Oscars 2016:Tüllgardine mit Busenfenster

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Heidi Klum in Tüllschichten von Marchesa bei den Oscars. (Foto: AFP)

Heidi Klum erscheint zur Oscar-Verleihung in einem Tüll-Ungetüm auf dem roten Teppich. Was soll das? Ein Interpretationsversuch.

Von Violetta Simon

Sie haben sich die Lippen aufgepolstert, die Zähne gebleicht, abgespeckt und ihre Haut per Bronze-Dusche gebräunt - alles für den einen Moment, der entscheidet, wer den Puls der Klatschkolumnisten in die Höhe treibt. Doch maßgeblich ist die Wahl der Garderobe: Auf dem Roten Teppich wird das Outfit zur Botschaft, die verrät, wer das Zeug zur Stilikone hat. Und wer wieder einmal zu viel wollte.

Denn es ist nicht leicht, aus dem Meer der opulenten Hollywood-Roben herauszustechen: Schleppe, Gold, Glitzer, Beinschlitz, Rückendekolleté - das Übliche. Ein paar neue Farbbewegungen wie Pastell, Flaschengrün, Blutrot oder Weiß konnte man ausmachen. Das war's auch schon. Ach, und dann war da noch Heidi Klum.

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Die Mutter aller "Wenn ich groß bin, werde ich Model"-Mädchen erschien in einem Tüll-Monstrum von Marchesa: mehrere Lagen Chiffon in Flieder, Lavendel und Lila, zusammengezurrt durch florale Puderquasten an Taille, Schulter und Handgelenk. Und machte dabei Winkewinke, als wäre das Ganze eine Werbeveranstaltung für Ado-Gardinen. (Erinnern Sie sich? Das waren die mit der Goldkante - ein echter Burner, allerdings in den Siebzigern).

In Sachen Selbstinszenierung ist man so einiges von der 42-Jährigen gewohnt: schräge Gesangseinlagen, abgedrehte Halloween-Kostüme, Namen für ihre Brüste (eine heißt Hans, eine Franz), Beach-Selfies, die den Abstand ihrer Oberschenkel dokumentieren. Erst im Januar beglückte uns die GNTM-Moderatorin bei den Golden Globes als wandelnde Lametta-Säule. Aber was hat Heidi dazu bewogen, zur Oscar-Verleihung als Tiffy, der Plüsch-Vogel aus der Sesamstraße, zu erscheinen?

Gibt es irgendjemanden, der eine Kreation wie diese ohne Gesichtsverlust tragen kann? Carrie Bradshaw vielleicht - aber die wurde schon länger nicht mehr gesehen, womöglich ist sie in ihrem begehbaren Kleiderschrank verloren gegangen. Sollte Heidi die Rolle der "Sex and the City"-Darstellerin als Stil-Ikone für schräge Garderoben-Experimente übernehmen wollen? Da will einem nicht einmal der deprimierende "Kein Foto für Dich"- Spruch über die Lippen kommen.

Busenfenster mit Panoramablick

Nun gut, immerhin zeugt das lila Gardinendings von großem Selbstbewusstsein. Und noch etwa muss man ihr lassen: Das Thema Dekolleté hat Heidi durchaus kreativ gelöst: in Trapezform. Schon länger ist in dieser Hinsicht eine Ausweitung der Schauzone zu beobachten, die nicht nur von oben Einblick gewährt, sondern auch von links. Und von rechts. Oder, wie bei Heidi, schräg von unten. Das Dekolleté hat sich zu einer Art Busenfenster etabliert, einem Schaukasten mit Rundum-Panorama-Einblick für Hans und Franz.

Der Grund: Hinter Stoffstreifen, die auf die Breite von Hosenträgern geschrumpft sind, ist nunmal kein Platz für einen BH. Nur so lässt sich beweisen, dass die Brust noch immer top in Form ist und keinerlei Stütze bedarf. Auch wenn das nur in den wenigsten Fällen zutreffen dürfte. Doch Hollywood wäre nicht Hollywood, wenn man die Gesetze der Schwerkraft nicht ebenso außer Kraft setzen könnte wie alle anderen Alterungsprozesse.

Bleibt die Hoffnung, dass beim Spießrutenlauf über den roten Teppich möglichst niemand auf die Idee kommt, das physikalische Wunder zu hinterfragen. Sondern stattdessen rätselt: Wie macht sie das nur, sind das die Gene? Oder weil sie so viel Wasser trinkt? Klebestreifen womöglich?

Heidis Tüllgardine gibt keine Antwort. Sie wirft nur viele Falten - und noch mehr Fragen auf.

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