Star-Designer Paul Smith:Schönes Chaos

Star-Designer Paul Smith: Seit 50 Jahren höchst erfolgreich im Geschäft: der Designer Paul Smith

Seit 50 Jahren höchst erfolgreich im Geschäft: der Designer Paul Smith

(Foto: Foto: Paul Smith Archive)

Es hätte Paul Smiths Jahr werden können: Fünfzigster Firmengeburtstag, Jubiläumskollektion, ein Orden der Queen, ein Buch über sein Leben. Es kam natürlich anders. Ein Treffen in München.

Von Tanja Rest

Im Münchner Café Luitpold tunkt Sir Paul Smith sein Croissant in das soeben geköpfte Frühstücksei und bearbeitet mit der anderen Hand sein iPhone. "Wait a second ..." Wie heißt nochmal der Orden, den ihm die Queen soeben verliehen hat? Er tippt. Das graue Haar, Stil gut konservierter Siebzigerjahre-Rock-'n'-Roll, fällt ihm recht wirr in die Stirn, dem karierten Anzug gelingt das rare Kunststück, gleichzeitig makellos zu sitzen und relaxed auszusehen. "Ah - look!" Er reicht das Handy über den Tisch.

Die Wikipedia-Seite zum "Order of the Companions of Honour". Maximal 65 lebende Briten dürfen ihn tragen, darunter David Attenborough, Judi Dench, J. K. Rowling und Paul McCartney. Und hier, als Nummer 62 und jüngster Neuzugang, ist er selbst gelistet: "Sir Paul Brierley Smith, 74, British Fashion Designer". Großes Strahlen, aber selbstironisch. "Isn't that funny?!" Wie die Zeremonie war - Buckingham Palace, gesetztes Dinner, gehobener Small Talk? Tja. Wer weiß, ob es jemals eine geben wird.

2020 hätte sein Jahr werden können. Fünfzigster Firmengeburtstag, Jubiläumskollektion für Herbst/Winter, ein prachtvoll heiteres Buch über seine wichtigsten Inspirationen, nicht zuletzt die gerade aus der Taufe gehobene "Paul Smith's Foundation", mit der er junge Kreative unterstützen will; in München ist er, weil er seinen zweiten Mini-Cooper gestalten soll. Und nun, zwanzig Jahre nach der Ernennung zum Sir, abermals ein königlicher Orden.

Doch es war kein gutes Jahr, natürlich nicht.

Am 23. März begann im Königreich der erste Lockdown. Im Headquarter in der Londoner Kean Street saß der Jubilar in seinem Büro im vierten Stock und war wochenlang der einzige Mensch im Gebäude. Er kann überaus komisch davon erzählen, wie er die Pflanzen goss, in der Betriebsküche die Überreste explodierter Milchtüten aufwischte und nebenbei versuchte, den Online-Verkauf zu reaktivieren, die Kollektion für Frühjahr/Sommer 2021 auf die Beine zu stellen und sein Unternehmen insgesamt vorm Ruin zu bewahren. "Ich war wie ein Jongleur, der 30 Teller gleichzeitig in der Luft halten muss."

Er kann es sich leisten, offen zu sprechen

Paul Smith ist nicht nur der erfolgreichste britische Modemacher, sondern auch einer der letzten großen Unabhängigen. Sein weltumspannendes Unternehmen (Shops in mehr als 70 Ländern, fast tausend Mitarbeiter, Jahresumsatz: 190 Millionen Euro) gehört keiner Luxusgruppe oder namenlosen Investoren, sondern immer noch ihm selbst. Er kann es sich also leisten, offen zu sprechen. Das Zustandsbild der Branche im Jahr der Corona-Pandemie, das er entwirft, ist düster, aber mit beschwingter Hand skizziert. Er wäre schließlich nicht Paul Smith, wenn ihm in schwierigen Zeiten sein Grundoptimismus und der Humor abhanden kämen.

