt. Dieser Vorgang muss zwei-, dreimal wiederholt werden, bis der Vergaser vorgeheizt ist. Schließlich dreht man an einem Rädchen - und schon brennt eine sehr helle Flamme.

Es gibt deutlich unkompliziertere Methoden, um im Outdoor-Bereich Licht zu machen. Man könnte zum Beispiel einfach eine moderne Akku-LED-Lampe anknipsen. Die Petromax HK 500 wirkt im Vergleich mit einer batteriebetriebenen Leuchte wie eine Dampfmaschine neben einer Brennstoffzelle. Das Ungetüm aus poliertem Messing und Glas wurde seit seiner Erfindung technisch kaum verändert. Der Berliner Tüftler Max Graetz hatte die "Starklichtleuchte" im Jahr 1910 entwickelt, 1921 wurde sie patentiert. Der Mini-Leuchtturm deutscher Ingenieurskunst wird also demnächst 100. Anders als bei normalen Petroleumfunzeln wird der Brennstoff unter hohem Druck durch einen Vergaser geschickt und nicht flüssig verbrannt - das sorgt für eine große Leistung von 400 Watt bei sparsamem Verbrauch.

Vor 100 Jahren war das eine einleuchtende Sache. Aber wer braucht heutzutage eine hochkomplizierte Starklichtpetroleumlampe, für die man auf dem zweiten Bildungsweg Verbrennungstechnik studieren muss? Erstaunlicherweise hat die Lampe weltweit eine große Fangemeinde. Das liegt am Nostalgiefaktor und am imposanten Erscheinungsbild, aber auch an der Tatsache, dass der Apparat zuverlässig ohne Strom funktioniert. Die Petromax HK 500 ist so etwas wie der Heilige Gral für historisch interessierte Technik-Nerds, Lampensammler und Prepper. Auch verschiedene Militäreinheiten und das Technische Hilfswerk verwenden das Modell. Um die Lampe symbolisch noch etwas höher zu hängen: In einer digitalisierten, virtualisierten Welt strahlt sie ein angenehm altmodisches Signal aus, weil sie weder Strom noch Software-Updates benötigt.

Was ist archaischer als ein brennendes Licht im Dunkeln?

Die Rückbesinnung auf das Handgemachte, Stabile, Autarke hat gerade Konjunktur. Wenn man seine sozialen und beruflichen Kontakte hauptsächlich über Videokonferenzen, Whatsapp-Nachrichten und Mails pflegen muss, sehnt man sich eben umso stärker nach dem Echten, Ursprünglichen, Direkten. Und was ist archaischer als ein brennendes Licht im Dunkeln? Die Leute wollen sich instinktiv um ein Lagerfeuer oder eine Petroleumlampe versammeln wie ihre Vorfahren. Feuerschalen, Feuertische, Feuerpfannen, Feuertöpfe und Feuerwaffeleisen braucht man nicht unbedingt, aber sie geben einem das warme, sichere Gefühl, sich unabhängig von der Weltlage jederzeit ein dreigängiges Menü im Wald zubereiten zu können.

Die Petromax-Lampe war fast komplett in Vergessenheit geraten, nun werden wieder 25000 Stück pro Jahr produziert. Tendenz im Corona-Jahr: stark steigend. Das liegt vor allem an Jonas Taureck, der die Marke Petromax gekauft und zu einer heißen Sache gemacht hat. Auch die legendäre Feuerhand-Petroleumlampe mit ihrem patentierten Glashebe-Mechanismus gehört zur Firma des jungen Unternehmers. Zusammen mit seiner Frau Pia Christin leitet Taureck eine Manufaktur in Magdeburg, die Petroleumlaternen, Grills, Feuerschalen, Brennstoffe und weiteres Outdoor-Kochzubehör verkauft. Das Potential der unverwüstlichen Starklichtlampe HK 500 erkannte er ausgerechnet in der Wüste. Zusammen mit einem Freund wollte er im Jahr 2000 als 21-Jähriger die Sahara mit einem alten Magirus-Lastwagen durchqueren. Auf dem Weg von Hannover nach Durban machte der Lkw im Niger schlapp - der Motor fiel einfach unten aus der Karosserie heraus, die Lichtmaschine war defekt. Auf der Suche nach Hilfe landeten die beiden abends in einem Dorf, das hell erleuchtet war - obwohl es keinen Strom gab. Die Leute hatten Petromax-Lampen, "die alten Dinger waren krumm und schief, aber sie funktionierten", erzählt Taureck.

Zurück in Deutschland, kaufte Taureck einige tausend Petromax-Lampen aus Beständen der Bundeswehr auf und recherchierte, wer die Markenrechte besitzt. Sie lagen bei der Firma Schott, die damals nur noch 150 Stück pro Jahr herstellte. Der BWL-Student kaufte sich einen Anzug, mietete einen Mercedes, verhandelte geschickt - und unterschrieb 2006 den Kaufvertrag für Petromax. 2009 stieg seine Frau mit in die Firma ein. Mittlerweile hat die Manufaktur 90 Mitarbeiter, die Marke Feuerhand gehört seit 2014 zur Firma. Die Geschichte der "Frischluftlaterne" mit dem Namen "Baby Special" reicht bis ins Jahr 1880 zurück. 1937 verkaufte Feuerhand zwölf Millionen Petroleum-Laternen, 2013 ging die Firma in Konkurs. Die Taurecks befeuerten auch diese Traditionsmarke mit ihrem Spirit.

Es gibt auch eine Schummel-Version - mit eingebauter Elektrolampe

Brandlöcher auf dem Rasen der Taurecks zeugen davon, dass sie ihre Produkte selbst testen und benutzen. Jonas Taureck ist ein begeisterter Camper und Griller. Besonders schön findet er es, wenn er das Lagerfeuer nicht mit dem Feuerzeug entfacht. "Es ist natürlich einfacher, auf einen Knopf zu drücken", sagt er, "aber ich benutze lieber einen Feuerstahl." Der Klang des Metalls, die Funken, das knisternde Holz, der Geruch nach Ruß wecken offenbar tief verwurzelte Gefühle, auch wenn man sich nicht in der Sahara, sondern im Schrebergarten befindet. "Männer lieben einfach den Gedanken ans Abenteuer", sagt Pia Christin Taureck. "Es reicht ja manchmal die Vorstellung, man könne auch in einem Camp in Afrika sitzen."

Technisch unbegabte Menschen müssen übrigens keine Angst haben, dass ihnen die HK 500 um die Ohren fliegt, wenn sie beim Anfeuern etwas falsch machen. Es gibt auch eine Schummel-Version der Vergaserlampe zu kaufen. Sie hat eine ungefährliche Elektrolampe eingebaut.

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