Paris Fashion Week:Scheißegal-Attitüde kombiniert mit extremer Dünnheit

Paris Fashion Week: Eine Saint-Laurent-Kollektion des ehemaligen Saint-Laurent-Designers Hedi Slimane, nur diesmal für Celine.

Eine Saint-Laurent-Kollektion des ehemaligen Saint-Laurent-Designers Hedi Slimane, nur diesmal für Celine.

(Foto: AFP)

Absurde Teile für Zwanzigjährige anstatt Mode für Frauen mit Stil: Hedi Slimane bei Céline ist eine Fehlbesetzung - mit der sich Milliarden verdienen lassen.

Von Tanja Rest, Paris

Es beginnt tatsächlich mit einem Trommelwirbel, dargeboten von zwei Musikern der republikanischen Garde. Dann wummern die Bässe. Auf den Laufsteg rollt eine gigantische, um sich selbst rotierende Spiegelskulptur, in deren Zentrum das erste Model auf einem Podest herniederfährt. Schon zu diesem Zeitpunkt hat das Celine-Spektakel im Showzelt vor dem Invalidendom wahrscheinlich dreimal mehr gekostet als jede frühere Produktion. Im Publikum recken sich tausend Hälse. Als das Model ins Blickfeld sinkt - Beine, aber noch kein Rocksaum in Sicht - überfällt einen plötzlich die Vorstellung, dass die bisherige Designerin Phoebe Philo jetzt irgendwo in England vorm Livestream sitzen und zusehen könnte. Hoffentlich nicht. Denn mit diesem ersten Look ist das Haus Celine in seiner bisherigen Form Geschichte.

Tagelang haben die Leute auf den Rängen der Pariser Modewoche über nichts anderes spekuliert als über diesen Moment. Was würde Hedi Slimane mit Celine anstellen - beziehungsweise: In welcher Form würde er es erledigen? Es wird an Laufstegen generell viel Unsinn geredet, aber hier hatten sie einen Punkt. Es gibt nämlich nicht mehr viele Labels, die sich für erwachsene Frauen mit Stil zuständig fühlen. Von diesen Frauen wird vielmehr erwartet, dass sie sich in absurde Teile für Zwanzigjährige hineinhungern und hineinlügen um den Preis ihrer Selbstachtung. Diejenigen, die das nicht wollten, hatten bei Céline und der Designerin Phoebe Philo zehn Jahre lang eine zuverlässige Heimat. Hier gab es Kleider, die nicht albern waren und mit Gewalt auf jung getrimmt, sondern praktikabel, klug und cool.

Der neue Designer, der dem Logo des Labels in einer ersten Amtshandlung den Accent aigu gestrichen hat, verkörpert das Gegenteil all dessen, fünf Jahre lang hat er bei Saint Laurent schwarze Messen des Rock-Chic zelebriert, unbeirrt von Kritik und mit märchenhaften Zuwachsraten. Hedi Slimane bei Celine, das ist eine Fehlbesetzung, mit deren geschickter Vermarktung sich Milliarden verdienen lassen.

Der erste Look ist ein winzig schwarzes, schulterfreies Kleid mit Polka Dots und einer Riesenschleife ums Dekolleté, dazu Bikerstiefel. Es folgen Myriaden weiterer Kleidchen, fast ausnahmslos schwarz, manche schillernd vor Pailletten, andere mit dramatischer Couture-Schulter, sowie ein Haufen Baby Dolls mit gepufftem Rock; allesamt in Winzgröße und gerade so den Hintern bedeckend. Man addiere die Scheißegal-Attitüde, die extreme Dünnheit der Models, die albernen Hütchen mit Schleier, und was man hier sieht, ist: eine Saint-Laurent-Kollektion des ehemaligen Saint-Laurent-Designers Hedi Slimane, nur diesmal für Celine.

Von Philos gefeiertem Minimalismus bleibt nichts übrig. Ausradiert, zu Staub zerfallen. Slimane hat es im Interview mit dem Figaro Tage zuvor ja selbst gesagt: "Bei Celine wiegt die Vergangenheit nicht so schwer wie bei Dior oder Saint Laurent. Wir können uns leichter davon lösen."

Die Show in einem Wort? Gier. Celine, im Besitz der Luxusgruppe LVMH, war unter den kleineren Labels ein gesundes Unternehmen, 148 Shops weltweit, eine knappe Milliarde Umsatz. Aber es war nicht genug. Zwei bis drei Milliarden Umsatz nach fünf Jahren mit dem neuen Kreativchef: Das hat LVMH-Chef Bernard Arnault den Investoren in Aussicht gestellt. Slimane soll bei Celine Parfum einführen, Haute Couture machen und nicht zuletzt eine Männerlinie aufbauen - die in die Show schon integriert ist: streichholzdünne Jungs in maximal schmalen Anzügen, Slimanes Markenzeichen, das noch aus seiner Zeit bei Dior Homme stammt. Es ist in wirklich jeder Hinsicht eine altmodische Kollektion.

Auf einer anderen Ebene sieht das Ganze wie eine Attacke aus auf den großen LVMH-Rivalen Kering, der mit dem Erfolg von Gucci, Balenciaga und eben Saint Laurent zuletzt mächtig Boden gut gemacht hat. Der galoppierende Witz ist ja: Bei Saint Laurent zeigen sie immer noch den Slimane-Look. Nur heißt der Designer seit zwei Jahren Anthony Vaccarello. Aber warum etwas ändern, wo es sich doch glänzend verkauft? Gier, wie gesagt.

Vier Tage zuvor hatte Saint Laurent vor der Kulisse des abendlich funkelnden Eiffelturms die Models übers Wasser laufen lassen. Nun ja, sie liefen durch ein niedrig mit Wasser gefülltes Riesenbecken, doch mit etwas Fantasie hätte es auch die Seine sein können. Sie trugen Hotpants, Paillettenjacken, Plateausandalen und Hütchen auf dem Kopf. Im Frühjahr werden Saint Laurent und Celine identische Kollektionen in die Läden hängen, und man kann jetzt darauf wetten, wer in dieser Farce siegt.

Die Front Row bei Celine war schon mal die schickere, denn da saßen die FoH, die Friends of Hedi: die Designer Virgil Abloh und Karl Lagerfeld, Catherine Deneuve, der Musikproduzent Mark Ronson sowie - Lady Gaga. Als hinterher alle zum Backstage-Bereich stürmen, steht sie plötzlich neben einem. Also, Gaga: "Wie fanden Sie als Feministin diese Show?" - "Ein Fest der Weiblichkeit!" Ach ja? "Ich habe starke, unabhängige Frauen gesehen, die sich selbst gefeiert haben." Und weg ist sie. Der Designer selbst, ein dünner Mann von 50 Jahren mit dem Gesicht eines eingeschüchterten Konfirmanden, erleidet die Gratulationen eher, als dass er sie entgegennimmt.

Am Rande des Geschehens entdeckt man Sidney Toledano. Er war mal Chef bei Dior, leitet inzwischen die LVMH Fashion Group und ist damit einer der mächtigsten Männer der Mode. Nächster Versuch: "Monsieur Toledano, ich bin, wie die meisten Celine-Kundinnen, eine Frau über vierzig - sehen Sie mich ernsthaft in einem dieser Kleider?" Er schaut einen von Kopf bis Fuß an beim Versuch, das Erscheinungsbild der Fragestellerin mit einem goldenen Ballonrock-Kleidchen in Einklang zu bringen. Er sagt: "Nun ja. Aber Sie könnten es doch mit einer Jacke versuchen."

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