"Die Sache mit Paul Smith - und es ist eine wirklich bemerkenswerte Sache - ist, dass er wahrhaft sieht", schreibt sein guter Freund, der Apple-Designer Jony Ive, im Vorwort zum Jubiläumsbuch. "Er blickt nicht innerhalb berechenbarer Kategorien auf die Welt. Und er findet Freude, Genuss und ein Versprechen in dem, was er da sieht." Der beste Beleg dafür ist Smiths mittlerweile berühmtes Büro, in dem sich Kunstgegenstände, Nippes, Spielzeug und sonstige Kuriosa zu einem so erstaunlichen Chaos zusammenfügen, dass es in sich schon wieder einer Kunstinstallation gleicht.

Aus diesem Chaos hat Smith für sein Buch (erschienen bei Phaidon) 50 Dinge ausgewählt, für jedes Firmenjahr eines. Denn, wie er im Café Luitpold sagt: "Diese Kollektion haben wir 1973 gemacht, jene haben wir 1988 gemacht - das wäre doch furchtbar langweilig geworden."

Star-Designer Paul Smith: Eigentlich wollte Smith mal Rennrad-Profi werden. Ein schwerer Unfall beendete seinen Traum.

Eigentlich wollte Smith mal Rennrad-Profi werden. Ein schwerer Unfall beendete seinen Traum.

(Foto: Paul Smith Archive)

Stattdessen also: Objekte. Abfotografiert, inszeniert, versehen mit einem kleinen Erinnerungstext des Designers. Als Inspiration sind sie auch auf seinem Laufsteg immer wieder zu erkennen. Nummer eins: seine erste Kamera, eine Kodak Retinette, die er von seinem Vater bekam zum elften Geburtstag. Nummer 15: der Smoking, den der späte Yves Saint Laurent für Smiths Frau Pauline anfertigte im Stil von 1967, dem Jahr ihrer ersten Begegnung. Nummer 29: eine elektrische Miniatureisenbahn in einem Koffer, den Smith immer dann hervorzaubert, wenn die Stimmung in einem Geschäftsmeeting der Auflockerung bedarf. Und so weiter und so weiter, bis man schließlich bei Objekt Nummer 50 angekommen ist: einem grotesk verbogenen Rennrad. Smith wollte als junger Mensch Radrennfahrer werden, was ein schwerer Unfall - man ist versucht zu sagen: glücklicherweise - verhindert hat.

Einen Moment lang sieht er ernsthaft betrübt aus

Seine Stiftung atmet denselben heiteren, freundlichen Vibe. Immer wieder hat der Mann jungen Kreativen unter die Arme gegriffen, an deren Talent er glaubte. Seine Erfahrungen und Ratschläge finden sich seit Oktober gebündelt auf der Website www.paulsmithsfoundation.com. In Kategorien wie "Einen Eindruck machen", "Entscheidungen treffen", "Überall Inspiration finden" oder "Stark anfangen, behutsam wachsen", ist das Know-how aus 50 Jahren nun für jedermann frei zugänglich.

Star-Designer Paul Smith: Zum Jubiläum: ein Spaghetti-mit-Tomatensoße-Hemd aus der aktuellen Kollektion.

Zum Jubiläum: ein Spaghetti-mit-Tomatensoße-Hemd aus der aktuellen Kollektion.

(Foto: Paul Smith Archive)

Unterm Strich: so viele neue Ideen und Projekte - so viele von der Pandemie vereitelte Gelegenheiten, Menschen einzuladen und mit ihnen zu feiern. "Wir hatten alles schon geplant, es wäre wundervoll geworden. Stattdessen saß ich in meinem Büro vorm Bildschirm und habe so viele Interviews gegeben, wie ich nur konnte." Einen Moment lang sieht er ernsthaft betrübt aus. Dann schaut er auf die Uhr, und seine Miene hellt sich auf. Es bleibt noch Zeit für einen kleinen Spaziergang!

Man flaniert gemeinsam hinüber zu seinem Münchner Shop. Als das Schaufenster erreicht ist, in dem Teile der Herbstkollektion präsentiert werden, ist Smith wieder allerbester Dinge. Eine klassische Retrospektive habe er nicht zeigen wollen, stattdessen habe er seine liebsten Muster und Prints der vergangenen 50 Jahre noch einmal verwendet. Er deutet auf ein Hemd, "wie finden Sie es?"

Köstlich wäre hier wohl das zutreffende Wort. Es ist über und über mit Spaghetti in Tomatensoße bedruckt.

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